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Der Maasebau: Stattliches Haus am Kaibachplatz
LOHR Auch 100 Jahre nach seiner Errichtung ist der nach demdamaligen Bauherrn so genannte"Maasebau" noch eines dermarkantesten Gebäude der LohrerInnenstadt.
Von unserem Redaktionsmitglied Karl Anderlohr
 |  aktualisiert: 02.04.2019 09:42 Uhr

Noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts betrieben viele Lohrer Landwirtschaft in Form von Feld- und Gartenbau vor den Mauern, aber auch Groß- und Kleinviehhaltung mitten in der eng bebauten Altstadt. Der dabei anfallende Mist wurde zunächst einfach vor den Häusern und Ställen gelagert und dann meist in den Graben vor der südlichen Stadtmauer geschafft. Schließlich wurde das verboten.

Der Mist musste in die so genannten Kirschwiesen gebracht werden, dort, wo sich heute der Kaibachplatz befindet. Der Graben wurde eingeebnet. 1853 entstand dort die Städtische Anlage im Stil eines "Englischen Gartens".

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Miststätten jedoch noch weiter vor die Stadt verlegt, denn der Kaibachplatz wurde damals als Kirmesplatz genutzt. Außerdem - so fand Anja Fährer bei ihrer Arbeit im Archiv heraus - existierte damals eine Allee mit Birken und Hainbuchen von der Bahnbrücke über den Kaibach bis auf die Alte Mainbrücke.

Prachtbau auf dem Mistplatz

1892 kam der Zementwarenfabrikant Victor Maase nach Lohr. 1894 erwarb er ein Areal, das sich vom jetzigen Parkdeck bis etwa zur Erthalstraße erstreckte. Er erbaute dort zunächst ein Wohn- und Geschäftshaus (heute Kaminkehrergässchen 1). "Das bedeutendste Bauwerk am Kaibach entstand jedoch in den Jahren 1903 und 1904: Der große ,Maasebau'", schreibt Anja Fährer, die in diesem Haus wohnt und aufgewachsen ist.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ging man noch von drei Maasebauten am Kaibachplatz aus, nämlich dem erwähnten Wohn- und Geschäftshaus, Kaminkehrergässchen 1, dem so genannten Anwesen Nopitsch, Kaminkehrergässchen 2 (Nopitsch arbeitete für Maase als Architekt) und dem jetzt noch so genannten Maasebau, Kaibachplatz 2 und 3.

Die Arbeit von Anja Fährer geht detailliert auf die damals neuartigen Konstruktionen ein, die beim Bau angewendet wurden. Maase war nicht nur Zementfabrikant, sondern soll auch Anteile an der Lohrer Ziegelei an der Lehmskaute besessen haben. Für die Zierelemente an der Fassade, die wie Kalkstein aussehen, wurde Gussbeton eingesetzt.

So entstand ein selbst für die heutige Zeit noch sehr stattlicher Monumentalbau mit Türmchen, Loggien, Erkern und anderen historisierenden Elementen. Solche Großbauten gab es auch in den Vorstädten von München, Frankfurt, Leipzig oder Chemnitz. Ebenso wie das etwa gleichzeitig entstandene alte Gymnasium (die heutige Realschule) ist es nicht mehr voll dem Jugendstil zuzuordnen, ihm aber nachempfunden.

Victor Maase hatte, als er in ein solches Bauwerk investierte, bereits einen Kreis von Nutzern im Auge: Wohnungsnot gab es im der aufblühenden Lohr nicht nur in den engen Gassen der Altstadt. Vor allem Lehrkräfte der Höheren Schulen und Beamte fanden keine entsprechenden Wohnungen. Der Maasebau mit seinen großzügig angelegten Mietwohnungen ermöglichte ein herrschaftliches Wohnen. Es gab Einrichtungen für Gas und sogar für elektrisches Licht, obwohl die ganze Stadt erst 1920 an das Stromnetz angeschlossen wurde. Und sogar die für das Hauspersonal gedachte Zwei-Zimmer-Wohnung in der Mansarde verfügte über etwas, das nicht einmal Kaiser Wilhelm II. in seinem Berliner Schloss hatte: ein Bad. Die Mietverträge waren kurzfristig angelegt; Beamte und Gymnasiallehrer mussten jederzeit mit einer Versetzung rechnen.

Maase hatte sich aber offenbar verkalkuliert: Vor allem die unterbezahlten Lehrer waren wohl nicht in der Lage, die hohen Mieten aufzubringen, die erforderlich gewesen wären, um die Baukosten von 125 000 Mark zu finanzieren. Es wurden zunächst keine Mieter gefunden; Maase hatte sein ganzes Vermögen verwirtschaftet und musste schließlich verkaufen. In den folgenden Jahren wechselten mehrfach die Besitzer.
1920 ging das Anwesen schließlich zu zwei Dritteln an den Schiffereibesitzer Peter Väth aus Lengfurt, den Urgroßvater von Anja Fährer, und zu einem Drittel an seinen Schwager, den Stadtkämmerer Eugen Weis.

Anhand von Mietverträgen, Hausordnungen und anderen schriftlichen Zeugnissen entwirft Anja Fährer ein lebendiges Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, aber auch der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Zahl der Hausbewohner auf über 100 stieg, darunter viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge.

 
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