Vor vier Jahren entschied das Verwaltungsgericht Würzburg, dass für das letzte Stück der Buchentalstraße hinab zur Buchenmühle samt Brücke über den Buchenbach nicht die Stadt Lohr zuständig sei; bei dem etwa 80 Meter langen Straßenstück handele es sich um Privateigentum. Geklagt hatten damals der Inhaber des Hotelgasthofs Buchenmühle, Heribert Endres, und Waldbesitzer Christoph von Hutten. Sie wollten erreichen, dass die Stadt das schlaglochübersäte Straßenstück herrichtet – was die Stadt mit dem Urteil in der Hand logischerweise nicht tat.
Doch jetzt könnte der damalige Sieg der Stadt Lohr nach hinten losgehen. Denn die Energieversorgung Lohr/Karlstadt und Umgebung („Energie“), an der die Stadt Lohr mit etwas mehr als 26 Prozent beteiligt ist, möchte im Rahmen einer Netzverbindung von Karlstadt nach Lohr Mittelspannungskabel verlegen, mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit und die Stabilität des Stromnetzes zu erhöhen. Unter anderem soll in diesem Zusammenhang von der Trafostation östlich der Buchenmühle in Richtung Steinbach entlang der Buchentalstraße ein Kabel verlegt werden.
Zwar gehört die Buchentalstraße, die durch Christoph von Huttens Wälder führt, zumindest bis auf das letzte strittige Stück der Stadt Lohr. Doch stellenweise reicht der Platz am Straßenrand für die vorgesehene Erdverkabelung nicht aus. Somit ist die „Energie“ darauf angewiesen, dass Waldbesitzer Christoph von Hutten grünes Licht gibt für eine Verlegung auf seinem Grund.
Das tue er auch, sagt er. Allerdings nicht für das letzte Stück hinab zur Buchenmühle. Denn er ist nach wie vor davon überzeugt, dass auch dieses Stück Straße nicht ihm, sondern der Stadt Lohr gehört.
Erst einmal nur Freileitung
Wenn die Stadt sich nicht einsichtig zeige und sich weigere, das Stück zu übernehmen, werde er der „Energie“ lediglich erlauben, in diesem Bereich – zeitlich befristet – parallel zur Straße das Kabel an Bäumen beziehungsweise Holzmasten zu befestigen, sagt Christoph von Hutten. Für die „Energie“ könnte dies aber nur eine Zwischenlösung sein, geht aus einem Gespräch, das Ende April stattfand, hervor. Ziel der „Energie“ sei eine Erdverkabelung auch in diesem Bereich, heißt es im Protokoll.
Eine Möglichkeit, den Weg für die „Energie“ frei zu bekommen, wäre, dass die Stadt Lohr das Straßenstück, das ihr nach Ansicht von Christoph von Hutten sowieso gehört, übernimmt. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.
Christoph von Hutten begründet seine Einschätzung, dass auch das Straßenstück hinunter zur Buchenmühle der Stadt gehört, damit, dass sein Großvater vor gut 50 Jahren einen Streifen durch den Wald von Steinbach nach Mariabuchen an die Gemeinde Steinbach verkauft habe (heute ist Steinbach ein Lohrer Stadtteil und die Stadt Lohr damit Rechtsnachfolger der ehemals selbstständigen Gemeinde).
In der notariell beglaubigten „Straßengrundabtretungsverpflichtung“ vom 30. August 1961 ist Folgendes zu lesen: „Die Gemeinde Steinbach beabsichtigt den Fahrweg von Steinbach zum Kloster Maria Buchen beziehungsweise zur Buchenmühle, die sogenannte Buchentalstraße, vorerst auf eine Breite von drei Metern auszubauen und mit einer Schwarzdecke zu versehen. Ein späterer Ausbau auf fünf Meter Breite zuzüglich zwei Meter für Bankette und Böschungen ist vorgesehen.“ Weiter heißt es in der Urkunde, dass der Verlauf der geplanten Straße in einer zugehörigen Planskizze rot eingezeichnet sei. In der Skizze (siehe kleines Foto) ist deutlich sichtbar, dass die rote Linie auch das letzte strittige Stück einschließlich Brücke über den Buchenbach umfasst sowie einen Abzweig hoch zum Kloster.
Im Dezember 1970 kaufte die Gemeinde Steinbach von Christoph von Huttens Vater weitere Flächen links und rechts der Straße hinzu, um diese zu verbreitern und erstmals zu teeren – bis über die Buchenbachbrücke hinaus, wie Christoph von Hutten betont.
In der zugehörigen notariellen Urkunde ist festgehalten, dass die erworbenen Flächen „ausschließlich zum Ausbau einer öffentlichen Straße benötigt wurden“. Dies wiederum steht laut Christoph von Hutten in krassem Gegensatz zur späteren Widmung als private Anliegerstraße.
Dass das letzte strittige Straßenstück in der zu den Notar-Urkunden gehörenden Planskizze eingezeichnet ist, jedoch nicht im Grunderwerbsverzeichnis auftaucht, hängt nach Einschätzung von Christoph von Hutten damit zusammen, dass dem Notar damals ein Fehler unterlaufen sein muss. Er geht davon aus, dass dies damit zusammenhängen könnte, dass die Gemarkungsgrenze zwischen Steinbach und Sendelbach exakt dort verläuft, wo das umstrittene Straßenstück hinunter zur Buchenmühle beginnt.
Für Stadt Lohr ist „alles geklärt“. . .
Ganz anders als Christoph von Hutten sieht man die Sache bei der Stadt Lohr. „Für uns ist das alles geklärt“, sagt Pressesprecher Dieter Daus auf Nachfrage der Main-Post. Seinen Worten nach hat es Gespräche zwischen der Stadt und der „Energie“ gegeben, die Trassenführung sei geklärt. Für das letzte Stück im Bereich der Buchenmühle habe die „Energie“ signalisiert, sie komme dort mit einer Freileitung klar. Laut Daus befindet sich dieses Trassenstück in Privateigentum; es gehe um rund 60 Meter.
. . . für die „Energie“ noch nicht
Und was sagt die „Energie“ dazu? Wie Stefan Kram, der technische Leiter des Unternehmens auf Nachfrage der Main-Post erläutert, handelt es sich bei dem Mittelspannungsleitungsprojekt um eine „Stromautobahn“ zur fränkischen Platte. Zum sicheren und stabilen Betrieb dieser wichtigen Verbindungsstrecke wäre laut Kram – speziell im Wald, wo schnell einmal ein Baum auf die Leitung fallen könne – ein Erdkabel wesentlich besser geeignet, als eine Freileitung.
Ihm gefalle die Freileitungslösung in dem kritischen Waldbereich „natürlich nicht“, sagt der technische Leiter, aber die „Energie habe handeln müssen, weil sie gegenüber dem Bayernwerk verpflichtet sei, die Mittelspannungsleitung bis Mitte 2015 zu errichten.
Laut Kram hat Christoph von Hutten der „Energie“ zwar die Erlaubnis zur Verlegung der Freileitung auf seinem Grund gegeben, allerdings bestehe keine Dienstbarkeit (eingetragenes Nutzungsrecht). Mit diesem „Restrisiko“, dass der Grundstückseigentümer seine Erlaubnis zur Nutzung seines Bodens für den Betrieb einer Freileitung eines Tages zurückziehen könnte, müsse die „Energie“ nun erst einmal leben.
Allerdings habe er die Hoffnung, so Kram, „dass wieder Gespräche aufgenommen werden, um die Sache final zu klären“, sprich: das Kabel auch im Bereich vor der Buchenmühle in den Boden zu bekommen. . .