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BIRKENFELD / REMLINGEN
Der Absturz zweier Bomber
Im Jahr 1945 stießen zwischen Birkenfeld und Remlingen zwei Flugzeuge zusammen. Elf Menschen starben, drei gelten noch heute als vermisst. Kurt Schüll hat sich auf Spurensuche begeben.
Zwei Lancaster-Maschinen – hier ein Bild gleichen Flugzeugtyps – sind in der Nacht zum 13. Februar 1945 zwischen Remlingen und Birkenfeld abgestürzt.
Foto: REPRO: Günter Reinwarth | Zwei Lancaster-Maschinen – hier ein Bild gleichen Flugzeugtyps – sind in der Nacht zum 13. Februar 1945 zwischen Remlingen und Birkenfeld abgestürzt.
Günter Reinwarth
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:06 Uhr

Es geht mir gegen das Vergessen!“, sagt Kurt Schüll, wenn er sich auf Spurensuche nach Ereignissen begibt, die sich im Zweiten Weltkrieg in der Main-Spessart-Region zwischen Himmel und Erde abgespielt haben und die – warum auch immer – bislang nicht aufgeklärt werden konnten. Der frühere Oberschullehrer geht mit peniblem Forschergeist ans Werk. Konkret interessieren ihn ungeklärte Flugzeugabstürze und Vermisstenschicksale.

Derzeit beschäftigt er sich mit einem Unglück, das sich in der Nacht zum 13. Februar 1945, also kurz vor Kriegsende, ereignet hat. Zwischen Birkenfeld und Remlingen kollidierten in der Luft bei vermutlich schlechtem Wetter zwei viermotorige Bombenflugzeuge vom Typ Lancaster. Es gab elf Tote und drei Vermisste. Nur ein kanadischer Pilot konnte sich per Fallschirm retten. Bei dem Flugzeugführer handelte es sich um Flight Lieutenant Merle Omer Franklin Frederic. Er wurde verletzt, kam in deutsche Gefangenschaft und wurde nach dem Krieg in einem Hospital der US-Army weiterbehandelt. An Bord einer der Lancaster-Maschinen befand sich eine Mannschaft der englischen Royal Airforce, das zweite Flugzeug gehörte der Royal Canadian Airforce, also der kanadischen Luftwaffe.

Die Besatzungsmitglieder waren zwischen 19 und 31 Jahre alt.

Viele, die den Absturz damals miterlebt haben, sind längst gestorben. Dennoch hat Kurt Schüll in Remlingen mit Erich Wehr und Helmut Wehr und in Birkenfeld mit Adelbert Müller und Walter Lang vier Männer ausfindig gemacht, die noch etwas darüber wissen. Schüll erfuhr von ihnen, dass nach dem Unglück der größte Krater auf Remlinger Gemarkung entstand. Dieser war etwa sieben Meter breit und rund vier Meter tief. Er sehe heute noch einen Toten vor sich, der nur einige Meter von dem Trichter entfernt gelegen hat, sagt einer der beiden damals noch blutjungen Remlinger Jugendlichen. Ein anderes Besatzungsmitglied sei furchtbar zugerichtet gewesen, fast alle Gliedmaßen hätten gefehlt. Reste von größeren Metallteilen habe man nicht gesehen, erinnern sich Erich und Helmut Wehr. Allerdings habe man einen Flugzeugmotor rund einen Kilometer von dem Krater entfernt im Wald gefunden. Bei der Bergung seien auch belgische Zwangsarbeiter eingesetzt worden.

Die beiden Birkenfelder Zeugen haben laut Schüll fünf tote Flieger gesehen, die kaum äußerliche Verletzungen aufwiesen und nebeneinander am Rande eines Weges lagen. „Sie lagen da, als ob sie schliefen“, sagen Adelbert Müller und Walter Lang.

Kurt Schüll hat bei seinen Nachforschungen auch das Ziel der beiden Bomber herausgefunden. Die Maschinen sollten nicht Würzburg, wie zunächst vermutet worden war, sondern Dresden bombardieren. Die Stadt an der Elbe wurde zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 durch ein Flächenbombardement quasi dem Erdboden gleichgemacht, 25 000 Todesopfer waren zu beklagen. Die beiden Lancaster-Maschinen, die zwischen Birkenfeld und Remlingen abstürzten, sollten über Dresden Tonnen von Sprengbomben, Luftminen und Stabbrandbomben „abladen“.

Schüll hat aberhunderte Stunden geduldiger Nachforschungen benötigt, bis er mehr über den Flugzeugabsturz in Erfahrung und wenigstens etwas Licht in das Dunkel jener Februarnacht unweit von Marktheidenfeld bringen konnte.

Die gefunden toten Flieger aus den abgestürzten Lancasters wurden allesamt mit einem von Pferden gezogenen Leiterwagen von der weiträumig abgesperrten Unglücksstelle nach Remlingen gebracht und auf Anordnung der Militärbehörden auf dem dortigen Friedhof beigesetzt. Entsprechende Angaben finden sich auch in den Kirchenbüchern der evangelischen Pfarrei.
 

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Zwei Jahre später wurden elf Opfer exhumiert und anschließend auf dem Soldatenfriedhof in Dürnbach bei Gmund am Tegernsee, wo fast 3000 Kriegsteilnehmer aus zwölf Nationen, meistens Engländer, ruhen, nochmals beigesetzt. Die Namen der drei vermissten kanadischen Besatzungsmitglieder findet man heute in der Kriegsgräber-Gedächtnisstätte Runnymede in England.

Welche Motive begleiten Kurt Schüll, wenn er sich auf Spurensuche nach ungeklärten Vermisstenschicksalen begibt? Er möchte, dass so viele Kriegsopfer wie möglich nicht in Vergessenheit geraten. Immer wieder hat Schüll Briefe, zum Teil von Angehörigen, erhalten, in denen ihm für seine Aufklärungsarbeit gedankt wird. Mit besonderem Stolz erfüllt ihn ein Schreiben, das er von einem Enkel von Hugo Junkers, dem legendären Flugzeugkonstrukteur, erhalten hat.

Konkret spricht der Junkers-Enkel den Absturz eines Junkers-Postflugzeuges im Jahr 1932 in der Nähe der Spessart-Einöde Echterspfahl an.

Und noch etwas spornt den Marktheidenfelder an: Die Gemeinden Birkenfeld und Remlingen sollten seiner Bitte entsprechend an den Absturzstellen jeweils einen Gedenkstein als Erinnerung an jene Februarnacht aufstellen – ein wahrhaft löbliches Ansinnen des Marktheidenfelder „Aufklärers“.

 
 
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Kommentare
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  • hans.ursula.hoffmann@t-online.de
    Ein Glück, dass es uns gibt und dass wir sooo gut sind. Ich hätte für Herrn Schüll noch einige Adressen von Angehörigen von Verbrannten in Dresden und Würzburg, die sich bestimmt über ein Gedenksteinchen freuen werden.
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  • karky77
    Aber vielleicht hat es hunderten anderen Menschen das Leben gerettet, dass diese starben
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