Es war eine historische Stadtratssitzung am Montag. Statt im Gemündener Rathaus fand sie wegen der Corona-Pandemie im Foyer der Scherenberghalle statt, wo die Stadtratsmitglieder wie bei einer Abiturprüfung weit auseinander saßen. Jedes hatte einen Tisch für sich, um eine mögliche Ansteckung untereinander zu vermeiden.
Mit Georg Brandl (FWG) für den verstorbenen Stefan Koberstein und den auch im kommenden Stadtrat vertretenen Andreas Wirth (CSU) für den zurückgetretenen Thomas Schmitt wurden kurz vor Ende der Amtsperiode zwei neue Stadtratsmitglieder vereidigt – für Brandl könnte seine erste Sitzung als Stadtrat auch schon seine letzte gewesen sein. Denn der Stadtrat hat Bürgermeister Jürgen Lippert wichtige Befugnisse übertragen, was mindestens die nächste Sitzung des Bauausschusses und des Stadtrats verzichtbar macht.
Einige Stadträte ließen sich, um in Sachen Coronavirus kein Risiko einzugehen, entschuldigen, darunter die gesamte Fraktion der Freien Wähler/Freien Bürger (FW/FB). So kam es, dass der Bürgermeister vor der Verabschiedung des Haushaltes 2020 und des Finanzplans der Jahre 2021 bis 2023 stellvertretend die Stellungnahme der FW/FB zum Haushalt vortrug. Auch die Stellungnahmen der anderen Fraktionen, die auf die gute Zusammenarbeit des gesamten Stadtrats hinwiesen, wurden meist nicht vom jeweiligen Fraktionsführer vorgetragen. Denn für die CSU fehlte Jürgen Stich, für die SPD Ferdinand Heilgenthal und für die FWG Gerhard Thumes. Martin Geßner (Öko-Kreis) schließlich fasste sich angesichts der Situation bei seiner letzten Haushaltsrede kurz.
Wird der Haushalt angesichts der Krise so zu halten sein?
Der vom Stadtrat mit einer Gegenstimme (Helmut Aulbach, FWG) beschlossene Gesamthaushalt für dieses Jahr beträgt 27,79 Millionen Euro, 1,44 Millionen mehr als 2019. Davon macht der Verwaltungshaushalt 22,40 und der Vermögenshaushalt 5,38 Millionen Euro aus. Es ist eine Kreditaufnahme von 582 500 Euro vorgesehen. Aber die derzeitige Krise könnte die Pläne durcheinanderwirbeln. Ob etwa die Gewerbesteuereinnahmen wie erwartet 2,83 Millionen Euro betragen werden, ist eher fraglich. Auch hinter den geplanten Einkommensteuereinnahmen von 5,8 Millionen Euro steht ein Fragezeichen. Fraglich zudem, ob alle geplanten Maßnahmen in Zeiten einer Ausgangsbeschränkung und geschlossener Schulen ausgeführt werden können.
Bürgermeister Lippert ging in seiner Haushaltsrede auf die Herausforderung der zuvor nicht bekannten Erhöhung der Kreisumlage ein. "Zukünftig würde ich mir vom Landkreis wünschen, dass die Kommunen zeitnah auf eine mögliche Kreisumlageerhöhung hingewiesen werden." Es sei nicht zu übersehen gewesen, dass die Haushaltsberatungen im Zeichen des Wahlkampfes für die Kommunalwahl gestanden hätten. Lippert: "Für Luftschlösser ist in den Diskussionen über den Gemündener Haushalt leider kein Platz." Er dankte den Stadträten und dem Ortssprecher für die konstruktive Zusammenarbeit im zurückliegenden Jahr und in der vergangenen Wahlperiode sowie allen, die derzeit das öffentliche Leben und die Versorgung aufrecht erhalten und sich für ihre Mitmenschen einsetzen.
CSU: Anträge anderer Fraktionen zum Teil "völlig überzogen"
In der von Kilian Blum (CSU) vorgetragenen Haushaltsrede von Jürgen Stich erkannte dieser an, dass in seinen fast 15 Jahren im Stadtrat ein Bürgermeister und ein Kämmerer wohl selten so viele Schweißausbrüche überstehen hatte müssen, um einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen. Auch Stich kritisierte manche "völlig überzogenen Anträge" anderer Fraktionen, die wohl dem Wahlkampf geschuldet seien. Kritik übte er wieder daran, dass über die Anträge der Fraktionen nicht vor Erstellung des Haushaltsentwurfs entschieden wurde. Beim Campingplatz könne man nicht ständig an der Gebührenschraube drehen und auch der Umbau des Stadtwaldes koste.
In der von Lippert vorgelesenen Stellungnahme von Werner Herrbach (FW/FB) sprach dieser nach den Rekordhaushalten 2017 und 2018 von einem "normalen Haushalt". "Aus der Sicht unserer Fraktion liegt uns ein Haushalt vor, der stark von den finanziellen Gegebenheiten geprägt ist und den Pflichtaufgaben nachkommt, ohne die Zukunftsentwicklung einer Kommune aus den Augen zu verlieren", so Herrbach. Für den Ausbau der Straße von Kleinwernfeld nach Massenbuch müsse sich in den nächsten Jahren ein Zeitfenster finden, spätestens beim Bau der neuen Umgehungsstraße.
Helmut Aulbach (FWG) sprach die "ärgerliche" Erhöhung der Kreisumlage an. "Nach dem Motto ,den letzten beißen die Hunde' müssen die Kommunen dran glauben." Er glaubt, dass aufgrund der Coronakrise die Gewerbesteuereinnahmen wegbrechen werden. Weil ihm das große Defizit bei der Forstwirschaft ein Dorn im Auge ist, stimmte er dem Haushalt nicht zu.
SPD: Gemünden nicht nur als Wohn- und Schlafstätte
Dritte Bürgermeisterin Irmgard Pröschl (SPD) trug die Haushaltsrede von Fraktionsführer Heilgenthal vor. Der Haushalt sei wie immer "auf Kante genäht". "Trotzdem sollten wir nicht alles dem Vorrang der Sparsamkeit unterordnen", sonst werde jede Entwicklung und jedes Zukunftsdenken im Keim erstickt. "Unser Ziel sollte es sein, Gemünden nicht nur als Wohn- und Schlafstätte zu sehen, sondern als lebendige, vielseitige und auch wirtschaftlich konkurrenzfähoige Stadt zu erhalten und zu entwickeln." Es müsse aktiv versucht werden, Gewerbebetriebe anzusiedeln.
In der Stellungahme von Matthias Kübert (BfB) spielte die Coronakrise die Hauptrolle. Er hoffte, dass es jetzt nicht zu einem Sterben von Geschäften und Gaststätten im Stadtgebiet komme. Die Gemündener sollten nur das Nötigste online einkaufen und den Einzelhandel nach der Schließung unterstützen.
Martin Geßner (Öko-Kreis) wünscht dem Bürgermeister Visionen
"Ich werde meine Rede vollständig zu Protokoll geben, aber nicht vollständig halten", schickte der scheidende Stadtrat Martin Geßner (Öko-Kreis) voraus. So ging er nur auf den Bereich Forst ein, für den er sich einen höheren Gemeinwohlausgleich wünschen würde und dankte den Forstleuten für ihre Visionen und ihr hohes Engagement. Dem wiedergewählten Bürgermeister gab er mit auf den Weg: "Hoffentlich haben Sie Visionen, wie und wohin sich die Stadt Gemünden in sechs, zwölf, 18 oder 24 Jahren entwickeln soll." Und er hofft, dass sein Enkel Theodor recht hat mit seiner Anmerkung: "Opa, alles gut."
Mit 14:1 stimmte der Stadtrat für den Haushalt und mit 15:0 für den Finanzplan.