„Wir sind sehr aufgeregt“, bekannten die Künstler Ronja Malick und Wolfgang Schmelz kurz vor Eröffnung der Ausstellung „Duplex“ im Alten Rathaus am Freitag. Es sind ihre Fotografien und Gemälde, die in der sechsten Präsentation der Kunst- und Fotogruppe des Betreuten Wohnens am Sommerberg großes Interesse und Begeisterung ernteten.
BKH-Verwaltungsdirektor Bernd Ruß sagte eingangs, der Name „Duplex“ lasse verschiedene Blickwinkel erahnen. Die Gruppe und ihr „Motor“ Klaus Werthmann seien „wild entschlossen“, die 2009 begonnene Reihe fortzusetzen. Diplom-Pädagoge Werthmann ist Abteilungsleiter des Betreuten Wohnens. Er ging auf die Bedeutung des lateinischen Wortes „Duplex“ ein: „Es steht für doppelt und bedeutet, dass alles im Leben gegensätzlich gesehen werden kann.“
Gegensätze tun sich äußerlich wie inhaltlich auf in den zehn Pop-Art-Schattenbilder von Wolfgang Schmelz und den zehn großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos, die je hälftig Malick und Schmelz ins Licht gesetzt haben. Die Gemälde zeigen Tiere, die Fotos bilden vom Menschen geschaffene Objekte ab. Werthmann erläuterte den Begriff „homo duplex“, den der französische Soziologe David Émilie Durkheim geprägt hat.
Junge Fotografin
Gegensätzlich sind auch die beiden Künstler. Die junge Ronja Malick, seit Dezember 2014 im Betreuten Wohnen, hat erst vor wenigen Wochen mit dem Fotografieren begonnen. Ihr Zyklus „Wasser“ deutet auf ein ungemein waches Auge der Fotografin hin. Entstanden ist ihre Bildreihe auf dem BKH-Gelände. Wasser als weiches Element besiegt mit Beharrlichkeit die Härte des Steins. „Dieses Bild lässt sich auch auf unsere Künstler übertragen“, so Werthmann. Wasser stehe für deren kreative Arbeit, der Stein für ihre seelische Erkrankung.
Wolfgang Schmelz ist ein „alter Hase“ in Sachen Kunst. In jungen Jahren machte er bereits Konzertfotos und wandte sich danach der Industriefotografie zu. Seit seinem elften Lebensjahr malt er. Seine Schattenbilder lehnen sich an die New Wave- und Punk-Bewegung der 1980er Jahre an. Schmelz' Werke (Acryl auf Leinwand) sind fragil und detailliert. Eigenen Worten zufolge arbeitet er so, wie er seine Umwelt wahrnimmt: Er sehe Farben, zerpflücke sie und konvertiere sie in Schwarz und Weiß. Der Kunstgruppe gehörte er seit Beginn an. Nun trennt er sich von ihr und wird von 16. bis 23. September 2016 in der neuen Kulturhalle in der Gärtnerstraße seine eigene Ausstellung präsentieren.
Werthmann zum Weggang des letzten Malers und unermüdlichen Schaffers der Gruppe: „Im Betreuten Wohnen haben wir das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe im Sinn.“ Schmelz sei ein hervorragendes Beispiel für Inklusion und damit dem Grundrecht der Eingliederung behinderter Menschen in den Alltag.
Auf den Begriff Inklusion ging auch Armin Grein, Vertreter des Bezirkstagspräsidenten Erwin Dotzel, ein. „Die heutige Vernissage ist ein wunderbares Beispiel für ihre Umsetzung.“ „Duplex“ passe hervorragend zu den Exponaten, in denen die Künstler dem Betrachter nicht nur die unterschiedlichen Seiten der Kunst vor Augen führten. „Wir werden konfrontiert mit Beobachtungen aus ihrem Alltag.“ Pablo Picasso habe es so ausgedrückt: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ Laut Grein wecken der Umgang mit Malerei und Fotografie das Selbstbewusstsein der Künstler. Ebenso trügen ihre Ausstellungen dazu bei, Ressentiments abzubauen.
Gefühle in Werke gebannt
Die Zweite Bürgermeisterin Christine Kohnle-Weis nannte die Präsentation eine „außergewöhnliche“. „Sie macht die Schönheit kleinster Teilchen sichtbar und fixiert die Gefühlswelt der Kunstschaffenden in ihren Werken.“ Begeistert von der Ausstellung zeigte sich auch Sebastian Born, Vorsitzender des Arbeitskreises Kunst in der Psychiatrie. Werner Hartmann, Leiter der Heime am Sommerberg, gestaltete die Vernissage musikalisch in Klasse-Manier. Ihn überraschte Schmelz mit einem Portrait von Nick Cave.
Die Ausstellung im Alten Rathaus ist bis 30. Mai zu sehen. Öffnungszeiten sind Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr und Montag bis Donnerstag von 13 bis 18 Uhr.