Was macht ein Furnierwerk, wenn sich die Herstellung von Buchenfurnier nicht mehr lohnt? Beim Lohrer Säge- und Furnierwerk Mehling & Wiesmann hatten sie vor zehn Jahren, als die Preise im Keller waren, eine ungewöhnlich anmutende Idee für ihre noch vorhandenen Buchenstämme: „Dann graben wir sie halt ein“, habe man sich gesagt, erzählt Verkaufsleiter Kurt Siedler.
Gesagt, getan. Am Ende habe man einen richtigen „Grabhügel“ gehabt, erzählt Siedler. Doch die Stämme wollte man so nicht etwa loswerden, sondern es sollte ein Versuch sein. Die Idee dahinter: Von Pilzen befallenes Holz ergibt durch individuelle Muster und Farben ein ungleich wertvolleres Furnier. In der Natur ist solches Holz eher ein Zufallsfund. Beißen die Pilze an? Kann aus dem Haufen Totholz edles Furnier werden?
Man habe nach einem Jahr geschaut: nichts. Nach zwei Jahren: nichts. Nach drei Jahren: nichts. Nach dreieinhalb Jahren hätten sie sich gesagt: „Wir brauchen den Platz, der Haufen muss weg.“
Wieder wurde ein Stamm aufgesägt – und siehe da: Auf einmal hat es funktioniert, Pilze wie der Bunte Schmetterlingsporling, der Zunderschwamm und der Feuerschwamm hatten das Holz durch ihr Wirken gemustert.
Wie ein Trüffel oder Rorschachtest
Weil das Furnier ausschaute wie ein aufgeschnittener weißer Trüffel, der von unregelmäßigen schwarzen Linien durchzogen ist, kam Verkaufsleiter Siedler die Idee, das Holz „Trüffelbuche“ zu nennen. Die Muster, die durch diese „Demarkationslinien“ entstehen, durch die sich Ständerpilze untereinander abgrenzen, erinnern mitunter an den Rorschachtest mit Tintenkleksen, erst recht wenn man zwei Furnierstücke so nebeneinander legt, dass das Muster gespiegelt wirkt. Was erkennt man? „Stundenlang kann ich so ein Holzbild von einer Trüffelbuche anschauen, ohne dass mir langweilig wird“, sagt der studierte Forstwirt Siedler.
Er will den Ball etwas flach halten und betont, dass das Ganze keine Erfindung des Lohrer Furnierwerks ist, sondern eine „uralte Geschichte“. Das von Pilzen veränderte Holz ist aufgrund seiner möglichen Marmorierung auch als Marmorbuche bekannt, im Englischen als spalted wood. Siedler blättert in einem dicken Wälzer über das Färben von Holz und zeigt beispielsweise Holz, das durch den Grünspanbecherling natürlich grün gefärbt und von Kunstschreinern verarbeitet wurde. Er schätzt, dass es bei uns Zehntausende verschiedene Pilze gibt, die sich Holz schmecken lassen und es so verändern.
Design-Preis für das Pilz-Muster
Immerhin ein Prozent des Gesamtumsatzes von etwa neun Millionen Euro mache das Furnierwerk mit Furnier aus solchem Holz, sagt Firmenchef Richard Weis. 2016 hat sein Unternehmen dafür den Deutschen Design-Preis (German Design Award) gewonnen. Abnehmer sind vor allem mittelständische deutsche Möbelhersteller, die Möbel mit „individuellem Touch“ herstellen wollen. Ein großer Kunde ist ein japanischer Küchenhersteller, der mit dem besonderen Furnier Küchenoberflächen gestaltet.
Richard Weis zeigt auf dem Hof der Firma einen ziemlich erbarmungswürdig aussehenden Haufen von meist gespaltenen Buchenstämmen. Gras, Moos und Pilze wachsen an dem dunklen, feuchtglänzenden Holz und zersetzen und verändern es. Jede Menge Nashornkäferlarven tummelten sich dort. Was am Ende herauskomme, sei 70 Prozent „Blumenerde“, aber auch 30 Prozent Holz, aus dem dekorative Furniere hergestellt werden können.
Prozess nicht zu steuern
Die Pilze brauchen es kühl, aber nicht zu kühl, feucht, aber nicht zu feucht, erklärt Siedler. Ob sich der Prozesse irgendwie in eine gewünschte Richtung steuern lasse? „Der Pilz lässt sich nicht beeinflussen, wie er wächst“, sagt Weis. Man versuche aber, Stämme durch Sägemehl von pilzbefallenem Holz zu „impfen“. Geeignet für solche Prozesse, die Jahre dauern, sind laut Siedler vor allem helle Laubhölzer. Demnächst wolle eine Doktorandin untersuchen, welche Pilze konkret an so einer Trüffelbuche mitwirken. Für Mehling & Wiesmann könnte dies wertvolle Hinweise bringen, wie man den Prozess vielleicht doch etwas steuern könne.
Ob es klappt, zeigt sich richtig erst, wenn ein Stamm aufgeschnitten wird. „Es gibt immer wieder Überraschungen – im Negativen wie im Positiven.“ Letztlich müsse jedoch der Kunde entscheiden, was positiv und was negativ sei. Die Pilze machten aus dem Holz etwas Außergewöhnliches und erweiterten für Furnier- und Möbelhersteller die Vielfalt. Gerade Mehling & Wiesmann am Hochlohnstandort Lohr sei auf exklusive und besondere Hölzer angewiesen, um mit ausländischer Billigkonkurrenz mithalten zu können.
Totholz ist nicht tot
Für das Furnierwerk ist Totholz mehr als totes Holz. Siedler sagt, dass er für Naturschutz ist, auch für mehr Totholz im Wald. Er würde aber, weil sich daraus besonderes Furnier ergibt, gern auch mehr Totholz verarbeiten. Jüngst präsentierte Mehling & Wiesmann seine Trüffelbuche auf der Mainfrankenmesse in Würzburg.