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Frammersbach
"Die Botschaft Jesu bleibt revolutionär"
Für Gemeindereferentin Petra Bigge und Pfarrer Bernhard Albert gehen neue Türen auf: Bigge wechselt ganz zur Klinikseelsorge, Albert ist im Ruhestand.
Foto: Monika Büdel | Für Gemeindereferentin Petra Bigge und Pfarrer Bernhard Albert gehen neue Türen auf: Bigge wechselt ganz zur Klinikseelsorge, Albert ist im Ruhestand.
Monika Büdel
 |  aktualisiert: 19.02.2024 21:09 Uhr

Zwei feste Größen der Pfarreiengemeinschaft Effata verlassen diese: Pfarrer Bernhard Albert (65) und Gemeindereferentin Petra Bigge (55). Mit ihnen haben wir auf ihre Zeit in Frammersbach, Partenstein und Habichsthal und die Kirchenpolitik geblickt.

Albert ist seit 1. August offiziell im Ruhestand. 14 Jahre war er Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Effata. Petra Bigge, die als Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft seit 2011 arbeitet, wird sich ab 1. September in Lohr ganz der Klinikseelsorge widmen.

Verabschieden werden sie sich am 29./30. August: In Partenstein nach dem Gottesdienst am Samstag um 18 Uhr, in Frammersbach nach dem 10-Uhr-Gottesdienst an der Heubergschule und in Habichsthal am Sonntag nach der Messe um 18 Uhr.

Mit Bigge und Albert hat im Garten des Partensteiner Pfarrhauses vor wenigen Tagen Monika Büdel über deren Einstellungen und Erfahrungen in der Pfarreiengemeinschaft gesprochen.

Herr Pfarrer Albert, Sie sind seit 1990 Priester. Mit welchen Zielen sind sie in Ihren Beruf gestartet und haben Sie diese erreicht?

Pfarrer Albert: Mein Leitspruch "Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Priester" hat sich bewährt. Damit meine ich, mit den Leuten den Weg auf Augenhöhe zu gehen und nicht zu sagen, so hätte ich es gerne. Es kommt darauf an, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Da kommt nicht immer raus, was ich mir vorgestellt habe, aber wichtig ist, dass sich die Menschen mitgenommen und eingebunden fühlen. Das eröffnet Räume, etwas auszuprobieren.

Was hat Sie geprägt?

Albert: Ich bin biblisch geprägt. Das 2. Vatikanum habe ich live miterlebt, auch wenn ich anfangs noch zu jung war, das zu verstehen. Aber ich erinnere mich an die Titelseite des Sonntagsblatts mit den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. Da stand: Das Konzil – geht weiter. Es folgte die Bischofssynode in Deutschland von 1971 bis 1975 im Würzburger Dom. Damals ging es um einen Aufbruch, der in die Zeit gepasst hat. Geblieben ist davon das Installieren von Pfarrgemeinderäten als praktisch-seelsorgerisches Gremium im Gegensatz zur Kirchenverwaltung. Außerdem entstanden die Berufe Pastoral- und Gemeindereferent. Der Ansatz der Synode war, die Kluft zwischen Klerus und Laien zu überbrücken. Das ist leider nicht passiert. Während meines Theologiestudiums in den 1980er Jahren hat die Diözese nur sehr begrenzt Pastoralassistenten eingestellt. Ich habe damals schon gesagt: Die fehlen später in der Jugendarbeit. Dort braucht man Personal, das zur Generation passt. Das Ergebnis war, dass sich immer weniger Menschen für diesen Beruf entschieden haben.

Herr Pfarrer, Sie sind bekannt für Ihre Kritik an der Institution Kirche. Dies wurde in ihren Predigten auch deutlich. Sie haben unter anderem den Ausschluss der Frauen aus den Weiheämtern kritisiert und den Ihrer Meinung nach zu laxen Umgang mit Kirchenvertretern, die sexuelle Gewalt ausgeübt haben. Was hat Sie angetrieben?

Albert: Irgendjemand muss sagen, wo es hängt. In den Beschlüssen der Synode war das Diakonat der Frauen schon drin. Doch Rom verbot die Veröffentlichung.

Wie sind die Reaktionen auf Ihre Kritik?

Albert: Unterschiedlich. Eine Reihe von Menschen äußert: "Gut, dass mal einer sagt, was wir schon lange denken." Andere meinen: "So schlimm ist es doch gar nicht." Die meisten sagen nichts und sind froh, dass überhaupt noch ein Pfarrer als Ansprechpartner vor Ort ist.

Mit den neuen pastoralen Räumen, die ab 2021 verwirklicht werden sollen und die – bedingt durch den Priestermangel – noch größer sein werden als die Pfarreiengemeinschaften, wird sich das Problem noch verstärken.

Albert: Das wird in die Sackgasse führen. Ursache ist, dass das Amt an die Weihe gebunden bleibt. Dass das so ist, liegt daran, dass sich in der katholischen Kirche alles um die Eucharistie dreht. Die einzige Lösung, die die Kirchenleitung hat, ist, dass die Räume immer größer werden. Wenn Pfarrer diese Räume verantwortlich leiten müssen, bleibt kaum Zeit für die Seelsorge. Da helfen auch Verwalter nichts, die für zwei Räume zuständig sind und zu 60 Prozent ihre Aufgaben von der Diözese diktiert bekommen.

Frau Bigge, Sie haben in Brasilien und im Südsudan gearbeitet, in der Flüchtlingshilfe, in der Finanzverwaltung und in der kirchlichen Gemeindearbeit. Trotz Ihrer Erfahrungen und Qualifikationen bleiben ihnen Aufgaben und Ämter aus einem einzigen Grund verwehrt: Sie sind eine Frau. Wie sehen Sie die Rolle der Frauen in der Kirche?

Petra Bigge: Ich tue mir schon schwer damit. Für mich persönlich ist wichtig, dass ich bei Pfarrer Albert Freiräume hatte, um seelsorglich zu wirken. So konnte ich meine Berufung, mich den Menschen zuzuwenden, umsetzen.

Was waren Ihre Schwerpunkte in der Pfarreiengemeinschaft?

Bigge: Der Trauerkreis, Trauergespräche, Beerdigungen und Einzelseelsorge, aber auch Krankenkommunion und die Unterstützung von Flüchtlingen, etwa wenn es um die Klärung des Status ging, sowie die Firmvorbereitung. Ich bin auch gerne einmal im Monat in die Kindergärten gegangen. Die Kinder bekommen die Botschaft Jesu von zuhause meist nicht mehr mit. Diese erfahrbar zu machen, zum Beispiel in der Kinderkirche, ist mir wichtig. Außerdem bin ich in der Klinikseelsorge am Klinikum Main-Spessart tätig.

Ab 1. September werden Sie nun ganz in die Klinikseelsorge wechseln. Zu den 19,5 Stunden, die Sie am Klinikum Main-Spessart Seelsorge leisten, kommt eine halbe Stelle am Bezirkskrankenhaus Lohr. Warum verlassen Sie die Pfarreiengemeinschaft?

Bigge: Ich habe mich gefragt, wo finde ich eine Stelle, wo ich meine Berufung weiter leben kann. Die Zuwendung zu den Menschen ist mir wichtig. In den künftigen größeren pastoralen Räumen sehe ich da keine Möglichkeit. Es wird darin viel mehr um Verwaltungs- und Organisationsarbeit gehen. In der Klinikseelsorge kann ich mehr mit den Menschen arbeiten, in Krisen bei ihnen sein.

Albert: Ich bin froh, dass ich aus dem Räderwerk herauskomme. Das geht mittlerweile über meine Kapazität an Nerven und Kraft.

Was ist aus der Bewegung Maria 2.0 geworden, die mehr Rechte und Möglichkeiten für Frauen in er katholischen Kirche fordert?

Bigge: Durch Corona ist es leiser geworden.

Albert: Aber die Bewegung lebt weiter.

Bigge: Die Botschaft Jesu bleibt revolutionär.

Albert: Es bleibt nichts anderes als auf Jesus zu schauen. Die Menschen atmen auf, wenn wir mit ihnen auf ihn schauen.

Sie beide waren in drei Ortschaften tätig: Frammersbach, Partenstein und Habichsthal. Gibt es da Unterschiede?

Albert: Oh ja. Die Habichsthaler sind sehr ortsbewusst und genügen sich selbst. Sie haben ihr Beziehungssystem im Ort. Dass sie bis vor einem Jahr keinen Mobilfunk hatten, merkt man an den Kindern: Sie spielen und reden miteinander.

Bigge: Größere Kinder schauen nach den Kleineren. Im Schulbus ist ein anderes Sozialverhalten. Sie kommen als Gruppe an, wenn sie aus dem Bus steigen. Die Frammersbacher Kinder müssen sich im Kindergarten erst von den Eltern abnabeln. Da werden viele Kinder von den Eltern gebracht.

Albert: Die Frammersbacher sind sehr in der Tradition verwurzelt. Es stimmt auch der Spruch, du kannst hinfahren, wo du willst, du triffst einen Frammersbacher. Sie haben einen anderen Horizont aus der Tradition der Fuhrleute heraus. Die Partensteiner sind geprägt von der Ökumene. Keiner hat die Mehrheit. Dadurch gibt es viel Miteinander. Sie sind offen für Neues und fallen nicht so leicht ins Alte zurück.

Sie haben ja Einiges geändert im Gottesdienstablauf. Nennen Sie ein paar Beispiele.

Albert: Ich habe das Vaterunser nach vorne als Abschluss der Fürbitten verlegt. Das Vaterunser ist ein Lebensgebet und kein Tischgebet. Statt "Herr ich bin nicht würdig" beten wir "Herr du schenkst mir alle Würde als Mensch. Im Brot des Lebens bist du mir Kraft und Heil für meine Seele. Komm in mein Herz." Das Hochstilisieren der Eucharistie und die Menschen als arme Sünderlein: Diese Gedanken sind Jesus fremd.

Was wünschen Sie sich von der Kirche?

Bigge: Dass Frauen wie Männer ihrer Berufung folgen können.

Albert: Dasselbe. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das so kommen wird. Sicher bin ich mir, dass ein großer Zusammenbruch kommen wird. Unter diesen Verkrustungen will keiner mehr mitmachen. Aus der Jugendsynode hat das Amt nichts gelernt. Aus der Amazonassynode auch nicht.

Bigge: Da ging es darum, ob Laien Gemeindeleitung übernehmen können.

Albert: Was kam heraus? Auf die Vorschläge wurde nicht mal eingegangen. Es war alles für die Katz. Beim synodalen Weg heißt es: Es kann über alles abgestimmt werden. Es sind ja genug Bremsen drin – spätestens, wenn das Ganze nach Rom geht.

Bigge: Dahinter steht eine gewaltige Machtfrage. Es geht um den Alleinvertretungsanspruch.

Albert: Wenn in großen Räumen Seelsorge unpersönlicher wird, bleiben die Leute daheim.

Bigge: Dann braucht es wieder mehr kleine Zellen, so wie es sie vereinzelt schon gibt. Es geht um Gruppierungen, wo Glaube in Freiheit wachsen kann. Da sind Frauen schon aktiv.

Was bleibt von Ihrer Zeit in Frammersbach?

Albert: Viele Begegnungen, Zusammenarbeit, gute Erfahrungen und auch Unterstützung.

Bigge: Ich habe Menschen erlebt, die Freude hatten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ich konnte trotz der kirchenpolitischen Situation Weite und Freiheit leben.

Albert: Es war schon eine gute Zeit. Es war mir immer wichtig, die Menschen spüren zu lassen, dass ein anderer Geist von Freiheit da ist. Nicht wenige haben das gemerkt und sich darauf eingelassen. Was davon bleibt, muss sich zeigen. So ist es einerseits schade, andererseits aber notwendig, dass ich in Pension gehe - nicht als Eremit, denn ich helfe durchaus noch aus, jedoch selbstbestimmt.

Welche Tipps geben Sie Ihren Nachfolgern?

Bigge: Die Frage ist, wann meine Stelle neu besetzt wird. Es sind in der Diözese 50 bis 60 Stellen ausgeschrieben.

Albert: Wichtig ist, dass man mit den Leuten redet, auf sie eingeht und sie sich ernst genommen fühlen. Dann sind sie bereit, Einiges mitzumachen. Wenn nicht, meinen sie es nicht böse, sondern vertreten ihre Meinung. Von meinem Nachfolger wünsche ich mir, dass er eine große Offenheit mitbringt für das, was gewachsen ist.

Bigge: Entscheidend ist, das Ohr bei den Menschen zu haben und sich von keiner Gruppierung vereinnahmen zu lassen. Bei der Botschaft Jesu bleiben und Weite behalten.

Bernhard Albert

Bernhard Albert wurde 1954 in Würzburg geboren. Nach dem Abitur studierte er Biologie und Chemie und war als Gymnasiallehrer tätig. Ab 1983 studierte er Theologie. Bischof Paul-Werner Scheele weihte ihn 1990 in Würzburg zum Priester. Danach wirkte Albert zunächst als Kaplan in Dettingen und Niedersteinbach mit Hemsbach, dann in Schweinfurt-Heilig Geist und ab 1992 in Amorbach. 1993 wurde er Pfarrer von Neunkirchen und Riedern. Von 1996 bis 2003 war er zudem Familienseelsorger im Dekanat Miltenberg. 2006 wurde er Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft "Effata" mit den Pfarreien Frammersbach, Partenstein und Habichsthal.
memb/pow

Petra Bigge

Petra Bigge wurde 1965 in Wickede in Nordrhein-Westfalen geboren. Als Beamtin arbeitete sie von 1984 bis 1987 in der Finanzverwaltung. In dieser Zeit sammelte sie als "Missionarin auf Zeit" Erfahrungen in Brasilien. Von 1987 bis 2011 war Bigge Steyler Missionarin. Sie ließ sich zur Gemeindereferentin ausbilden und wirkte fünf Jahre als Seelsorgerin und Gesundheitsarbeiterin in Brasilien. Sie war Diözesanreferentin bei Missio in Magdeburg und arbeitete drei Jahre mit dem Jesuitenflüchtlingsdienst im Südsudan. Als Missionssekretärin war sie ein Jahr in Rom. Seit 2011 ist Bigge Gemeindereferentin für Frammersbach/Partenstein. 2018 kam die Klinikseelsorge dazu.
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