Zwei feste Größen der Pfarreiengemeinschaft Effata verlassen diese: Pfarrer Bernhard Albert (65) und Gemeindereferentin Petra Bigge (55). Mit ihnen haben wir auf ihre Zeit in Frammersbach, Partenstein und Habichsthal und die Kirchenpolitik geblickt.
Albert ist seit 1. August offiziell im Ruhestand. 14 Jahre war er Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Effata. Petra Bigge, die als Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft seit 2011 arbeitet, wird sich ab 1. September in Lohr ganz der Klinikseelsorge widmen.
Verabschieden werden sie sich am 29./30. August: In Partenstein nach dem Gottesdienst am Samstag um 18 Uhr, in Frammersbach nach dem 10-Uhr-Gottesdienst an der Heubergschule und in Habichsthal am Sonntag nach der Messe um 18 Uhr.
Mit Bigge und Albert hat im Garten des Partensteiner Pfarrhauses vor wenigen Tagen Monika Büdel über deren Einstellungen und Erfahrungen in der Pfarreiengemeinschaft gesprochen.
Pfarrer Albert: Mein Leitspruch "Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Priester" hat sich bewährt. Damit meine ich, mit den Leuten den Weg auf Augenhöhe zu gehen und nicht zu sagen, so hätte ich es gerne. Es kommt darauf an, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Da kommt nicht immer raus, was ich mir vorgestellt habe, aber wichtig ist, dass sich die Menschen mitgenommen und eingebunden fühlen. Das eröffnet Räume, etwas auszuprobieren.
Albert: Ich bin biblisch geprägt. Das 2. Vatikanum habe ich live miterlebt, auch wenn ich anfangs noch zu jung war, das zu verstehen. Aber ich erinnere mich an die Titelseite des Sonntagsblatts mit den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. Da stand: Das Konzil – geht weiter. Es folgte die Bischofssynode in Deutschland von 1971 bis 1975 im Würzburger Dom. Damals ging es um einen Aufbruch, der in die Zeit gepasst hat. Geblieben ist davon das Installieren von Pfarrgemeinderäten als praktisch-seelsorgerisches Gremium im Gegensatz zur Kirchenverwaltung. Außerdem entstanden die Berufe Pastoral- und Gemeindereferent. Der Ansatz der Synode war, die Kluft zwischen Klerus und Laien zu überbrücken. Das ist leider nicht passiert. Während meines Theologiestudiums in den 1980er Jahren hat die Diözese nur sehr begrenzt Pastoralassistenten eingestellt. Ich habe damals schon gesagt: Die fehlen später in der Jugendarbeit. Dort braucht man Personal, das zur Generation passt. Das Ergebnis war, dass sich immer weniger Menschen für diesen Beruf entschieden haben.
Albert: Irgendjemand muss sagen, wo es hängt. In den Beschlüssen der Synode war das Diakonat der Frauen schon drin. Doch Rom verbot die Veröffentlichung.
Albert: Unterschiedlich. Eine Reihe von Menschen äußert: "Gut, dass mal einer sagt, was wir schon lange denken." Andere meinen: "So schlimm ist es doch gar nicht." Die meisten sagen nichts und sind froh, dass überhaupt noch ein Pfarrer als Ansprechpartner vor Ort ist.
Albert: Das wird in die Sackgasse führen. Ursache ist, dass das Amt an die Weihe gebunden bleibt. Dass das so ist, liegt daran, dass sich in der katholischen Kirche alles um die Eucharistie dreht. Die einzige Lösung, die die Kirchenleitung hat, ist, dass die Räume immer größer werden. Wenn Pfarrer diese Räume verantwortlich leiten müssen, bleibt kaum Zeit für die Seelsorge. Da helfen auch Verwalter nichts, die für zwei Räume zuständig sind und zu 60 Prozent ihre Aufgaben von der Diözese diktiert bekommen.
Petra Bigge: Ich tue mir schon schwer damit. Für mich persönlich ist wichtig, dass ich bei Pfarrer Albert Freiräume hatte, um seelsorglich zu wirken. So konnte ich meine Berufung, mich den Menschen zuzuwenden, umsetzen.
Bigge: Der Trauerkreis, Trauergespräche, Beerdigungen und Einzelseelsorge, aber auch Krankenkommunion und die Unterstützung von Flüchtlingen, etwa wenn es um die Klärung des Status ging, sowie die Firmvorbereitung. Ich bin auch gerne einmal im Monat in die Kindergärten gegangen. Die Kinder bekommen die Botschaft Jesu von zuhause meist nicht mehr mit. Diese erfahrbar zu machen, zum Beispiel in der Kinderkirche, ist mir wichtig. Außerdem bin ich in der Klinikseelsorge am Klinikum Main-Spessart tätig.
Bigge: Ich habe mich gefragt, wo finde ich eine Stelle, wo ich meine Berufung weiter leben kann. Die Zuwendung zu den Menschen ist mir wichtig. In den künftigen größeren pastoralen Räumen sehe ich da keine Möglichkeit. Es wird darin viel mehr um Verwaltungs- und Organisationsarbeit gehen. In der Klinikseelsorge kann ich mehr mit den Menschen arbeiten, in Krisen bei ihnen sein.
Albert: Ich bin froh, dass ich aus dem Räderwerk herauskomme. Das geht mittlerweile über meine Kapazität an Nerven und Kraft.
Bigge: Durch Corona ist es leiser geworden.
Albert: Aber die Bewegung lebt weiter.
Bigge: Die Botschaft Jesu bleibt revolutionär.
Albert: Es bleibt nichts anderes als auf Jesus zu schauen. Die Menschen atmen auf, wenn wir mit ihnen auf ihn schauen.
Albert: Oh ja. Die Habichsthaler sind sehr ortsbewusst und genügen sich selbst. Sie haben ihr Beziehungssystem im Ort. Dass sie bis vor einem Jahr keinen Mobilfunk hatten, merkt man an den Kindern: Sie spielen und reden miteinander.
Bigge: Größere Kinder schauen nach den Kleineren. Im Schulbus ist ein anderes Sozialverhalten. Sie kommen als Gruppe an, wenn sie aus dem Bus steigen. Die Frammersbacher Kinder müssen sich im Kindergarten erst von den Eltern abnabeln. Da werden viele Kinder von den Eltern gebracht.
Albert: Die Frammersbacher sind sehr in der Tradition verwurzelt. Es stimmt auch der Spruch, du kannst hinfahren, wo du willst, du triffst einen Frammersbacher. Sie haben einen anderen Horizont aus der Tradition der Fuhrleute heraus. Die Partensteiner sind geprägt von der Ökumene. Keiner hat die Mehrheit. Dadurch gibt es viel Miteinander. Sie sind offen für Neues und fallen nicht so leicht ins Alte zurück.
Albert: Ich habe das Vaterunser nach vorne als Abschluss der Fürbitten verlegt. Das Vaterunser ist ein Lebensgebet und kein Tischgebet. Statt "Herr ich bin nicht würdig" beten wir "Herr du schenkst mir alle Würde als Mensch. Im Brot des Lebens bist du mir Kraft und Heil für meine Seele. Komm in mein Herz." Das Hochstilisieren der Eucharistie und die Menschen als arme Sünderlein: Diese Gedanken sind Jesus fremd.
Bigge: Dass Frauen wie Männer ihrer Berufung folgen können.
Albert: Dasselbe. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das so kommen wird. Sicher bin ich mir, dass ein großer Zusammenbruch kommen wird. Unter diesen Verkrustungen will keiner mehr mitmachen. Aus der Jugendsynode hat das Amt nichts gelernt. Aus der Amazonassynode auch nicht.
Bigge: Da ging es darum, ob Laien Gemeindeleitung übernehmen können.
Albert: Was kam heraus? Auf die Vorschläge wurde nicht mal eingegangen. Es war alles für die Katz. Beim synodalen Weg heißt es: Es kann über alles abgestimmt werden. Es sind ja genug Bremsen drin – spätestens, wenn das Ganze nach Rom geht.
Bigge: Dahinter steht eine gewaltige Machtfrage. Es geht um den Alleinvertretungsanspruch.
Albert: Wenn in großen Räumen Seelsorge unpersönlicher wird, bleiben die Leute daheim.
Bigge: Dann braucht es wieder mehr kleine Zellen, so wie es sie vereinzelt schon gibt. Es geht um Gruppierungen, wo Glaube in Freiheit wachsen kann. Da sind Frauen schon aktiv.
Albert: Viele Begegnungen, Zusammenarbeit, gute Erfahrungen und auch Unterstützung.
Bigge: Ich habe Menschen erlebt, die Freude hatten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ich konnte trotz der kirchenpolitischen Situation Weite und Freiheit leben.
Albert: Es war schon eine gute Zeit. Es war mir immer wichtig, die Menschen spüren zu lassen, dass ein anderer Geist von Freiheit da ist. Nicht wenige haben das gemerkt und sich darauf eingelassen. Was davon bleibt, muss sich zeigen. So ist es einerseits schade, andererseits aber notwendig, dass ich in Pension gehe - nicht als Eremit, denn ich helfe durchaus noch aus, jedoch selbstbestimmt.
Bigge: Die Frage ist, wann meine Stelle neu besetzt wird. Es sind in der Diözese 50 bis 60 Stellen ausgeschrieben.
Albert: Wichtig ist, dass man mit den Leuten redet, auf sie eingeht und sie sich ernst genommen fühlen. Dann sind sie bereit, Einiges mitzumachen. Wenn nicht, meinen sie es nicht böse, sondern vertreten ihre Meinung. Von meinem Nachfolger wünsche ich mir, dass er eine große Offenheit mitbringt für das, was gewachsen ist.
Bigge: Entscheidend ist, das Ohr bei den Menschen zu haben und sich von keiner Gruppierung vereinnahmen zu lassen. Bei der Botschaft Jesu bleiben und Weite behalten.