Eine Virtuosin der schwarzen und weißen Tasten präsentierte am Freitagabend im Alten Rathaus die reiche Farbpalette romantischer Klavierliteratur: Nini Funke zeichnete ein musikalisches Porträt der Romantiker Schubert, Liszt, Brahms, Grieg und Mussorgski.
Man hätte der aus Wien angereisten Finalistin und Preisträgerin nationaler und internationaler Klavierwettbewerbe ein größeres Publikum gewünscht. Vermutlich sorgte aber gerade der kleine Kreis für die intensive Stimmungslage des Klavierabends, an dem Nini Funke auf jegliches Notenmaterial verzichtete.
Sensibel für die Seelenzustände der Komponisten, ließ Funkes transparente Spieltechnik nie den Charakter der Werke vergessen. Kurz: Die Meisterkursschülerin spielt keine Noten, sondern Emotionen. Wohl ganz im Sinne des österreichischen Spätromantikers Gustav Mahler, der überzeugt war: „Das Beste der Musik steht nicht in den Noten.“
Bereits zum Auftakt ließ Schuberts „Sonate A-Dur D 664“ (Allegro moderato, Andante, Allegro) erahnen, auf welch hohem Niveau musiziert wird. Dunkle Klangfantasien und fließende Harmonien bestimmten die Atmosphäre. Schwärmerische Reiseerlebnisse an den Vierwaldstädter See zauberte Nini Funke in Franz Liszts feierlicher „Kapelle des Wilhelm Tell“ aus Années de Pelerinage de la Suisse vor das geistige Auge. Dramatik pur und raumgreifende Spannung kennzeichnete das „Vatermordgeständnis“ der schottischen „Edward-Ballade“ von Johannes Brahms.
Energiegeladener Rhythmus und verträumte Klänge erweckten vier lyrische Stücke des Norwegers Edvard Grieg zum Leben: Das Publikum war zu Gast beim „Hochzeitstag auf Troldhaugen“, genoss die Poesie von „Nocturne“ oder folgte dem flinken „Zug der Zwerge“. Und was hätte zur frostigen Jahreszeit besser gepasst als Griegs Hommage „An den Frühling“? Sehnsuchtsvoll ließ Nini Funke den Spannungsbogen vom leisen Frühlingserwachen bis zur Explosion der Blütenknospen spüren.
Im zweiten Teil vertonte die Pianistin den vollständigen Zyklus der berühmten „Bilder einer Ausstellung“ des russischen Klangpoeten Modest Mussorgski. Inspiriert wurde der Komponist durch die Ausstellung seines verstorbenen Malerfreundes Victor Hartmann. Fantasievoll und lebendig erweckte Nini Funke das „Ballett der Küklein in ihren Eierschalen“ zum Leben, spazierte mit den Zuhörern über die „Promenade“ zum „Marktplatz von Limoges“ und ließ überaus reizvoll hinter das gigantische „Große Tor von Kiew“ blicken. Ganz im Spiel versunken, präzise und schnörkellos, meisterte die Künstlerin den technisch hohen Schwierigkeitsgrad der zahlreichen Lagenwechsel mit Bravour. Nach knapp zwei Stunden holte wohlverdienter Applaus Nini Funke auf die Bühne zurück. „Es ist sehr schwer, an ein so großes Werk etwas anzuhängen“, meinte sie nach kurzer Atempause, freute sich über das Präsent von Kulturamtsleiter Peter Häring und belohnte die Sympathiebezeugungen mit dem Portrait der anmutigen „Tänzerinnen von Delphi“ aus den „Préludes Premier Livre“(Claude Debussy).