
Es ist eine Menge los auf den beiden Trainingsplätzen am Nägelsee-Zentrum in Lohr an diesem Donnerstag. Auf einem Platz wird das Passspiel trainiert, auf einem anderen der Torschuss. 55 junge Fußballer haben sich in der Klasse U 13 zur Jugendfördergemeinschaft Spessarttor zusammengeschlossen. Von denen tummelt sich ein großer Teil auf dem Rasen. „Sie sind alle mit Begeisterung dabei“, sagt Jugendkoordinator Fabio Martello.
Die jungen Fußballer kommen nicht nur aus Lohr. Sie kommen aus Wombach, Rodenbach, Neustadt, Sendelbach, Steinbach und Sackenbach. Da ihre Stammvereine alleine keine eigene Großfeldmannschaft in den Klassen U 13 bis U 19 aufstellen können, wurde vor einem Jahr die Jugendfördergemeinschaft (JFG) Spessarttor gegründet. „Und es funktioniert gut“, sagt Martello. Statt wie früher sechs Mannschaften gibt es nun nur noch vier, die werden aber besser gefördert. Die besten Fußballer dieses Jahrgangs haben in dieser Saison sogar den Meistertitel in der Kreisliga geholt und sind jetzt in die Bezirksoberliga aufgestiegen.
Die Fördergemeinschaften sind aus der Not geboren, sagt Karl-Heinz Hübner, der Vorsitzende des Bayerischen Landessportverband (BLSV) im Landkreis Main-Spessart, aber sie sind notwendig. Es gibt sie fast überall im Landkreis, die JFG Spessarttor gehört zu den größten. Mit den JFG reagieren die Vereine auf den Spielermangel beim Nachwuchs. „Ohne diese Zusammenschlüsse müssten viele Vereine ihren Spielbetrieb im Jugendbereich einstellen“, so Hübner.
Zwei gesellschaftliche Entwicklungen macht er dafür verantwortlich. Da ist zum einen der Geburtenrückgang. Es werden immer weniger Kinder geboren, infolgedessen gibt es auch weniger junge Fußballer. Zum anderen ist das Angebot für die Jugendlichen größer geworden. „Früher gab es in einem Ort nur den Fußballclub“, sagt Hübner. „Heute sind es mitunter zehn Vereine, die unterschiedliche Sportarten anbieten.“ Das ist aus Sicht von Hübner nichts Schlechtes, denn der BLSV ist der Dachverband für alle Vereine, die Sport anbieten. „Egal, wo Sport getrieben wird – wichtig ist, dass Sport getrieben wird“, sagt er.
Das Angebot ist dadurch breiter geworden, es gibt mehr Vereine. Dies beweist auch die Statistik der vergangenen 20 Jahre im Landkreis Main-Spessart. 1992 waren im BLSV 172 Vereine registriert, im Jahr 2012 sind es 204. Unter dem Zuwachs sind alleine zehn Jugendfördergemeinschaften. Auch die Mitgliederentwicklung ist positiv. Den 53 504 Mitgliedern im Jahr 1992 steht ein Zuwachs von 3500 Mitgliedern im Jahr 2012 gegenüber.
Eine erfreuliche Entwicklung also, doch Hübner warnt. Die Zahl der passiven Mitglieder ist größer geworden. Viele fühlen sich ihrem Verein nach der aktiven Zeit noch emotional verbunden. Da gibt man nicht so einfach den Mitgliedsausweis zurück. Er selbst war Gründungsmitglied bei der DJK Tiefenthal. Noch heute ist er Mitglied, weil er an dem Verein hängt, obwohl er das Sportangebot nicht mehr nutzt.
Sportarten kommen, andere gehen wieder. Beispiel Tennis: Was hatten Steffi Graf und Boris Becker für einen Boom ausgelöst, davon ist nichts übrig geblieben. Viele Tennisvereine kämpfen ums Überleben. Squash wird kaum mehr gespielt. Hingegen gewachsen sind Damengymnastikgruppen, Mutter-Kind-Turnen oder auch Jazztanz. Neuerdings wurde mit den Homburger „Steeäiseln“ sogar eine Showtanzgruppe in den BLSV aufgenommen. Der BLSV stellt sich breiter auf. Dies empfiehlt Hübner auch jedem Verein. Es müsse jedem Mitglied zwischen drei und 80 ein Angebot gemacht werden. Dies sei die richtige Strategie zum Überleben.
Seit 2003 ist der jetzt 66-jährige Hübner Vorsitzender des BLSV im Landkreis Main-Spessart, zugleich ist er stellvertretender Bezirksvorsitzender. Er mache es gerne, sagt er, auch wenn er fast jedes Wochenende im Einsatz ist. Im Sommer gibt es viele Jubiläumsfeste, bei dem von ihm ein Grußwort erwartet wird. Hübner sieht den BLSV als Dienstleister und kann sich auf die Unterstützung seiner Vorstandskollegen verlassen.
Erst im vergangenen Jahr wurde er für weitere fünf Jahre als Kreisvorsitzender wiedergewählt. In dieser Funktion muss er auch über Förderanträge beispielsweise für ein neues Sportheim entscheiden. Einen Antrag abgelehnt habe er bislang noch nicht. „Doch manchmal fällt die Zustimmung schwer“, sagt er, wenn er sich die sinkende Mitgliederentwicklung im aktiven Bereich bei manchen Vereinen ansieht.
Es ist eine gesellschaftliche Entwicklung, dass die Menschen sich weniger binden wollen. Dies macht auch vor den Sportvereinen nicht Halt. Viele hören auf oder werden durch die Ausbildung oder den Beruf woandershin verschlagen. So ist bei vielen die Nutzung eines Sportangebots bestenfalls ein Lebensabschnitt.
Eine Entwicklung, die auch bei der relativ großen JFG Spessarttor festzustellen ist. Gibt es in der U 13 noch vier Mannschaften, so sind es in der U 15 nur noch drei, in der U 17 nur zwei und in der U 19 nur noch eine Mannschaft, die für den Spielbetrieb gemeldet sind. Mit zunehmendem Alter wenden sich Jugendliche anderen Aktivitäten zu. Es gibt so viele Angebote.
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