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GEMÜNDEN
„Der Lehrer kann's nicht allein richten“
Michael Fillies
Michael Fillies
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:08 Uhr

Ab dem 1. Januar 2019 soll die Schulsozialarbeit an der Grund- und der Mittelschule Gemünden deutlich verbessert werden. Der Stadtrat beschloss am Montagabend einstimmig, die Schaffung einer Vollzeitstelle für „Jugendsozialarbeit an Schulen“ (JaS) zu unterstützen. Seit November 2016 war Stadtjugendpflegerin Simone Vierkötter mit 16 Wochenstunden für pädagogische Problemfälle an den beiden Schulen eingesetzt. Sie solle diese Aufgabe auch weiterhin behalten, hieß es in der Ausarbeitung der Stadtverwaltung.

„Konflikte häufen sich“

Auf die Unterstützung beziehungsweise Entlastung der Lehrer durch einen Sozialpädogen drängen die Grund- und die Mittelschule seit zwei Jahren. Der Stadtrat sieht die Notwendigkeit ein. Im Antrag vom März auf eine JaS-Stelle führen die Rektoren Anne Kade (Grundschule) und Joachim Nöth (Mittelschule) zur Begründung an, dass die Grundschule einen besonders hohen Migrantenanteil von derzeit 52 Prozent verzeichne und dass es an beiden Schulen einen vergleichsweise hohen Anteil von Kindern Alleinerziehender oder aus prekären oder sozial problematischen Verhältnissen gebe: „Es häufen sich mittlerweile aber auch Konflikte bei Schülern, die aus vermeintlich ,intakten‘ Familienverhältnissen kommen.“

JaS ist dem Antrag zufolge eine „Filiale des Jugendamtes in der Schule“; sie gelte benachteiligten Jugendlichen und Schülern mit besonderem Förderbedarf, und den Schülern und ihren Familien werde gezielte Hilfe angeboten. Kade und Nöth beklagen, dass Lehrer Unterrichtszeit für Problemfälle aufwenden müssten, „die ganz klar im Aufgabenbereich eines JaS-Mitarbeiters liegen“.

Frühzeitig reparieren

Im schriftlichen Antrag wie auch am Montag nochmals im Sitzungssaal des Rathauses vor den Stadträten postulierte Joachim Nöth: „Für eine Gemeinde beziehungsweise Stadt ist es an sich äußerst wichtig, wenn soziale Probleme und Verhaltensauffälligkeiten Jugendlicher frühzeitig angegangen und vielleicht behoben werden können, bevor sich diese im jungen Erwachsenenalter vielleicht manifestieren und für die Gemeinschaft zu einem erhöhten gesellschaftlichen und finanziellen Problem werden.“

Über die gesetzlichen Bestimmungen informierte ausführlich Gemündens Hauptamtsleiterin Belinda Köhler: An elf Schulen im Landkreis gebe es derzeit Jugendsozialarbeiter, und auch für Gemünden sei der Bedarf nach Ansicht des Jugendamts Main-Spessart vorbehaltlich einer genaueren Bedarfsanalyse klar gegeben. Träger von JaS muss eine Organisation wie die Caritas oder die evangelische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Würzburg sein. Die Kosten von etwa 51 000 Euro im Jahr teilen sich der Träger mit etwa 5000 Euro, der Freistaat Bayern und der Landkreis mit je 16 360 Euro sowie die Stadt Gemünden mit circa 15 000 Euro. Über die Schulumlage wird Gemünden einen Teil von den Umlandgemeinden zurückerhalten.

Kritik am Freistaat

Den Sozialpädagogen noch heuer einzustellen, habe das Landratsamt unter Hinweis auf die fehlenden Haushaltsmittel abgelehnt, berichtete Belinda Köhler. Nicht den Bedarf, wohl aber die Art der Finanzierung kritisierten Bürgermeister Jürgen Lippert und einige Stadträte heftig. Für das pädagogische Personal sei nach dem „antiquierten Schulfinanzierungsgesetz“ (Lippert) eindeutig allein der Freistaat zuständig; nur für den so genannten Sachaufwand und die Personalkosten für Hausmeister und Reinigungskräfte haben die Kommunen aufzukommen. Bei JaS aber werde gemischt und den Kommunen das gesamtgesellschaftliche Problem steigender Erziehungsdefizite bei Kindern angelastet.

Auf die Frage des Stadtrats Günther Felbinger nach den Problemfällen unter ihren rund 400 Schülern schätzte Joachim Nöth den Anteil auf zehn Prozent, seine Kollegin Anne Kade auf 15 Prozent. Jürgen Lippert bat, die Zahlen nicht zu missverstehen: ein hoher Migrantenanteil bedeute nicht automatisch mehr Probleme. Das Ratsmitglied Dr. Gerhard Köhler, ehemaligen Schulleiter, bekräftigte: Es gebe sicher Integrationsprobleme, aber die Erziehungsdefizite nähmen auch in deutschen Familien zu – „und der Lehrer kann's nicht allein richten“.

 
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