Was hat Anja Schmidt aus Bergrothenfels mit Donald Trump gemeinsam? Nun, beide betraten vor ziemlich genau vier Monaten Neuland. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
Der amerikanische Präsident übernahm sein Amt am 20. Januar, elf Tage später eröffnete Anja Schmidt die Burgbücherei auf der Burg in Bergrothenfels. Gefragt nach der bisherigen Bilanz erhellt ein Strahlen ihr Gesicht: „Ein Traum ging für mich in Erfüllung; es ist wie ein Sechser im Lotto!“
Seit seiner Gründung vor mehr als 90 Jahren lag der Buchladen in Händen der Familie Ehring. 2011 endete diese Tradition. Es begann die Suche nach einem Nachfolger.
Anja Schmidt, damals Mitglied im Pfarrgemeinderat, war zu diesem Zeitpunkt gebeten, das neue Gemeindemitglied Martina Oetting zu begrüßen. Schon bald kristallisierte sich heraus, dass hier eine Nachfolgerin für die Burgbuchhandlung gefunden war.
Elisabeth Ehring, die Tochter des Gründers Josef, übergab den Laden an Martina Oetting. Zuerst nur während der Schulferien, später zusätzlich einen Tag in der Woche übernahm Schmidt die Vertretung. Die Liebe zu Büchern war bei ihr schon immer vorhanden, außerdem hatte sie schon erste Erfahrungen in der KÖB gesammelt – der katholischen öffentlichen Bücherei in ihrem Heimatort Oberndorf.
Als Oetting nach sechs Jahren mit ihrer Familie aus Bergrothenfels wegzog, fasste Schmidt den Entschluss, sich selbst zu bewerben. Als fachfremde Quereinsteigerin überzeugte sie mit Herzblut und setzte sich gegen andere Bewerber durch. Den „Freunden der Burg Rothenfels“ ist sie ausgesprochen dankbar für diese Chance und das entgegengebrachte Vertrauen.
Das Bücherportfolio hat sich nicht wesentlich verändert: Literatur zu Religion, Rittern und Burgen, Mal- und Geschenkbücher bilden den Grundstock, aber auch Belletristik und Kriminalromane sind in den Regalen zu finden. Ergänzt wird das Angebot mit Fair-Trade-Produkten, kleinen Köstlichkeiten wie lokal hergestellten Marmeladen oder Pralinen sowie Glückwunsch- und Trauerkarten.
Besonders stolz ist Schmidt auf ihre Näharbeiten. Aus bunten Stoffen stellt sie Taschen, Beutel, Kissen, Handyhüllen und Tiere her. Bunt leuchten die Farben in den Regalen zwischen den Buchrücken und locken zum Erwerb.
E-Books sind in der Bergbuchhandlung kein Thema. „Die Kunden lieben nach wie vor das Buch in der Hand“, sagt Schmidt. Selbstredend kann die Laufkundschaft aus Bergrothenfels allein das Überleben nicht sichern. Oftmals bieten Referenten ihre Bücher im Laden an. Erworben werden diese meist von Teilnehmern der Veranstaltungen auf der Burg. Aber auch die kleinen Geschenke werden gerne gekauft. Außerdem nimmt Schmidt Bestellungen per E-Mail oder Telefon an.
Geliefert wird innerhalb von drei Tagen, ab 20 Euro Bestellwert kostenfrei. Auch bietet die Ladenbetreiberin eine telefonische Beratung an, falls ein Kunde nicht extra in den Laden kommen kann. „Reichtum werde ich mir hier nicht erwerben“, schmunzelt Schmidt. Sie betreibe aber ein wunderbares Hobby, bei dem auch noch ein kleines Taschengeld übrig bleibe.
Auf der freien Fläche zwischen den Regalen stehen zwei kleine Tische und ein paar Stühle, ebenso direkt vor dem Laden. Eine Bank windet sich um den alten Lindenbaum auf der Wiese und bietet freien Blick auf die Burg. All diese Plätze laden ein zum Schmökern bei einem Cappuccino oder Espresso aus der Kaffeemaschine auf der Theke.
Schmidt kann sich sehr gut vorstellen, dass sich hier eine Art Lese-Café entwickelt, die Rothenfelser einen Treffpunkt finden, Bücherbegeisterte sich über Literatur austauschen.
Einen ersten Versuch in diese Richtung gab es jüngst mit Julia Riegler, einer Autorin aus Mainfranken, die aus ihrem Buch „Als die schwarzen Wolken kamen“ las.
Die acht Zuhörer sahen sich einem wahren emotionalen Strudel ausgesetzt. Riegler erzählt in ihrem Buch die Geschichte der Flucht des Syrers Jamal Memedi und seiner beiden jüngeren Brüder bis ins Auffanglager nach Volkach. Die Flucht ins Ungewisse, auf einem völlig überfüllten Schiff, dem Tod mehrfach ins Auge blickend – diese wahren Begebenheiten wurden in einen packenden Roman verwandelt.
Das Besondere an diesem Abend war, dass der Syrer, der die Vorlage ihrer Hauptfigur war, die Autorin zur Lesung begleitete. Zufällig hatten sie sich im Supermarkt kennen gelernt, waren ins Gespräch gekommen und Freunde geworden. So wurde seine Lebensgeschichte zu ihrem Roman.
Eine ältere Zuhörerin, deren Mann im Zweiten Weltkrieg vertrieben worden war, konnte dieses Ankommen im Niemandsland offensichtlich gut nachvollziehen. Ihre vielen interessierten Fragen lösten eine angeregte Diskussion aus. Schmidt schwärmte: „Solche Abende wünsche ich mir öfter.“