Die Putzfrau hatte das Gebäude im Partensteiner Gewerbegebiet zehn Minuten zuvor verlassen. Nur Geschäftsführer André Weber war noch im Produktionsraum an einer Maschine zugange. „Die war so laut, dass ich zunächst nichts bemerkte“, erinnert er sich an den frühen Abend des 7. November 2017. Als er das Feuer im angrenzenden Lagerraum bemerkte, loderten die Flammen bereits hoch. Vor allem aber gab es immer wieder explosionsartige Verpuffungen und somit extreme Druckwellen, denen Türen, Fenster und zuletzt gar die Wand nicht mehr standhielten.
Als André Weber sah, dass er nichts mehr ausrichten konnte und seine Gesundheit auf dem Spiel stand, brachte er sich durch eine hintere Tür in Sicherheit. „Der Ruß und die Qualmwolken waren so dicht, dass man kaum mehr die Fenster erkennen konnte“, erzählt er. Hätte er in dieser Atmosphäre ein paar Mal ein- und ausgeatmet – es wäre um ihn geschehen gewesen.
Sanierung zu 85 Prozent fertig
Neun Monate später sitzt der Firmenchef keine paar Meter vom Brandherd entfernt in einem neu eingerichteten Besprechungsraum. Hier sieht es nicht nur neu aus, es riecht auch so – genauso wie im restlichen Gebäude. „Im Moment sind wir zu 85 Prozent fertig mit den Wiederherstellungsarbeiten“, erklärt Weber. Nur die Lagerung sei noch ein Provisorium.
Eine Dreiviertel Million Schaden hatte das Feuer im November hinterlassen. Als Ursache stellte sich ein technischer Defekt heraus. Die Problematik: Die Hauselektrik befand sich im Raum. Durch die hohen Temperaturen und die technische Ausstattung entwickelten sich giftige Dämpfe und ein hohes Maß an Ruß. Beides breitete sich schnell aus und setzte sich überall fest. Die Folge: Das Gebäude musste bis auf die Grundmauern entkernt werden. „Von November bis Ende Februar waren sechs Leute von der Sanierungsfirma dauerhaft damit beschäftigt, alles zurückzubauen“, erzählt André Weber. Alle Flächen wurden intensiv gereinigt und mit Sand gestrahlt. Alle vier Wochen kamen Chemiker und prüften, ob die Räume wieder zumutbar waren.
Komplett-Ausfall nur an einem einzigen Tag
Aber nicht nur das Gebäude, auch dessen Innenleben war hinüber. Der giftige Ruß, der sich zunächst an der Decke gesammelt hatte, war heruntergerieselt und hatte sich in Computerlüftungen und Maschinen gefressen. Ein Horrorszenario, dem André Weber mit Aktivismus begegnete: „Meine einzige Chance war, den Betrieb so schnell wie möglich wieder zum Laufen zu bringen“, erzählt er.
So schaffte er es, nur einen einzigen Tag „Komplett-Ausfall“ zu verbuchen. Seine Arbeiter schickte er, soweit es ging, auf Montage. Die Produktion zog in die Halle um, in der sonst Fahrzeuge beschriftet werden. Verwaltung und grafische Abteilung teilten sich die Räume der Textilverarbeitung. „Außerdem haben uns in der Produktion Kollegen aus der Region ausgeholfen, mit denen wir zusammenarbeiten“, so Weber. Auch von Seiten der Kunden wurde Hilfsbereitschaft signalisiert. „Die Bäckerei um die Ecke hat uns Kaffee angeboten, der Metzger eine Wohnung zur Verfügung gestellt“, erinnert sich Weber.
Familie von heute auf morgen auf der Straße
Auch seine Familie stand von heute auf morgen auf der Straße, denn die private Wohnung befindet sich über dem Betrieb. „Ich hatte nur noch die Kleider, die ich an dem Tag anhatte“, erzählt Weber. Nach einer kurzen Überbrückungszeit landete die Familie in einer Ferienwohnung in Frammersbach, denn selbst die Möbel konnten sie nicht mitnehmen. Der giftige Geruch hatte sich so in das Inventar gefressen, dass es selbst durch die Behandlung mit Ozon, das angewendet wird, um den Geruch von Feuer, Rauch und Chemikalien zu vernichten, nicht zu entfernen war. „Wir haben auf eigene Kosten alles rausgerissen, Wände, Decken, Böden“, berichtet der Firmenchef.
Diese Zeit beschreibt André Weber als besonders zehrend und anstrengend. Überall musste koordiniert, organisiert und improvisiert werden. Dazu kam die Auseinandersetzung mit den Versicherungen. „Die Maschinenversicherungen reagierten sehr gut, aber mit der Gebäudeversicherung gibt es Schwierigkeiten“, erzählt André Weber. Hier ist bis heute noch nicht klar, wie viel diese übernimmt. Wie ein Unternehmen überhaupt so eine Brandkatastrophe überleben kann? Die Auftragslage muss stimmen und die Branche auch. Ein Gastronom beispielsweise, dessen Gastwirtschaft monatelang außer Gefecht gewesen wäre, hätte so einen Tiefschlag nicht verkraftet.
Chance: Gebäudeinneres neu planen
Neben allen Kraftanstrengungen, die der Brand forderte, bot er einen positiven Nebeneffekt für das Unternehmen Weber: Durch die totale Entkernung des 25 Jahre alten Gebäudes bot sich die Chance, dieses von Grund auf neu zu planen. „Wir haben neu überlegt: Was sind unsere Wege? Was wollen wir ändern?“, erzählt André Weber. Heraus kam eine neue Aufteilung der Räume und der Gedanke, in diesen möglichst viel vom Produktionsspektrum des Betriebs zu präsentieren.
So soll es im Besprechungsraum demnächst ein Skyline-Fenster geben, das einem das Gefühl vermittelt, den Blick in Frankfurt über die Hochhäuser schweifen zu lassen. Den Eingangsbereich zieren bereits hinterleuchtete bunte Wandbilder. Die Mitarbeiter hingegen haben durch die Einteilung neuer Räume mehr Privatsphäre bekommen. Aber auch in puncto Sicherheitstechnik hat André Weber eine Neuerung eingeführt: Getrennte Stromkreise. „Ich kann jeden Arbeitsbereich abends mit einem Schalter einzeln ausschalten“, erläutert André Weber. Damit sich ein „November 2017“ nie wiederholt.