Konzertreisen um die Welt, Auftritte vor Papst Benedikt XVI. und der Skandal um den Missbrauch vieler Chorknaben: Der in Karlstadt geborene und aufgewachsene Roland Büchner hat als Domkapellmeister und somit Chorleiter der Regensburger Domspatzen zahlreiche Höhen mit dem Knabenchor erlebt und zur Aufklärung seines wohl dunkelsten Kapitels beigetragen. Nach 25 Jahren räumt er im Herbst Schreibtisch und Dirigentenpult.
Wer mit dem 65-Jährigen spricht, spürt schnell: Hier hat jemand seinen Traumjob ausüben dürfen. Der Abschied von seinem Chor fällt ihm nicht leicht. Wer die Nachfolge Büchners antritt, steht seit Montag auch schon fest: Christian Heiß.
Die traditionsreiche Institution mit der Zeit gehen zu lassen war eines der Ziele Büchners, der nach der Realschule mit 16 Karlstadt verließ und zum Studium nach Regensburg ging. "Ich glaube schon, dass ich sagen kann: Ich habe das Haus geöffnet." Das gelte zum Beispiel für die Kinder aus dem Regensburger Umland. Früher hätten alle Chorknaben, die mehr als zehn Kilometer entfernt wohnten, in das Internat gehen müssen. Das waren etwa 90 Prozent der Domspatzen.
Heute stammten die meisten Schüler aus der Umgebung und wohnten weiter bei ihren Familien. 115 der knapp 300 Gymnasiasten besuchen heute das Internat. Büchner sieht hier einen Trend, der nicht neu ist. Familien, die ein oder zwei Kinder haben, schickten diese nicht mehr in ein Internat. Auch mit anderen Maßnahmen versuchte er, mehr Schüler zu gewinnen.
Die abendlichen Chorproben verlegte Büchner in den Nachmittag – um den Tagesschülern entgegenzukommen. Den wöchentlichen Unterricht am Samstag kürzte er auf einen 14-tägigen Rhythmus, damit sich der Familienalltag leichter mit dem der Domspatzen vereinbaren lässt.
Die Auslandstourneen seien für Kinder heute kein so großer Anreiz mehr, zu den Domspatzen zu gehen. "Viele fliegen im Urlaub mit ihren Familien um die Welt." Aber dennoch seien die Reisen Erlebnisse, die die Chorknaben zu weltoffenen Menschen werden ließen – etwa wenn sie in Japan in Gastfamilien untergebracht sind. "Sie lernen dann, dass es dort als unhöflich gilt, sich auf der Bühne zu schnäuzen", erzählt Büchner. Im Oman hätten sie eine Moschee besucht und dort mit muslimischen Gläubigen über ihre Religion diskutiert.
Den Skandal um Missbrauch und Misshandlungen bei den Domspatzen zwischen 1945 und den frühen 1990er Jahren sieht Büchner nicht als entscheidenden Grund für rückläufige Schülerzahlen. Die Schule setze alles daran, dass sich solche Fälle nicht wiederholen. So gibt es seit einigen Jahren einen Arbeitskreis Prävention, in dem Schüler, Eltern und Lehrer für das Thema sensibilisiert werden.
Der im Jahr 2017 vorgelegte Abschlussbericht zum Missbrauchsskandal zeigte, dass mindestens 547 Chorsänger Opfer von Gewalt geworden sind. Gerade in der ersten Zeit nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle hätten sich die Domspatzen außerhalb der Schule oft dumme Sprüche anhören müssen. Inzwischen komme das weniger vor, und die Buben seien darin geschult, wie sie mit dem Thema umgehen.
Wenn Büchner spricht, sind seine Hände und Arme meist in Bewegung, dass der Mann mit Leidenschaft Dirigent ist, ist offensichtlich. Der vierfache Vater stammt hat in Regensburg und München Kirchenmusik studiert. Nach Anstellungen in Altötting und Regensburg übernahm er 1994 die Nachfolge von Georg Ratzinger, Bruder des ermeritierten Papstes Benedikt XVI., als Domkapellmeister.
Die Kinder fürs Singen zu begeistern sei nicht schwieriger als in früheren Jahren, sie hätten lediglich weniger Singerfahrung. Mit Gesangsunterricht und Stimmbildung machten sie jedoch schnell Fortschritte: "Manchmal erschrecken sie selber darüber, wie ihre Stimme plötzlich klingt." Kirchliche Musik einzustudieren fänden die jungen Chorknaben dann auch gar nicht uncool, sagt Büchner. "Wir machen auch viel zeitgenössische Musik. Das klingt auch auf der Orgel modern, aber nicht so, dass es einem die Ohren zerreißt."
Das tägliche Singen tue den Burschen gut. Oft kämen sie abgeschafft in die Chorstunde, hätten Hausaufgaben und Freizeit hinter sich und seien müde. "Dann fängt die Probe an und diese Körperlichkeit des Singens tut ihnen so gut, dass sie hinterher total frisch rausgehen. Die pfeifen und singen dann weiter."