Eine Neonröhre flackert. Skeptisch blickt Anton Fischer zur Decke und fragt: "Gibt es hier keinen Elektriker, der das richtet?". Fischer könnte das wohl – er hat selbst das Handwerk des Elektroinstallateurs gelernt, vor 75 Jahren. Ein Zeitungsartikel hat den 91-Jährigen in die heutigen Räume seines damaligen Ausbildungsbetriebs Elektro-Wagner gebracht. Dort waren drei Männer als erste Lehrlinge im Jahr 1946 genannt. Doch das stimme nicht, sagt Fischer. "Der erste Lehrling war ich." Die heutige Firmeninhaberin Margret Grimm-Wagner hat ihn daraufhin in die Firma eingeladen.
Sie hat Werkzeuge und Armaturen aus früheren Zeiten mitgebracht, die heute kaum noch einer kennt. Anton Fischer weiß zu fast allen Stücken den Verwendungszweck. Er erklärt die Werkzeuge und gibt fachkundig Auskunft über die ungefähre Zeit.
Mutter wählt Beruf aus
Fischer, der am 15. Juni 1930 in Sendelbach zur Welt kam, begann 1945 eine Ausbildung bei Radio Becker in Lohr. Zur Berufsauswahl war Fischer nicht gefragt worden. Die Suche nach einer Lehrstelle hatte seine Mutter übernommen, eine Kriegerwitwe, die vier Kinder zu versorgen hatte. Als es die Firma nach kurzer Zeit nicht mehr gab, kam er zu Elektro-Wagner, einem noch jungen Unternehmen, das über verschiedene Standorte an den heutigen Firmensitz in der Bürgermeister-Doktor-Nebel-Straße kam.
Am 1. April 1946 ging es los, obwohl der eigentliche Lehrvertrag erst anderthalb Jahre später unterzeichnet wurde. Dass man es in der Nachkriegszeit mit Dokumenten und Formularen nicht immer genau nahm, zeigt eine Urkunde von Firmeninhaber Georg Wagner. Auf dieser wurde er einfach einen Tag älter gemacht. Auch nach seiner Gesellenprüfung im Sommer 1948 arbeitete Fischer zunächst weiter im Betrieb. Allerdings gab es nicht immer Arbeit. "Dann hat man halt ein paar Wochen gestempelt", erzählt Fischer. Zudem sei man vom Amt einfach zu verschiedenen Arbeiten geschickt worden, wie etwa im Wald oder Straßenbau.
Elektro-Wagner hatte in Lohr zunächst einen schweren Stand. Firmeninhaber Georg Wagner, ein gebürtiger Dachauer, musste sich gegen die örtlichen Platzhirsche durchsetzen. Dies gelang ihm auf zwei Wegen. Ein Schwerpunkt des Unternehmens waren langfristige Aufträge in Kasernen oder Flugplätzen. "Wir haben viel für die Amerikaner gearbeitet", sagt Margret Grimm-Wagner.
Alles mit dem Rad transportiert
Das andere Standbein war die Herstellung von Elektrogeräten wie Bügeleisen oder Radios. So lieferte Rexroth Gussteile und Wagner sorgte für die einfache Elektrik des Bügeleisens. Radiotechnik gab es von Plitzko in Lohr, die Gehäuse dazu lieferte die Schreinerei Bader. Weitere selbst gefertigte Teile waren Ankerwickeln für Motoren oder Heizspiralen. "Das könnte man heute nicht mehr bezahlen", sagt Fischer. Über die damalige Zeit erzählt der Senior, man habe als Mitarbeiter immer das Gefühl vermittelt bekommen, zur Familie zu gehören. Ein Einstellungskriterium sei damals der Besitz eines Fahrrades gewesen. "Hast a Radl, dann kannst kema", zitiert Margret Grimm-Wagner ihren oberbayrischen Vater. Fischer berichtet dazu, dass er mit Fahrrad und Anhänger für eine Baustelle die Gesellen mit Material in Neuhütten versorgen musste. Eine gefährliche Fahrt mit dem schweren Hänger, der ihn bergab immer geschoben habe. "Ich habe mich schon gefreut, mit einem leeren und leichten Anhänger zurück zu fahren", sagt Fischer. "Nix war´s", führt er gleich weiter aus. Die Gesellen hatten inzwischen den Abwurftank eines Flugzeugs gefunden. Und so ging es mit diesem Stück im Hänger zurück nach Lohr.
Auch Geld verdient wurden in den Jahren nach dem Krieg. Nur konnte Anton Fischer mit seinem Lohn, 40, später 50 Reichsmark im Monat, wenig anfangen. Geschenkte Zigaretten habe man getauscht. Die seien mehr wert gewesen. Fischer arbeitete später noch als Betriebselektriker in der Glashütte, sowie für Rexroth und das Überlandwerk.