Vier Herren trafen sich gewissermaßen virtuell auf der Dachterrasse des Rathausanbaus und bereiteten dort ihrem Publikum einen ungewöhnlichen Mix aus großartiger Geigenmusik und erotischen Geschichten: Giovanni Boccaccio, Giacomo Casanova und der Ausnahmegeiger Niccolò Paganini, zusammengeführt von dem Violinisten Florian Meierott.
Der Kitzinger Künstler verstand es bestens, nicht nur einfach Kostproben aus den bekannten, teilweise recht zweideutigen – eigentlich doch schon eindeutigen – Erzählungen vorzutragen. Er tat das vielmehr mit so viel Charme und feinem Humor, ohne jede Anzüglichkeit. Dabei ließ er beispielsweise im Falle Casanovas durchaus auch offen, ob die sogenannten Memoiren in der Tat Episoden des "Königs der Verführer", des Frauenverstehers schlechthin sind oder vielleicht doch die geheimen Wünsche eines alternden Galans, der sich zusammenträumt, was er erlebt hätte, wenn er es erlebt hätte. In jedem Fall aber vermitteln die Erinnerungen Casanovas Einblicke in den Alltag eines Lebemannes als Schriftsteller, Diplomat und Philosoph des 18. Jahrhunderts.
Sucht nach Wollust
Dass Giacomos Eroberungen trotz aller Eitelkeit und beharrlicher Sucht nach Wollust offensichtlich getragen war vom Respekt gegenüber der jeweiligen Dame, vom feinsinnigen Dialog und auch von Geduld, wird in der Geschichte von der adeligen Nonne klar. Die Dame aus bestem Hause möchte die Bekanntschaft Casanovas machen, sie lädt ihn in ihr Landhaus ein und lässt sich nur nach und nach auf den Galan ein. Sie erlaubt ihm nach den dicksten Komplimenten leidenschaftliche Küsse und nach langem "köstlichen Sträuben" darf er sogar sechs breite Schleifen des Mieders öffnen. Doch dann ist erst mal Schluss für den gierigen Liebhaber. Wie's dann beim zweiten Date weiterging, wollte Meierott, der Erzähler auf der Dachterrasse in Karlstadt, nicht verraten.
Wesentlich direkter und auch deutlich derber ging es dann bei Giovanni Boccaccio weiter, der sein weltberühmtes "Decamerone" gut 400 Jahre zuvor verfasst hat. Eine illustre Gesellschaft feiner Herrschaften erzählt sich hier in einer Burg auf der Flucht vor der Pest erotische Geschichten. Da war beispielsweise der hübsche junge Bauer Maseto, der als Gärtner im Nonnenkloster auch noch andere Beete bei den jungen Klosterfrauen mit dem Teufel im Leib zu bestellen hatte. Weil aber alle teilhaben wollten an den "Freuden, die das Weib beim Mann genießt, musste letztendlich ein männerschonender Dienstplan aufgestellt werden.
Spritzig und äußerst vergnüglich waren auch die nächtlichen Irrungen und Wirrungen in einer engen Schlafkammer mit zwei jungen Männern, einer hübschen Tochter und deren Eltern. Zuletzt war dann noch Ricciardo Minutolo, der mit böser List eine verheiratete Frau in die Badstube lockt.
Unglaubliche Virtuosität
Als Ergänzung und prächtigen Kontrapunkt zu den kecken Geschichten stellte Florian Meierott Niccolò Paganini, den Teufelsgeiger schlechthin vor. Mit unglaublicher Virtuosität, mit Fingerfertigkeit und Leidenschaft vermittelte er seinem Publikum einen Eindruck von der fast schon hypnotisch wirkenden Musik des "Weltmeisters der Geigenspieler" aus dem 19. Jahrhundert.
Wie auch der Komponist Paganini vermochte er mit furiosen Läufen und wildem Bogenstrich sein Publikum zu faszinieren. Im Mittelpunkt dabei stand das Thema mit Variationen "Nel cor più non mi sento" (Ich fühle mich nicht mehr in meinem Herzen), er ließ aber auch seine Geige singen mit dem "Duetto amoroso" und als Zugabe spielte Meierott ein Andante aus der Solosonate a- moll von Johann Sebastian Bach.
Der ungewöhnlich Freiluftkonzertplatz auf der Dachterrasse des neuen Verwaltungsanbaus am Rathaus erwies sich als durchaus gut geeignet, auch wenn der rege Eisenbahnverkehr schon sehr störte. Andererseits korrespondierte die bräunlich-eloxierte Wandverkleidung in perfekter Harmonie mit der milden Abendsonne und der nächtliche Hintergrund mit der beleuchteten Andreaskirche sowie der Karlsburg tat sein übriges bei "Paganini meets Casanova & Co.".