Reichlich Bauschutt fällt derzeit in Zellingen an: Die ehemalige Diskothek „Savoy“ wird abgerissen. Ein Bagger der Firma Haaf aus Gaubüttelbrunn macht kurzen Prozess. Mit einem hydraulischen Schnellwechselsystem lassen sich Meißel, Betonbeißzange, Sortiergreifer, Beton-Pulverisierer und natürlich Baggerlöffel schnell an- und abmontieren. Bis Ende kommender Woche soll das Gebäude in seine Fraktionen zerlegt sein, hauptsächlich Beton und Baustahl.
Die Gemeinde Zellingen hat das 9000 Quadratmeter große Areal gekauft, nachdem jahrelang ungeklärt war, wie es damit weitergehen könnte. Am 4. November 1997 war das „Savoy“ ausgebrannt. Noch heuer im Februar hatte ein Interessent eine Änderung des Bebauungsplanes beantragt, um in dem Gebäude türkische Hochzeiten zu feiern. Das jedoch hatte der Gemeinderat mit 17:2 Stimmen abgelehnt.
Jahrelange Verhandlungen
Der Eigentümer Yakup Aksoy und die Gemeinde standen schon etliche Jahre in Kaufverhandlungen. Doch war man sich beim Preis nie einig geworden. Aksoy schwebte ein Kaufpreis von 400 000 Euro vor. Für wie viel das Areal jetzt den Eigentümer gewechselt hat, könne er ohne eigenen Gemeinderatsbeschluss nicht sagen, erklärt Bürgermeister Wieland Gsell. Er freut sich aber, dass er in der Verhandlung mit Aksoy erreichen konnte, dass das Gelände Ende Mai „sauber“ übergeben wird, also nach dem Abriss der Diskothek. Gut informierte Kreise sprechen von einem Kaufpreis, der sich um die Hälfte der ursprünglich von Aksoy angestrebten Summe bewegt.
Standort für eine neue Halle?
Was die Gemeinde nun mit dem Grundstück machen wird, ist nicht entschieden. „Das ist Sache des neuen Gemeinderats“, so Gsell. Allzu vielfältig sind die Möglichkeiten, die sich anbieten, allerdings nicht. Bekanntlich entspricht die Friedrich-Günther-Halle in mehrfacher Hinsicht nicht mehr dem Bedarf an eine Veranstaltungshalle für Zellingen. Unter anderem liegt sie mitten im Wohngebiet.
So könnte die Gemeinde auf dem „Savoy“-Gelände eine neue Halle errichten. Durch die Nähe des Freibads und weil die Grundstücke dazwischen bereits der Gemeinde gehören, wäre eine Kombination beider Einrichtungen mit einem Blockheizkraftwerk denkbar. Im Winter würde die Abwärme die Halle, im Sommer das Badewasser erwärmen. Oder aber die Fläche wird Gewerbegebiet. Eine dritte Möglichkeit wäre ein Freizeitgelände.
Erbaut wurde die Diskothek um 1975/76 von Günther und Erich Schramm als Zellinger Tanzcenter. Bald erhielt der Betonbau den Spitznamen „Bunker“. Jedes Wochenende spielten Bands. Während der Woche wurden Platten aufgelegt. Die Familie Schramm hatte eine Metzgerei mit Gasthof und Saal in Rossach zwischen Bamberg und Coburg. Dort florierten die Tanzveranstaltungen. Das Gebäude in Zellingen wurde zum zweiten Projekt.
Die Schramms expandierten und eröffneten bundesweit schätzungsweise gut 20 andere neue Diskotheken, so in Haßfurt, Garmisch-Partenkirchen, Wasserburg, Fulda, Dortmund und Göttingen und auch das einstige Karlstadter „Tropic“ im Gebäude des heutigen Toom-Getränkemarkts in der Würzburger Straße.
Hofbräuball
Das Zellinger Tanzcenter wurde 1979 an den Würzburger Immobilienkaufmann Ulrich Meyer verkauft. Er soll dafür eine eine bedeutende Summe geboten haben. Teilweise fanden gehobene Tanzveranstaltungen wie zum Beispiel der Hofbräuball statt.
Von dem wiederum kauften es 1984 die Brüder Yakup und Ishak Aksoy. Sie betrieben es zwei Jahre lang selbst. Das Tanzlokal wurde mehr und mehr zur Diskothek. Die Familie Aksoy verpachtete das Gebäude an Herrn Schwabenfleiß, der das Lokal in „Mic Mag“ umbenannte. 1989 wurde das Lokal geschlossen.
1993 taufte Pächter Eugen Hillenbrand das Tanzcenter um in „Savoy“ und bot seinen Gästen sogenannten Erlebnisgastronomie. Das Lokal erlebte noch einmal einen Höhenflug.
1995 übernahm ein neuer Pächter die Disco – bis zu dem Brand am 4. November 1997. Die genauen Hintergründe wurden nie geklärt. Offenbar war eingebrochen worden. Zwei Benzinkanister wurden gefunden. Die Staatsanwalt ermittelte gegen den damaligen Pächter und Betreiber wegen mutmaßlicher Brandstiftung. Die Große Strafkammer Würzburg wies 2000 ein Verfahren mangels Beweisen ab.
Die Gasbetondecke war bei dem Brand in Mitleidenschaft gezogen worden, während die Stahlbetonstützen und die Stahlbetonbinder, die das Dach tragen, statisch zumindest 2002 noch in Ordnung waren. 2004 strebte Aksoy einen Neuanfang an. Doch der Gemeinderat Zellingen lehnte damals den Bauantrag ab, weil die Planung keine Angaben zu Brandschutz, Fluchtwegen und ausreichend Parkplätzen machte.
Der Zustand des Gebäudes verschlechterte sich mehr und mehr. Im Winter 2011/12 entdeckte der Zirkus „Henry“ das Gebäude als Quartier und zog kurzerhand für drei Monate hier ein. Selbst ein Kamel wurde in der ehemaligen Diskothek geboren.