
(wfe) Die Scherenburgfestspiele 2011 sind erfolgreich beendet. Schon werden Pläne für die Aufführungen im nächsten Jahr geschmiedet. Vor 100 Jahren war das nicht so. Am 20. August 1911 wurde in einer Vormittagsvorstellung zum letzten Mal das „Schlüsselfräulein“ auf der Scherenburg gespielt. Damit war aber nicht nur die Spielzeit 1911 beendet, sondern nach drei Jahren auch unverhofft das Ende der ersten Scherenburgfestspiele (1909 – 1911) gekommen. Über das plötzliche Ende und die Hintergründe dazu wird bis heute spekuliert.
Dabei hatte es 1909 mit Elan und Begeisterung in einer wahren Aufbruchsstimmung begonnen, wie aus den Programmheften im Stadtarchiv für die drei Spieljahre zu erfahren ist. Der Schriftsteller Konrad Wagner aus Würzburg hatte nach einer alten Sage seinen „historischen Roman“ vom Gemündener „Schlüssel-Fräulein“ geschrieben. Der „bühnengewandte“ Schauspieler Rudolf Girard, den es nach Gemünden verschlagen hatte, nahm sich liebevoll des Textes an, „indem er ihn mit Geschick dramatisierte.“ So entstand das „romantische Schauspiel“, das seit 1909 „in den zum Musentempel umgewandelten Ruinen des Gemündener Schlosses zur Aufführung kommt.“
Ein Werk aller Bürger
Schon jahrelang hatte man sich mit diesem Gedanken beschäftigt, bis es schließlich Bürgermeister Otto Christin gelang, „der im Interesse seiner Stadt mit Eifer und Geschick tätig war, das Vorhaben zu verwirklichen, nachdem sich die Bürgerschaft mit einstimmiger Begeisterung für das Werk erklärt hatte.“ Von allen Seiten kam Hilfe und Unterstützung, wodurch „ein Werk des ganzen Gemündener Volkes entstand.“
Die damalige Besitzerin des Burggeländes, die Arztwitwe Hartmann, gab ihre Einwilligung dazu, dass in den Ruinen die Bühne und 800 Zuschauerplätze eingebaut wurden. Die prächtigen Bühnendekorationen entstanden im Atelier des Theatermalers Dreher in Würzburg. Die stilgerechten Kostüme wurden in Düsseldorf gefertigt. Die Spielleitung übernahm der frühere Theaterdirektor Josef Matthes in Würzburg. Die Mitwirkenden waren ausschließlich Töchter und Söhne aus Beamten- und Bürgerkreisen Gemündens, „die sich für das gemeinnützige Unternehmen begeistern und aus Liebe zu ihrer Vaterstadt und deren Bewohnern in selbstloser Weise der schwierigen Aufgabe unterziehen.“
Eine große Leistung war, zu jeder Theateraufführung einen historischen Festzug mit 300 Mitwirkenden auf die Beine zu stellen. Angeführt vom Herold und Fanfarenbläsern zu Pferde bewegte sich dieser von Kleingemünden über die Saalebrücke durch die Stadt hinauf zur Burg. Dem Wagen der „Gemunda“ folgten die Wagen mit den Rittern, den Ritterfrauen und den Saalenixen.
Zu Fuß kamen mit ihren Jagdtrophäen geschmückte Jäger und Jägersfrauen. Ritter, Reisige und Volk schlossen sich an. Dem Musikkorps folgten die zwölf Gewerbezünfte mit ihren alten Zunftzeichen auf Wagen und zu Fuß. Kriegs- und Bauernvolk beschloss den Zug.
Die Aufführungen 1909 brachten einen „vollen künstlerischen Erfolg und das einstimmige Lob aller Festspielbesucher.“ 1910 besuchten Großfürst Michael Paul aus Russland und Fürst von Thurn und Taxis eine Vorstellung und äußerten sich „in höchst anerkennenden Worten.“ Auch aus Frankreich, England, Norwegen, Schweden, Dänemark und Amerika seien Besucher gekommen. Dies deutete man als Beweis, „dass sich das Gute Bahn gebrochen hat und von Dauer ist“.
1911 gab es Aufführungen am 4. und 5. Juni (Pfingsten) und am 13. August (14.30 Uhr Festzug, 16 Uhr Vorstellung). Etwas Besonderes waren die beiden Abendvorstellungen „bei elektrischer Beleuchtung“ am 10. und 23. Juli (20 Uhr). Die letzte Vorstellung am 20. August (11.30 Uhr) endete mit dem Festzug (14.30 Uhr) und dem anschließenden Volksfest auf dem Festplatz.
Hoher finanzieller Aufwand
Die Eintrittspreise erscheinen heute mit 3,2 und 1911 einer Mark als gemäßigt. Der Stundenlohn betrug damals aber nur 25 bis 40 Pfennig. Von Anfang an deckten die Einnahmen den hohen finanziellen Aufwand für das aufwendige Bühnenbild, die wertvollen Kostüme und die professionellen Mitarbeiter nicht. 1911 scheiterten die Festspiele an den hohen Kosten und den Schwierigkeiten der Finanzierung.
Am verbleibenden Schuldenberg hatten die Stadt und einzelne Mitglieder des Festspielvereins noch lange zu knabbern. Erst 80 Jahre später gab es unter Bürgermeister Hans Michelbach wieder einen neuen Anlauf zu „Scherenburgfestspielen“.