Er war Zeitungsverleger, handelte mit Trauerartikeln, war Fotograf und brachte Ansichtskarten heraus: Um das Jahr 1875 hatte der aus Aschaffenburg stammende gelernte Drucker und ehemalige Berufsoffizier Jean Dietz in Karlstadt ein Anwesen (heute Hauptstraße 50) gekauft und dort eine Druckerei eingerichtet. Von ihm stammt auch die älteste erhaltene Ansichtskarte der Stadt. Sie wurde vor 125 Jahren, am 10. Oktober 1895, verschickt.
Dietz gab ab dem Jahr 1882 das „Karlstadter Wochenblatt“, später die „Karlstadter Zeitung“ heraus. Die bisherige Wirkungsstätte in der Hauptstraße wurde jedoch zu klein; Dietz erwarb Nebengebäude in der Färbergasse dazu. Zur Hauptstraße hin errichtete er 1890 einen Neubau, ein stattliches Wohn- und Geschäftshaus. In der Färbergasse erstellte er eine neue Druckerei, die mit den neuesten Druckmaschinen ausgestattet wurde.
Zu seinen Geschäftszweigen gehörte mittlerweile ein Zeitungsverlag, eine Buchdruckerei mit Buchbinderei, ein Buchhandel, ein Fotoatelier, eine Lotterieannahmestelle, ein Handel mit Trauerartikel, eine Musikalienhandlung sowie eine Agentur für Versicherungen und Auswanderer. Jean Dietz war in Karlstadt auch der erste Autobesitzer und Agent für die wenigen Automobilisten und deren Bedürfnisse. Benzin gab es bei Sanitätsrat Forster in der Mohrenapotheke.
Marktführer für Ansichtskarten aus der Region
Nicht zu vergessen sein Verlag für Ansichtskarten, der auf eigenen Photographien basierte, die damals noch verschiedene Fremdfirmen nach seinen Vorgaben für ihn druckten. Ab dem Jahr 1895 stieg Jean Dietz jedoch selbst in das zukunftsträchtige und lukrative Geschäft des illustrierten Drucks der Ansichtskarten ein. Als Allrounder tätig, konnte alles in seinem Betrieb, von der Photographie, Druckvorlage, Druck, Vertrieb bis zum Verkauf selbst erledigt werden. So nahm er eine marktführende Stellung bei der Produktion von Ansichtskarten für Karlstadt und Umgebung ein.
Zu jener Zeit steckte die Fotografie noch in den Kinderschuhen und es gab kaum Mittel diese Bilddokumente zu kommunizieren. Ansichtspostkarten wurden 1885 offiziell in Deutschland zugelassen. Doch erst die Chromolithografie, die bunte statt nur schwarz-weiß bedruckte Karten ermöglichte, brachte den Durchbruch.
Ziel der Postkarte war „Mitteilungen kurzer Art“ mit einem reduzierten Porto gegenüber dem förmlichen Brief oder Telegramm zu versenden. Die Postkarte war das schnellste und zuverlässigste Kommunikationsmedium und weiter verbreitet als eine Zeitung. Entgegen dem Brief war der Absender „gezwungen”, kurze Mitteilungen zu machen, oder er konnte das Bild oder den Spruch auf der Karte für sich sprechen lassen. Kein Wunder also, dass die Ansichtspostkarten schon kurz nach ihrer Einführung einen enormen Aufschwung nahmen.
Die Maingasse zeigt sich hier schon fast so wie heute
Die Karte mit dem Maintor ist mit 125 Jahren die nachweislich älteste Ansichtskarte des Karlstadter Sammlers Claus Dürr. Dies dürfte auch eine der ersten Ansichtskarten sein, die von der Karlstadter Druckerei Jean Dietz 1895 hergestellt und vertrieben wurde. Der „Gruß aus Karlstadt a. M.“ zeigt das Motiv „Mainthor mit Ruine Karlsburg“. Die Maingasse ist hier in ihrer schon neuzeitlichen Form. Gepflastert, mit beidseitig offenen Abflussrinnen und beidseitig angelegen Gehsteigen. Unterbrochen nur durch hochgelegte Treppeneingänge, die vor den häufigen Mainüberschwemmungen schützen sollten.
Jean Dietz hat beim Druck dieser Karte im Querformat schon sehr aufwendig gearbeitet. Zu dieser Zeit unterschied man die Karten noch nach den postalischen Vorschriften in Rückseite und Vorderseite. Da alle Nachrichten und Mitteilungen nur auf die Rückseite genannte Bildseite geschrieben werden durften, fiel natürlich die Abbildung der Maingasse entsprechend klein aus. Alle erläuternden Texte auf der Bildseite wurden augenfällig werbewirksam in der Farbe Rot gedruckt.
Vorderseite war der Adresse und der Briefmarke vorbehalten
Auf der Vorderseite durften nur ganzseitig die Adressierung sowie die Briefmarke und der Poststempel aufgebracht werden. Dieses Feld hat Dietz mit einem schönen Rahmen in der Farbe Grün, ebenso wie die aufgedruckte Kartenart „Correspondenz-Karte“ versehen. Wobei er das bayerische Wappen als Kontrast in der Farbe Blau druckte. Hier ist anzumerken, dass bereits 1872 das Deutsche Reich die „Correspondenzkarte“ in „Postkarte“ umbenannt hatte.
Bemerkenswert ist, dass diese Karte am 10.10.1895, einem Donnerstag in Karlstadt aufgegeben wurde und noch am selben Tag in Bamberg beim Empfänger ,dem „Goldarbeiter“ Pierron ankam. Die Firma Pierron in Bamberg bestand von 1848 bis etwa 1992. Pierron war einer der renommiertesten Juweliere in Franken wenn nicht sogar Bayerns. Die Botschaft an ihn lautete: "Bin z. Zt. auf der Tour hier u. bitte Sie die fertigen Sachen bestimmt am Samstag Abend in meine Wohnung Klosterstr. 14/I zu senden Gut verpackt nebst Rechnung 10.10.95 Gruß Neuhütl."