
Am Radweg entlang der Wern in Gössenheim, im ehemaligen Bahnwärterhäuschen, hat Marlene Heinickel bis zu ihrem Tod im März 2018 das Kaffeekannen-Museum mit angeschlossenem Café betrieben. Danach übernahmen für rund drei Jahre ihr Sohn Siegfried Geulich mit seiner Frau Rosemarie. "Meine Frau und ich haben das in ihrem Sinne weitergeführt", erzählt der 73-jährige Kürnacher. Noch findet sich das Museum auf Übersichtsseiten, aber inzwischen richten sie nur noch Privatfeiern aus.
"Es wurde schon angenommen, aber der Aufwand war sehr, sehr groß", erzählt Geulich. So mussten sie sonntags von Kürnach, wo sie wohnen und wo auch seine Mutter herstammte, nach Gössenheim fahren, frische Blumen und Kuchen kaufen, die Kannen regelmäßig reinigen. "Die können sie ja nicht reinstellen und Publikumsverkehr haben und das Zeug ist nicht sauber." Betriebswirtschaftlich rechne sich das nicht, eine Förderung oder dergleichen habe es nicht gegeben, "dann kam noch Corona dazwischen". Die Geulichs reduzierten nach und nach, schließlich ließen sie die Türen zu. Seit ein paar Jahren wohnt ihr Sohn in dem Haus.
Vor allem Radfahrer waren Gäste und wollten Kaffee und Kuchen
"Das war ihre Leidenschaft, das hat sie jung gehalten", sagt Siegfried Geulich über seine Mutter Marlene. "Viele waren begeistert", erzählt der Kürnacher. Vor allem Radfahrer, darunter viele Stammgäste, kamen und wollten Kaffee und Kuchen – "ältere Damen meist, die waren begeistert von dem Porzellan".
Er habe seine Mutter am Ende regelmäßig betreut und gepflegt. Nach ihrem Tod war er mit seiner Frau sonntags von früh um 9 bis abends um 19 Uhr unterwegs. In der ersten Zeit haben sie selber Kuchen gebacken, später kauften sie beim Aschfelder Bäcker, der extra noch am Sonntag für sie backte, Kuchen. "Wir haben es gerne gemacht." Seine Frau las sich Wissen über Porzellan an und gab Mundartgedichte der Grombühler Dichterin Elisabeth Scheuring wieder. "Mittlerweile ist das Porzellan nicht mehr so gefragt." Früher seien die Kannen auch ein materieller Wert gewesen, aber heute sei es nur noch ein ideeller.
Ein Teil der Kannen wurde verschenkt, ein Teil verkauft, viele sind noch da
Bilder vom Museum zeigen Kannen an den Wänden und an der Decke. "Es waren mal 7000 Kannen, mittlerweile haben wir es reduziert", sagt Geulich. Sozialkaufhäuser haben einen Teil bekommen, ein Teil wurde verkauft. "Jetzt haben wir immer noch ein paar Tausend." Ein Teil der Räumlichkeiten wurde auch zurückgebaut.
Seine Mutter, geborene Marzelina Gehring, war eine gebürtige Kürnacherin. Als sie seinen Vater, einen Eisenbahner, heiratete, zog sie nach Würzburg, wo Siegfried und seine beiden Schwestern aufwuchsen. Als der Vater starb, heiratete die Mutter mit Fritz Heinickel ein zweites Mal, erzählt Geulich. Mit ihrem zweiten Mann arbeitete sie ab 1975 als Hausmeisterin bei der Studentenverbindung Cheruscia in Würzburg.
Marlene Heinickel betrieb erst die Gaststätte im Sängerheim
Nach dem Ruhestand wollten sie etwas Eigenes schaffen, hatten aber nicht viel Geld. Also kauften sie 1987 das Häuschen in Gössenheim. Die Mutter war immer schon in der Gastronomie tätig und führte zunächst die Gaststätte im Sängerheim in Sachsenheim und unterstützte eine private Pflegeeinrichtung mit Essen auf Rädern. Damals entdeckte sie auch ihre Leidenschaft für Kaffeekannen. Ihre ersten Stücke hatte sie von ihrer Mutter. Sein Stiefvater baute irgendwann eine Garage. "Dann musste mein Stiefvater urplötzlich die Garage räumen und sie hat angefangen, dort Kaffeekannen auszustellen. Das ist dann immer mehr geworden." Sie bauten an und um. Insgesamt gab es am Ende vier Ausstellungsräume.
Marlene Heinickel kaufte Kannen auf Flohmärkten und ließ sich welche schenken. Sie hatte Kannen ab der Biedermeierzeit. "Sie wusste über jede Kaffeekanne eine Geschichte zu erzählen", sagt ihr Sohn. Mit viel Idealismus habe sie das private Museum betrieben, sei auch dreimal im Bayerischen Rundfunk zu sehen gewesen. "Leute sind auch gekommen, wenn sie nicht geöffnet hatte: Marlene, erzähl emal e weng." Kommunikation habe "ihrer Seele gut getan", sie war ja allein. Ihr zweiter Mann war schon 1997 gestorben.
Zu ihrer Beerdigung kam eine Abordnung der Würzburger Studentenverbindung Cheruscia
"Meine Mutter war wirklich ein Original", sagt Geulich. Sie backte natürlich alle Kuchen selber. "Es war einfach schön bei ihr da unten." Die Cherusker hielten ihr bis zum Schluss die Treue. Professor Wolfgang Weiß, ein Würzburger Kirchenhistoriker, habe sogar auf der Beerdigung in Sachsenheim, wo eine Cheruskerabordnung Spalier stand, eine Rede gehalten. "Die Studenten hat sie über alles geliebt. Die Studenten und die Kaffeekannen, das war ihr Leben."
Unterstützt wurde sie von ihrer Jugendfreundin Elfriede Schäfer aus Veitshöchheim, Jahrgang 1926, die in Adelsberg aufgewachsen war. Auch den Geulichs, als die das "Kaffeekännchen" übernahmen, gab sie später noch Ratschläge, besuchte und freute sich, dass sie es weiterbetrieben. Siggi Geulich und seine Frau hatten alles gelassen, wie es war, und von Mai bis September Sonntag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Ihre Tochter half ihnen mit dem Café.
Bedauern in Gössenheim über die Schließung des Museums mit Café
Gössenheims Bürgermeister Klaus Schäfer bedauert, dass es das Kaffeekannen-Museum mit Einkehrmöglichkeit nicht mehr gibt. Den Schoppenfranz gibt es auch nicht mehr. "Das Einzige, was wir noch haben, ist das Sportheim." Das öffne der FC an gewissen Tagen, auf der Internetseite des FC steht, dass ein Pächter gesucht werde. Die Heckenwirtschaft Hack gebe es noch, ansonsten immerhin die Sängerheim-Gaststätte im Ortsteil Sachsenheim.
"Wir halten das, was wir noch haben, in Ehren", sagt Siggi Geulich über das Erbe der Mutter. Er schätzt, dass sie noch etwa 4000 Kannen haben.