Hoärschel“, „Undernächte nocht“ und „Kuhore“. Die Dialektformen im Raum Marktheidenfeld sind vielseitig. Dabei unterscheidet sich die Aussprache oft von Dorf zu Dorf. Den Satz „Unser Hund wiegt 100 Pfund“ sprechen die Oberndorfer: „Mir häube en Huud, der wicht hunderdfufzich Pfuud.“ Bischbrunn, das nur etwa zwei Kilometer entfernt ist, sagt: „Mör heube en Hood der wäeucht honerfuchzich Pfood.“ In Altfeld ist das Huhn ein „Hührle“, in Trennfeld ein „Höhle“ und die Kreuzwertheimer sagen „Hüngele“.
Acht Personen aus dem Altlandkreis erzählen von ihren Erfahrungen mit dem Dialekt und was die Mundart für sie bedeutet.
Peter Merkert ist ein „waschechter Kreuzer“. Der Kreuzwertheimer findet es schön, wenn der Dialekt nicht untergeht. „In Kreuz rede ich nur Dialekt, die Leute verstehen den.“ Aber mit seinem Sohn hat der gelernte Zimmermeister nur Hochdeutsch gesprochen, damit er es in der Deutschstunde in der Schule leichter hat. Dafür spricht die Frau des 66-Jährigen, die aus Lengfurt stammt, die Kreuzwertheimer Mundart perfekt. Sie ist bereits in jungen Jahren in sein Heimatdorf gezogen. Besonders lustig findet der Rentner den Dialekt aus dem Ortsteil Röttbach: „Die Rüttwa reden halber rückwärts.“
Heiko Winkler, Restaurantleiter und stellvertretender Autohofmanager in Bettingen, möchte für seine Mitbürger in Oberndorf am liebsten einen Dialektkurs anbieten, damit dieser wieder mehr gesprochen wird. Bei seinem Sohn hat er schon aufgegeben: „Oberndorferisch, wie Undernächte nocht für vorgestern, ist ihm nicht beizubringen.“ Der Sohn spreche zwar Englisch, Latein und Spanisch, aber die dorfeigene Mundart will er nicht erlernen. Der 43-Jährige hatte eine Arbeitskollegin aus Bischbrunn, die seine Aussprache verstanden hat. „Ist schon schön, wenn wir uns unterhalten und keiner versteht was“, scherzt er.
Stefanie Engelhardt, Lehrerin für Pflegeberufe, ist gebürtige Trennfelderin. Sie spricht im Beruf Hochdeutsch. Ein Dozent aus der Oberpfalz hatte sich nämlich bei einem Referat, das sie hielt, kaputt gelacht, erzählt die 57-Jährige. Ihre Aussprache klinge humorvoll und weich. „Unser Heimatdialekt ist der beste“, schwärmt Engelhardt. In ihrem Dorf heißt „ölles“ alles und als „Kuhore“ wird jemand Dummes bezeichnet.
Hartwig Martin, Winzer mit eigenem Weinverkauf, spricht in seinem Geschäft in Homburg „nicht mehr so viel Dialekt“. Er hat sich daran gewöhnt, seine Aussprache anzupassen. Dennoch findet er: „Jeder muss zu seinem Dialekt stehen.“ Die Jugend kenne den fast gar nicht mehr. In Homburg bedeutet „Trappestech“ Treppensteige und beim Weinberg spricht das Winzerdorf wie andernorts auch vom „Wengert“. Für den 66-Jährigen ist besonders die Esselbacher Aussprache interessant; allerdings verstehe er da nicht mehr viel. Sächsisch mag er dagegen gar nicht.
Egon Hasenfuß ist Elektroinstallateur aus Billingshausen. „Ich spreche den Dialekt nur wenn Billingshäuser dabei sind.“ Seine Frau ist aus Uettingen, deswegen redeten sie beide Zuhause einen „zivilisierten Dialekt“. Zur 750-Jahr-Feier seines Dorfes hatte er in seinem Garten das Café „Diealääggd“ aufgebaut. Dort waren alle Karten und Wegweiser in Billingshäuser Mundart beschriftet, erzählt der 61-Jährige stolz. Typisch für sein Dorf sei das Wort „löawläd“, welches lauwarm bedeutet. Seine Aussprache bezeichnet er als „fast schon gesungen“. Auch andere Wörter wie „Höärschel“ für Kopf und „Maläsdä“ für Problem sind ihm geläufig.
Otto Dümig, Landwirt und Bürgermeister von Roden, „übertreibt es nicht mit Hochdeutsch“. „Man sollte sich dazu bekennen, woher man ist.“ Er mag es nicht, sich zu verstellen. „Man soll schon merken, dass ich ein Franke bin.“ Der 63-jährige Rodener stellt sogar Unterschiede zwischen den beiden Ortsteilen derselben Gemeinde fest: In Ansbach gibt es das Wort „Undernächte“ für vorgestern, in Roden nicht. Aber beide Dörfer verwenden „öppes“ für etwas.
Edwin Brod aus Marktheidenfeld „spricht manchmal absichtlich Dialekt, wenn Fremde kommen“. Dann können sie ihn nicht verstehen. Bei seiner Arbeit als Angestellter in der BayWa musste er aber Hochdeutsch sprechen. Seine fünf Enkel verstehen ihn auch nicht, wenn er Dialekt spricht. Dies prüft er mit regelmäßigen „Dialektproben“. Als „Bänkelsänger“ dichtete er Lieder in typischer „Hädefelder“ Mundart. Das „Lorbser R“ sei für seine Aussprache besonders wichtig. Dabei mag der 83-Jährige seinen Dialekt eigentlich gar nicht besonders, „aber da bin ich reingewachsen“.
Rita Leimeister ist in Oberndorf geboren und wohnt seit 50 Jahren in Esselbach. Die ehemalige Warema-Angestellte findet den Dialekt der beiden inzwischen direkt aneinandergrenzenden Dörfer ähnlich. Die 70-Jährige erklärt: In Oberndorf bedeutet „ich habe“ „ich hö“, in Bischbrunn „i ho“ und in Esselbach „ich höu“. Sie findet es schön, wenn man an der Sprache erkennt, woher jemand kommt. Bei Auswärtigen redet sie Hochdeutsch, damit die sie auch wirklich verstehen. Mit ihren sieben Enkeln bemüht sich die Rentnerin aber, Dialekt zu sprechen, um die Tradition weiterzugeben und lebendig zu halten.
Dialektgrenze Spessart
In Unterfranken wird mehrheitlich Unterostfränkisch gesprochen. Es gibt Gemeinsamkeiten mit dem Thüringischen wie „Kaas“ für Käse und Übereinstimmungen mit dem Rheinfränkischen wie „Eisl“ für Esel.
Der Landkreis Main-Spessart liegt in einem Übergangsgebiet, in dem sich die benachbarten Mundarten mischen und verschiedene Sprachräume aufeinander treffen. Dr. Monika Fritz-Scheuplein vom Unterfränkischen Dialektinstitut an der Universität Würzburg verweist auf die Germersheimer Linie oder auch Appel-Apfel-Linie. Ihr Verlauft zieht sich durch den Spessart und die Rhön. Sie trennt den rheinfränkisch-hessischen „Appel“ vom ostfränkischen „Apfel“.
Schollbrunn zum Beispiel gehört einerseits zum ostfränkischen Sprachraum. Dort wird zum Apfel „Opel“ gesagt und nicht rheinfränkisch-hessisch „Appel“. Andererseits verwenden die Schollbrunner Wörter, die sie mit ihren rheinfränkisch-hessisch sprechenden Nachbarn gemeinsam haben. Darunter fällt das Wort „Matte“ für den Quark.
Das Unterfränkische Dialektinstitut in Würzburg interessiert sich besonders für die „Spessartbarriere“: Das große Waldgebiet ist eine natürliche Grenze. Als Gebirge verhinderte der Hochspessart über lange Zeit Siedlungsbewegungen, Verkehr, Heirat und wirtschaftliche Kontakte. Somit wurde der Spessart zu einer Kulturschranke und damit zu einer Dialektgrenze. Text: fro
ONLINE-TIPP
Ein Video mit verschiedenen Mundarten aus dem Raum Marktheidenfeld finden Sie unter „Videos aus der Region“ im Internet: mainpost.de/videos