
Vor 20 Jahren erlebte Karlstadt sein bisher größtes Theaterereignis: Zur 800-Jahr-Feier der Stadt führte die örtliche Theatergruppe den "Jedermann" auf einer 200 Quadratmeter großen Bühne auf dem Karlstadter Marktplatz auf. Die elf Aufführungen von 2. bis 12. Juni 2000 lockten insgesamt rund 8000 Besucher an. Hauptdarsteller Werner Hofmann erinnert sich.
"Wir hatten die Idee, zum Stadtjubiläum etwas Besonderes auf die Beine zu stellen", erzählt der 66-Jährige. Gerlinde Heßler, Mitglied der Theatergruppe, wusste, dass "Jedermann" schon 1952 einmal auf dem Karlstadter Marktplatz aufgeführt wurde. Das allegorische Stück von Hugo von Hoffmannsthal erzählt die Geschichte eines reichen Mannes, den der Tod zu sich ruft. Keiner seiner Freunde will den Jedermann begleiten. Erst als er sich Gott zuwendet, erweist dieser ihm seine Gnade.
Anspruchsvoller Stoff und Regisseur
"Für uns war das komplett neu", so Hofmann. "Bis dahin hatten wir nur Komödien aufgeführt." Dieses Stück aber, komplett in Reimform geschrieben, "war schon schwierig zu lesen". Doch die Theatergruppe war ambitioniert. Hofmann wollte selbst die Hauptrolle übernehmen, also musste jemand anders Regie führen. Jurek Makarowski war gerade als Ballettmeister des Würzburger Stadttheaters in den Vorruhestand getreten und stand als Regisseur zur Verfügung.

"Er hat das Theater in Körpersprache umgesetzt. Für uns als Laiendarsteller war das völlig neu", so Hofmann. Ein Beispiel für Makarowskis Ideen: "Am Anfang des Stücks streiten Tod und Teufel um Jedermanns Seele. Ich musste mich zwanzigmal im vollen Kostüm auf die Bühne werfen und wieder aufstehen. Da war ich körperlich schon zu Beginn der etwa zweieinhalbstündigen Aufführung völlig verausgabt."
Trotzdem begann das Stück während der ausführlichen Probenarbeit, Gestalt anzunehmen. Die Schauspieler fanden in ihre Rollen, die Aussage des Klassikers gewann an Kontur. "Wir haben acht Wochen lang in einem alten Möbelhaus geprobt", so Hofmann. "Meine Tage bestanden aus vier Stunden Probe und vier Stunden Text lernen." Dazu kam noch die große organisatorische Herausforderung.
Großer Aufwand, großes Risiko
"Kostüme bekamen wir vom Würzburger Stadttheater. Das Bühnenbild entwarf Jureks Freund Max Burger. Die Bühne bauten wir selbst." Es gab eine Menge von Auflagen zu erfüllen, eine Tribüne für 800 Besucher wurde organisiert, der Marktplatz abgesperrt. "Wir kamen auf Produktionskosten im sechsstelligen D-Mark-Bereich. Für einen Verein mit 30 Personen war das ein großes Wagnis." Die Stadt erklärte sich bereit, bei Verlust einzuspringen, aber eine genaue Höhe der Bürgschaft wurde nicht festgelegt.
"Wir haben es trotzdem durchgezogen", sagt Hofmann. "Ich weiß nicht, ob das heute noch so möglich wäre." Der Aufwand war erheblich. Der Kirchenchor unter Leitung von Manfred Goldkuhle sang bei jeder Aufführung live im Historischen Rathaus; der Sound wurde nach draußen übertragen.
Letztlich ging alles gut. Die elf Aufführungen waren ausverkauft, das Stück ein großer Erfolg. "Nur am letzten Abend hat's so stark geregnet, da ist der Jedermann nicht mehr gestorben", erzählt Hofmann lachend. "Die Erfahrung hat die gesamte Theatergruppe grundlegend verändert und jeden besser gemacht." Zudem erwirtschaftete die Gruppe einen ordentlichen Gewinn, der für die Sanierung des Theaters in der Gerbergasse verwendet wurde. Mit der Rückkehr zu unterhaltsamen Stücken und Boulevard-Komödien avancierte das Theater in den vergangenen 20 Jahren zum Erfolg.
Film kommt ins Kino

Weil die Theatergruppe noch immer Geld auf der hohen Kante hat, ist die derzeitige Corona-Pause nicht existenzbedrohend. "Natürlich habe ich viele Auftritte und Einnahmen verloren", gibt Hofmann zu. "Aber ich habe zurzeit keine Termine, keinen Stress, keinen Druck. Das ist ganz neu für mich." Er habe viel Zeit zum Malen und zum Lesen von Stücken, die für die Theatergruppe in Frage kommen. Auch das könne er in Ruhe tun, da das Programm für 2021 steht: "Die Pläne für 2020 wurden um ein Jahr verschoben."
Doch auf den Herbst freut sich Hofmann: "Die Jedermann-Aufführung von 2000 wurde aufgenommen. Wir wollen den Film zum Jubiläum in den Burg-Lichtspielen in Mühlbach zeigen." Termin und Anzahl der Vorstellungen stehen noch nicht fest. Im Herbst werde es voraussichtlich möglich sein, die Karlstadter Version des Jedermann auf der Leinwand zu sehen. Karlstadts großes Theaterereignis kommt ins Kino.