Ein Blick in den nächtlichen Himmel und der Gedanke über den Sinn der menschlichen Existenz hat Autoren und Komponisten aller Epochen beschäftigt. So überschrieben Michael Günther und Wolf Wiechert ihren ersten Literarisch-Musikalischen Salon auf Schloss Homburg mit dem Titel des Sonetts „An die Sternen“ des Dichters Andreas Gryphius (1616-1664).
Der Homburger Musikwissenschaftler und der Wertheimer Autor wollen künftig in loser Folge literarische und musikalische Werke unter dem Motto „Originalklang und Klartext“ zueinander in Bezug setzen. Zur Erstauflage waren im Homburger Stucksaal alle Plätze besetzt. Die beiden Initiatoren werden sich mit ihrem Salon im kommenden Jahr eventuell der Poesie von Friedrich Rückert sowie dem Werk des Autors Gottfried Benn zuwenden.
Diesmal spannten sie einen weiten Bogen der Lyrik von der Barockzeit bis in die Gegenwart. Als Gäste wurden die Wertheimer Sopranistin Sonja Miranda-Martinez und der Marktheidenfelder Komponist Alexander Wolf willkommen geheißen.
Günther eröffnete den Abend, dem sicher ein wenig Straffung förderlich gewesen wäre, auf dem Cembalo mit der immer lebhafter werdenden Suite „Urania“ des Rastatter Hofkapellmeisters Johann Caspar Ferdinand Fischer (1662-1746).
Wiechert interpretierte nach dem schwermütigen Gryphius-Werk aus dem Dreißigjährigen Krieg, die Gedichte „Die Sternenseherin Lise“ von Matthias Claudius (1740-1815) und „Dämmrung senkte sich von oben“ von Johann Wolfgang von Goethe. Ein Zwischenspiel ergab sich mit dem Lied „Der Stern“ von Johann Franz Xaver Sterkel (1750-1817), das Sonja Miranda-Martinez zu Günthers Begleitung am Cembalo sang.
In die Romantik führte Robert Schumanns Vertonung des Gedichts „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff, das die Sopranistin zu Wolfs Begleitung am Giraffen-Hammerflügel interpretierte.
Nach Wiecherts Rezitation der expressiven Klage „Geistliche Dämmerung“ von Georg Trakl (1887-1914) spielte Michael Günther einen Auszug aus Alessandro Marcellos (1673-1747) ursprünglich für Oboe und Orchester geschriebenen Konzert, das Johann Sebastian Bach als Werk für das Klavier populär machte.
Mit der Kurzgeschichte „Das Musikzimmer“ aus seinem 1999 erschienen Buch „Das Treffen im Schloss“ lieferte Wiechert vor der Pause eine kleine biografische Notiz zu seinem persönlichen Weg zur Musik während seiner Jugend in der damaligen frühen DDR und zugleich eine Überleitung zum eigenen literarischen Wirken.
Denn der zweite Teil des Salons bestand in der Uraufführung der Vertonung von sechs Gedichten des Wertheimer Autors, die Wolf komponiert hatte. Miranda-Martinez verstand es, den höchst unterschiedlichen Charakter der Lieder von moderner Dramatik bis zu jazzigen Anklängen zu interpretieren.
Nicht nur literarisch war der Salon dabei im 21. Jahrhundert angekommen, denn wo sonst alte Originalinstrumente und historische Aufführungspraxis die musikalischen Programme bestimmen, durfte Wolf am E-Piano begleiten.
Recht ungewöhnlich brach die „Abendstimmung“ mit den Jets über dem Wertheimer Himmel ab. Romantisch entrückt entfaltete die „Johannisnacht“ ihre Wirkung und fließend wirkte die „Klare Nacht“. Der Tempowechsel prägte das Lied „Nach der Sonnenfinsternis“. Mit diesem Gedicht hatte Wiechert 1999 den baden-württembergischen Lyrikpreis gewonnen.
Nach einer Erinnerung an „Sappho“ als der wichtigsten Lyrikern des klassischen Altertums klang der erste Literarisch-Musikalische Salon auf Schloss Homburg mit dem fast wie ein Jazz-Chanson klingenden Gedicht „Nachts“ angenehm und nachdenklich aus. Die Gäste bedachten die Premiere der neuen Reihe mit Applaus, die mit etwas mehr inhaltlicher Konzentration sicher ihre Freunde finden wird.