
Der Kreiscaritasverband steht wegen geänderter Herausforderungen vor einer Umstrukturierung, die auf eine stärkere Professionalisierung hinausläuft. Geschäftsführer Florian Schüßler stellte der Vertreterversammlung die Grundzüge einer Satzungsreform vor. Im Seniorenzentrum St. Martin in Lohr, in dessen Kapelle das Treffen stattfand, können 30 Betten wegen Personalmangels nicht belegt werden.
Über die große Satzungsreform wird nach Schüßlers Worten seit zehn Jahren diskutiert. Ausgangspunkts seien die schwindende Bereitschaft der Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren, und die gestiegenen Aufgaben der Kreisverbände, die mittlerweile Bilanzsummen in Millionenhöhe hätten. In den meisten Fällen würde diese von ehrenamtlichen Vorständen gemanagt.
Nach einer Mustersatzung des Diözesanverbands hätten bereits die Kreisverbände Aschaffenburg, Bad Kissingen und Miltenberg umgestellt, Rhön-Grabfeld und Haßberge seien dabei. Statt ehrenamtlicher Vorstände solle es einen hauptamtlichen Vorstand geben. Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärte Schüßler, dass es wohl auf ihn hinauslaufen, das Amt des Geschäftsführers also mit dem Vorstand vereinigt werde.
Der Caritasrat soll als Aufsicht fungieren
Dieser Vorstand führe das komplette operative Geschäft. Kontrolliert werde er vom zwölfköpfigen Caritasrat. Das bislang nur zwei Mal im Jahr tagende Gremium aus Ehrenamtlichen solle eine Art Aufsichtsrat werden und sich häufiger treffen. Der Caritasrat genehmige strategische Ziele, den Haushalt und den Jahresabschluss, er wähle den Vorstand und sei vier Jahre im Amt.
Die Vertreterversammlung solle verstärkt über Grundsatzfragen der Caritas beraten und den Caritasrat wählen. Die konkrete neue Satzung solle im Oktober vorgestellt werden, über die Satzungsänderung im ersten Quartal 2024 entschieden werden. Im 2. Halbjahr 2024 sollten die Änderungen umgesetzt und ein neuer Caritasrat gewählt werden.
Die Äußerungen der Vertreterversammlung zur Reform waren durchweg positiv. 1. Vorsitzende Magda Hartmann (Steinfeld) und 2. Vorsitzender Manfred Goldkuhle (Karlstadt) wollen nach eigenen Worten aus Altersgründen nächstes Jahr ohnehin aufhören. Uwe Rentz (Birkenfeld) meinte, er wisse aus eigener Erfahrung, dass der ehrenamtliche Vorstand eine "unbezahlte Halbtagsstelle" sei. Die Reform sei überfällig.
Im vergangenen Jahr habe auch der Caritasverband "die Zeitenwende deutlich in unserer täglichen Arbeit erfahren", sagte Magda Hartmann in ihrem Tätigkeitsbericht. Die hohe Zahl an Flüchtlingen fordere die Flüchtlingsberater nach wie vor in besonderem Maß. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sei ein neuer Fachbereich aus dem Boden gestampft worden. Das Personal für die sozialpädagogische Familienhilfe sei schon bald nach dem Start aufgestockt worden. Im vergangenen Jahr seien 38 Familien betreut worden. Ebenfalls ausgeweitet worden sei die Jugendsozialarbeit an Schulen.
Steigende Klientenzahlen beim sozialen Beratungsdienst
Die Zahl der Klienten des allgemeinen sozialen Beratungsdienstes stieg nach Hartmanns Angaben von 2019 bis 2022 von 527 auf 796 Personen in 305 Haushalten. Der Dienst soll die Teilhabe der Klienten am gesellschaftlichen Leben erhalten und fördern. Zur Sucht- und Drogenberatung seien im vorigen Jahr 779 Personen gekommen, 247 einmalig, 532 seien längerfristig betreut worden. Der Fachkräftemangel hat laut Hartmann dazu geführt, dass die Ebene Fünf des Seniorenzentrums St. Martin in Lohr geleert worden sei. 16 Betten seien deswegen unbelegt gewesen. Diese Zahl sei aktuell auf bereits 30 angestiegen.
Wirtschaftsprüfer Thomas Hauk-Urban von der Hemberger Prinz Siebenlist GmbH & Co. KG in Würzburg stellte dem Kreiscaritasverband für die Jahresrechnung 2022 einen "uneingeschränkten Bestätigungsvermerk" aus. Die Buchführung sei ordnungsgemäß gewesen. Nach einem Verlust von 187.000 Euro im Jahr 2021 sei im vorigen Jahr ein Plus von 76.300 Euro erzielt worden. Diese Verbesserung sei aber nicht durchs operative Geschäft erreicht worden, sondern vor allem durch die Auflösung von Rückstellungen sowie Zuschüsse für die Übernahme des Kindergartens in Rechtenbach und für coronabedingte Mindereinnahmen. Die Bilanzsumme des Kreiscaritasverbands betrug nach Hauk-Urbans Angaben 13,34 Millionen Euro.
Über ihre Arbeit als Flüchtlingsberaterin berichtete Kathrin Hörnig. Sie und vier Kolleginnen sind für den gesamten Kreis zuständig, belegen aber nur 2,75 Stellen. Sie kümmern sich aktuell um 695 Flüchtlinge aus mehr als 25 Ländern. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres habe es 1264 Beratungsgespräche.
Der Flüchtlingszustrom habe zu einer Überlastung der Haupt- und Ehrenamtlichen geführt. Eine neue Gemeinschaftsunterkunft in Lohr könne die Caritas nicht mehr betreuen. Aber auch Ämter, Kommunen, Ärzte und Schulen seien überlastet. Die Abläufe bei den Behörden seien kompliziert und langsam, so Hörnig. Bei den Flüchtlingen nähmen Unzufriedenheit und psychische Erkrankungen zu.