
Im Zentrum von Helmstadt liegt ein kleiner Lebensmittelladen. Käthe Gabel führt ihn in dritter Generation. Es handelt sich um eine Institution, die seit über 100 Jahren für Tradition, Gemeinschaft und Menschlichkeit steht. Die Geschichte des Ladens begann 1910 mit August und Katharina Vierheilig, Käthes Großeltern. Neben dem Geschäft betrieben sie eine Mineralwasserfabrik und füllten Limonade in Bügelflaschen ab.
Später übernahmen Käthes Eltern den Betrieb, bevor sie 1974 die Verantwortung übernahm. "Eigentlich wollte ich das Lebensmittelgeschäft nicht übernehmen", gibt die gelernte Industriekauffrau zu. Doch die Vorstellung, den Laden zu schließen, war für sie undenkbar. "Das wäre das Aus gewesen." Seither führt sie den Laden mit Hingabe – unterstützt von ihrer Familie.
Käthes Laden, wie er liebevoll genannt wird, öffnet werktags um 7 Uhr. Nachmittags bleibt er an zwei Tagen geschlossen. Das Sortiment umfasst alles, was das tägliche Leben braucht: frisches Obst, Brot, Käse, Zeitschriften, Kurzwaren und Schulhefte. Für viele Bewohner ist es die einzige Einkaufsmöglichkeit in fußläufiger Nähe. "Es bleibt immer Zeit, um nach dem Befinden zu fragen", sagt Käthe Gabel. Sie kennt viele ihrer Kunden seit deren Kindheit. Doch eines ist ihr besonders wichtig: "Wir hören zu, wenn unsere Kunden von ihren Sorgen und Nöten erzählen, aber diese Gespräche bleiben im Laden", bekräftigt die 80-jährige.
Unterstützung der Familie hält den Laden am Leben
Neben einer Lotto-Annahmestelle und einem Hermes-Paketservice erfüllt Käthe auch, wenn möglich, Sonderwünsche der Kunden. "Manchmal muss ich dann größere Mengen abnehmen, deshalb muss ich mich auch darauf verlassen, dass neue Produkte im Sortiment auch gekauft werden."
Das Familienunternehmen wird von ihrer Tochter Annette Scheder und der langjährigen Mitarbeiterin Cilly Uhl unterstützt. Uhl, die ihre Ausbildung bei Käthe absolvierte, ist seit über 45 Jahren dabei, gilt als unverzichtbarer Teil des Teams und gehört zur Familie. Auch die Schwiegersöhne helfen aus, wenn schwere Artikel bewegt werden müssen, und ihre zweite Tochter Ruth Wilhelm übernimmt während der Urlaubszeit. "Ohne die Unterstützung der Familie wäre es nicht möglich", sagt Käthe. Ihr Mann Manfred war ihr lange Zeit eine wichtige Stütze, bis er aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste.
Käthes Engagement endet nicht beim Geschäft, sondern geht weit über die Ladentheke hinaus. Ihr Zuhause war stets ein Ort der Gastfreundschaft für Studierende aus Ländern wie Uganda und Ghana. Gemeinsam mit ihrem Bruder Peter, einem Entwicklungshelfer, unterstützt sie Projekte in Afrika, darunter eine Lepra-Station in Sierra Leone. Eine Dankurkunde von Papst Franziskus, die im Aufenthaltsraum des Ladens hängt, erinnert an ihre vielfältige Unterstützung von Hilfsprojekten. Auch Flüchtlinge fanden bei Käthe Hilfe: Sie half ihnen mit Kleidung, Möbeln und Wohnungen und ermöglichte ihnen einen Neustart in Deutschland.
Stammkunden werden weniger
Die Herausforderungen der heutigen Zeit machen auch vor Käthes Laden nicht halt. Discounter und Online-Einkäufe verändern das Kaufverhalten der Kunden. "Von den Brötchen am Wochenende können wir nicht leben", erklärt Käthe. Stammkunden werden weniger, und neue Kunden sind schwer zu gewinnen. Hinzu kommt der Mangel an Personal, das in Schließzeiten einspringen könnte. Früher übernahmen diese Aufgaben die Töchter, doch mittlerweile wird das immer schwieriger.
Die Zukunft des Ladens ist ungewiss. Dennoch bleibt eines sicher: Käthe Gabel hat einen Ort geschaffen, der weit mehr ist als nur ein Geschäft. Er ist ein Treffpunkt, ein Stück Heimat und ein Symbol für Zusammenhalt. "Wir werden nicht reich, aber wir können davon leben", sagt Käthe, deren Lebenswerk zeigt, dass auch ein kleiner Laden große Werte tragen kann.