Die anhaltende Überflutung mit den unterschiedlichsten Informationen und Neuigkeiten ist bisweilen sehr anstrengend. Ich erlebe extreme Verhaltensweisen, entweder nur noch in Corona zu denken oder einfach abzuschalten. Eine Krise entfaltet immer auch eine Sogwirkung, der man sich hingeben oder mit großer Kraftanstrengung entziehen kann. Ein Ausnahmezustand braucht ein Ausnahmeverhalten; bestimmte Verhaltensregeln dafür machen Sinn.
Mich ärgern die ZeitgenossInnen, die rücksichtlos und uneinsichtig Vorsichtsmaßnahmen ignorieren. Inzwischen bereiten mir andere mehr Sorgen: Die, die am Limit arbeiten, und vor allem diejenigen, die die persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise absehbar schwer treffen werden. Wie lange kann das (gut) gehen? Was wird mit ihnen werden? Was unsere gegenwärtigen, oft sehr originellen Solidaritätsbekundungen eines Tages ganz praktisch wert sind, wird sich zeigen.
Krisen brauchen keine Ignoranten und Aktionisten
Es hat den Anschein, dass es urplötzlich keine anderen Themen mehr gibt; die ganze Welt scheint nur noch eine einzige Corona-Krise zu sein: Scheinbar kein Krieg mehr in Syrien, keine Flüchtlinge an der griechischen Grenze, keine Klimaschutzfragen, keine Gefahr mehr von Rechts, keine psychischen Probleme, keine anderen Krankheiten. Vieles schien es lange Zeit gar nicht mehr zu geben. Langsam verändert sich das.
Krisen brauchen keine Ignoranten und keine Aktionisten. In Krisen braucht es wache und besonnene Menschen mit Weitblick, die zwischen sorgloser Gleichgültigkeit und übertriebener Ängstlichkeit einen guten Mittelweg finden.
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Gerade die Menschen, die verantwortungsvoll handeln und die sich ihren Blick nicht verengen lassen, machen mir in diesen Tagen viel Mut: Mir begegnen hier vor Ort Menschen, die die Lage ernstnehmen, aber trotzdem nicht ihren Humor verlieren. Ich begegne anderen, die gerade solche Menschen und Themen im Blick haben, die in Gefahr geraten, auf der Strecke zu bleiben.
Vor allem solche lassen mich darauf vertrauen, dass wir die Krise nicht nur überstehen, sondern daraus nachhaltig lernen und gewinnbringend überwinden können!
Reinhold Grimm (62) ist Pastoralreferent in Marktheidenfeld und Mitarbeiter in der "Krisenseelsorge im Schulbereich" der Diözese Würzburg. Dieser Beitrag gehört zur Main-Post-Serie "Der gute Morgen", in der in Zeiten der Corona-Krise Menschen aus Franken ihre positiven Gedanken aufschreiben und mit unseren Leserinnen und Lesern teilen.