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LOHR
Der Lohrer Kunst- und Kulturverein löst sich auf
Abschlussfoto: Heribert Janssen (Vorsitzender des Vereins bis 2003), Vorsitzender Jürgen Baerwind, Kassenwartin Erika Schneider und der stellvertretende Vorsitzende Jan-Peter Kranig bei der Auflösungsversammlung des Kunst- und Kulturvereins. Foto: Birgit Wagner
| Abschlussfoto: Heribert Janssen (Vorsitzender des Vereins bis 2003), Vorsitzender Jürgen Baerwind, Kassenwartin Erika Schneider und der stellvertretende Vorsitzende Jan-Peter Kranig bei der Auflösungsversammlung des ...
Birgit Wagner
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:54 Uhr

Der Lohrer Kunst- und Kulturvereins ist Geschichte. Bei der Jahresversammlung am Freitag beschlossen 32 Mitglieder einstimmig die Auflösung des Vereins, der 95 Mitglieder zählt und seit 1988 das kulturelle Leben in Lohr geprägt hat.

Wie der Vorsitzende Jürgen Baerwind den dreißig Anwesenden erklärte, sucht der Verein seit zwei Jahren erfolglos nach einer Nachfolge für den Vorstand. Ein Problem sei auch, dass die qualitativ hochwertigen kulturellen Veranstaltungen zuletzt immer weniger Resonanz erfahren hätten. Maximal vierzig bis fünfzig Besucher seien zu Veranstaltungen wie Lesungen oder Kammermusikabenden gekommen.

„Der Verein hat kaum Nachwuchs gefunden. Die Gründungsmitglieder sind älter geworden und wir sind in unserer Altersstufe stecken geblieben“, erläuterte Baerwind. Die Gründung des Vereins vor 25 Jahren sei Reaktion auf die äußerst konservative Kulturpolitik in Lohr gewesen. In der Zwischenzeit habe sich vieles entwickelt und die Stadt stehe vor anderen Herausforderungen. „Da muss ein neuer Schwung gefunden werden“, so Baerwind.

Auch die Problematik, hochwertige Veranstaltungen zu finanzieren, sei ein Grund für die bevorstehende Entscheidung. Der Verein habe die Eintrittspreise stabil bei zehn Euro gehalten. Erforderlich seien inzwischen aber zwanzig bis dreißig Euro, um eine Veranstaltung kostendeckend zu bewältigen. In der Vergangenheit habe man das Glück gehabt, Räume mietfrei nutzen zu dürfen, wie etwa den Saal des Alten Rathauses oder den Kulturkeller im Weinhaus Mehling. In Zukunft werde man Räumlichkeiten in der neuen Stadthalle oder die Halle in der Gärtnerstraße mieten müssen, was für den Verein nicht zu schultern sein. „Dazu bräuchten wir ein Vielfaches an Mitgliedern“, erläuterte Baerwind.

Keiner will Verein führen

Daher habe der Beirat nach langen Diskussionen beschlossen, den Verein aufzulösen. Auch am Freitagabend kehrte auf nochmalige Nachfrage von Heribert Janssen, wer den Posten des Vorstands übernehmen wolle, Stille ein.

Dr. Mario Paul bedauerte den Anlass ebenfalls. Wie die meisten Dinge habe jedoch auch diese Entwicklung zwei Seiten. Ein alternatives Kulturprogramm sollte vor 25 Jahren in Lohr gefördert werden, die Gründung des Vereins sei auch als Opposition zum damaligen Bürgermeister zu verstehen gewesen. „Heute ist das nicht mehr notwendig“, meinte Paul mit einem verschmitzten Lächeln. „Sagen sie sich: ,Wir haben etwas erreicht, was ohne uns nicht möglich gewesen wäre. Vielleicht haben wir unsere Aufgabe so gut gemeistert, dass unsere Arbeit in dieser Form heute nicht mehr notwendig ist“, riet Paul den Vereinsmitgliedern.

Auch die Reaktionen auf den Lohrer Kunstpreis, die rege Diskussion um die Schneewittchenskulptur sowie die spontane Begeisterung über das Graffito Valentin Ludes hätten gezeigt, dass heute eine anderes Kulturverständnis und auch eine neue Diskussionskultur in Lohr entstanden seien. Paul dankte allen Mitgliedern und insbesondere dem Vorstand für ihre Verdienste um das kulturelle Leben in Lohr.

Zugleich lud Paul zu einer Gesprächsrunde im Sitzungssaal des Rathauses ein, bei der neue Wege des Einmischens ins kulturelle Leben der Stadt besprochen werden sollten. Baerwind zeigte sich erfreut darüber und bekräftigte, dass die Mitglieder des Kunst- und Kulturvereins gerne bereit seien, beratend an einer „neuen Stadt“ mitzuarbeiten.

Kulturamtsleiter Peter Häring begrüßte dies. Er freue sich über eine weitere Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Vereins. Wichtig seien auch weiterhin deren fundiertes Wissen und Erfahrung für geglückte Veranstaltungen.

Mit dem Kassenbericht von Erika Schneider kam die finanzielle Problematik nochmals zur Sprache. Viele Veranstaltungen seien in der letzten Zeit defizitär gewesen. Am besten besucht gewesen sei das Nostalgie-Kino. Der Verein sei der Familie Mehling daher sehr dankbar für die kostenlose Überlassung des Kulturkellers. Noch drei Film-Abende seien geplant. Nach diesem Resümee wurde über die Auflösung des Vereins abgestimmt. Eine Mehrheit von neun Zehnteln wäre notwendig gewesen, der Beschluss des Beirates wurde jedoch einstimmig angenommen.

Somit könne die Liquidation des Vereins angemeldet werden, erklärte Ruth Steger. Für die Abwicklung rechtlicher und finanzieller Fragen sind nun Jürgen Baerwind und Erika Schneider zuständig. Das übrige Guthaben des Vereins solle dem Lohrer Jugendzentrum zur Verfügung gestellt werden. „Da kann man wirklich was draus machen“, begründete Baerwind das Vorhaben.

Roland Schaller schlug vor, in diesem Rahmen einen Kunstwettbewerb für Jugendliche zu finanzieren. Die Graffiti-Szene sei in Lohr „unheimlich stark“. Stellwände könnten vom Bauhof im öffentlichen Raum installiert und mit Folie oder ähnlichem überzogen werden.

Nach der Bewertung einer Jury könnte dann ein Preis übergeben werden, so Schaller. Auch diesem Vorschlag stimmten die Anwesenden einstimmig zu. Über die konkrete Umsetzung soll noch beraten werden.

 
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