1594 schrieb Shakespeare „Romeo und Julia“, 2007 schrieb Michl Müller die „Fleischereifachverkäuferin“. Wenn das keine Parallele ist! Geht es doch beiden um die immerwährende Suche nach Liebe, Glück und Unsterblichkeit. Und der Kabarettist aus Garitz wird fündig. Gemeinsam mit 1100 Fans, die am Freitagabend im Open Air auf dem Lohrer Schlossplatz das neue Programm „Müller … nicht Shakespeare!“ feiern.
Fanfaren und ein Kompliment zum Einzug: „Des is Lohr. Da kann?s arschkalt sein, die Lohrer hocke da“, begrüßt Michl Müller mit einem gewagten Sprung auf die Bühne1100 Kabarettfreunde. Bei Fröstelgraden und kurzen Regenschauern braucht es einen wie Michl Müller, der dem Publikum mit verblüffender Logik und spitzbübischem Charme drei Stunden lang kräftig einheizt.
In der ersten Reihe seinem Idol ganz nah ist der deutschlandweite Michl Müller Fan-Club „Die Fatzebock Dreggsägg“: Manfred aus München, der zehnjährige Rouven mit Familie aus Aub oder die Gruppe aus Heidenheim mit Fanclub-Gründer Matse Bär aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld. Bär holte 2012 per Facebook-Aktion 5000 Leute zu Michl Müller ins Nürnberger Stadion.
„Wir starten in eine Woche der Entscheidungen“, politisiert Müller im Dreggsagg-Shirt zum Seehofer-Merkel-Zwist. „Entweder ähnelt sie Hallervorden oder sitzt da wie eine Galapagos-Schildkröte“, so sein Kommentar zur Kanzlerin.
Merkel mit Kurzhaarschnitt
Beim Treffen von Donald Trump („der Notgeile mit dem toten Fiffi auf dem Kopf“) und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un habe wohl keiner gewusst, mit wem er sich eigentlich treffe. „Mit Kurzhaarschnitt á la Kim sieht die Merkel gar nicht so schlecht aus“, werde sich Trump gedacht haben.
„Die Not muss groß gewesen sein“, outet er die Wahl von Markus Söder zum Ministerpräsidenten und stellt zu dessen Eifer, Kreuze in Behörden aufzuhängen, fest: „Ausdruck bayerischer Kultur ist auch die Weißwurst. Wenn die hängt, gleicht sie einem Halbmond“.
Der Star aus „Fastnacht in Franken“, 2011 von den Bayern-2-Hörern auf Platz zwei der lustigsten Bayern gewählt, turnt frech und frei über die Bühne und durch den täglichen Wahnsinn unserer Zeit. Wobei er den verhaltenen Humor seiner Landsleute so deutet: „Äußerlich ist der Franke auf einer Beerdigung, innerlich beim Neujahrsempfang“.
Reise nach Verona
Romantisch gestaltet sich die Reise nach Verona inklusive Julia und Romeos Balkonszene: Charmant plaudert Müller mit dem sächselnden Shakespeare-Totenkopf, der nie Angelsache war, sondern ein Sachse, der gerne angelte. Ebenso neu ist die Erkenntnis, dass Klassiker wie „Hamlet“ nicht von William, sondern von dessen Bruder Heiko stammen.
Ob Michl Müller den Zeigefinger gen Himmel reckt, ob er selbst mit einem Lachanfall kämpft oder wohlbekannte Erfahrungswerte des Publikums trifft: Man hängt dem Energiebündel an den Lippen, fühlt sich verstanden und amüsiert sich köstlich. Was sich wie ein roter Faden durch den Abend zieht, ist der witzige Dialog mit Jürgen aus Hammelburg, dem Opfer aus der Menge.
Dem Publikum treibt es die Lachtränen in den Augen, wenn der „Dreggsagg“ sagt „Wir hüpfen uns näher“ und die Paartherapie auf dem Trampolin meint oder den Weber-Grill für 800 Euro empfiehlt: „Da schmeckt das Billigfleisch vom Aldi besser“. Bleibt noch die Notwendigkeit nach der frischen Unterhose in Kabarett oder Comedy. Es werde ja gelacht, da tröpfele es schnell mal. Sein Tipp: „Febreze, die Waschmaschine des kleinen Mannes“.
Was folgt, ist das wichtige Thema der Körperhygiene, speziell für den gepflegten Mann. Das 72-Stunden-Deo erzeuge einen Duftmix aus brünftigem Elchbullen und Hamburger Fischmarkt. „Cremen kann ich nit“, gesteht Michl Müller und kommentiert tabulos die Intimrasur mit der Angst vorm Penis-Verlust. „Wir cremen uns ein, wir rasieren uns unten rum und gucken Rosamunde Pilcher“, zeichnet er kopfschüttelnd das Bild des neuen Mannes. Worauf die Fans warten, sind seine Lieder zum Mitsingen.
Textsicheres Publikum
Textsicher stimmt das Publikum ein in die brandneuen Lieder im Stile des irischen Singer-Song-Writers Ed Sheeran, findet sich im „Perfekten Tag“ wieder und gerät beim Sommerhit 2018 „Nacht am Kilimandscharo“ in fränkische Ekstase. Riesenapplaus und dem lautstarken Ruf nach Zugaben folgt der legendäre Hit-Mix des Rhön-Rock?n Rollers, der mit der eben überreichten Gelbwurst den Takt vorgibt. „Des ist mei Weg, den muss ich jetzt gehn“, heißt Michl Müllers moderne Version von „Romeo und Julia“. Es ist der Weg einer Erfolgsgeschichte seit 21 Jahren. Ein Weg, den seine Fans von Auftritt zu Auftritt gerne mit ihm gehen.
ONLINE-TIPP
Viele Bilder vom Auftritt unter www.mainpost.de