Einen vergnüglichen Kabarettabend mit Werken von Otto Reutter bot Jan Burdinski auf der Kleinkunstbühne in der ehemaligen Synagoge Wiesenfeld. Zu dem provokanten Motto der Veranstaltung "Ich habe zu viel Angst vor meiner Frau" spannte der Künstler seine rund 100 Gäste bis zum Schluss auf die Folter. Die Kleinkunstbühne Wiesenfeld erlebte vor genau 13 Jahren am 26. November 2005 ebenfalls mit einem Otto-Reutter-Abend "Mir ham se als jeheilt entlassen" ihre Premiere, damals gestaltet von "Trio 99" mit Jan Burdinski als Rezitator.
Burdinski stellte in seinem Soloprogramm Verbindungen zwischen dem Leben Otto Reutters und seinem künstlerischen Werk her. "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß", steht für eine anfangs eher unpolitische Einstellung Reutters. "Alles wegn de Leut", "Der Blusenkauf", "Mit der Uhr in der Hand" oder "Zwanzig Jahre später" waren Evergreens, die Burdinski in unnachahmlicher Art seinen Zuhörern darbot. Selbst begleitet auf dem Akkordeon oder der Gitarre erklangen die Chansons in musikalisch teilweise erneuerter Fassung. "Die echte deutsche Gründlichkeit" als Hymnus auf den Bürokratismus, kleidete Burdinski in einen Rap, das Chanson "Keiner fängt an" unterlegte er mit einem Blues.
Aus Hunderten erhaltenen Couplets, Chansons und Gedichten Reutters wählte Burdinski Gedanken zum Altern aus wie "Willste alt werden", "Nehm Se´n Alten" oder "Ich kann das Tempo nicht vertragen" und auch Gedanken zum Tod wie "Bevor du sterbst". Hoch amüsant waren die Anmerkungen zum Loreley-Lied, die Burdinski von zehn Landsleuten in unterschiedlichen Dialekten gepaart mit typischen Lebenseinstellungen vortrug.
Der Schauspieler und Regisseur Jan Burdinski, künstlerischer Leiter des Fränkischen Theatersommers in Oberfranken, beschäftigt sich rezitatorisch und musikalisch mit Lyrikinterpretationen diverser Künstler. Mit seiner Hommage an einen der ganz Großen der Kleinkunstbühnen, Otto Reutter, schafften es der Künstler, die teils 100 Jahre alten Texte den Zuhörern frisch und lebendig nahe zu bringen. In stets vergnüglichem Tonfall schilderte Burdinski in Reutters Couplets menschliche Torheiten und Misslichkeiten, die das Publikum - damals wie heute - ergötzten und amüsierten. Emotional, aber doch gleichzeitig ironisch distanziert rezitierte Burdinski die Couplets. Er agierte frei und ohne Konzept und sprach seine Zuhörer direkt an. Das Gedicht des verängstigten Ehemannes, grandios vorgetragen, brachte Burdinski als späten Höhepunkt seines Programms. Hatte er möglicherweise Bedenken, Gäste könnten empört den Saal verlassen?
Den Varietee-Künstlers Otto Reutter (1870 bis 1931) ließ Burdinski sich selbst in Gedichtform vorstellen: "Wollte zum Theater, Krach mit dem Vater. Kaufmann gelernt, heimlich entfernt". In den 1920er Jahren trat Otto Reutter mit jenen heute noch bekannten Couplets vor allem im Wintergarten in Berlin auf und feierte große Erfolge.
Veranstalter des Abends waren der Gesangverein Liederkranz und der CSU-Ortsverband Wiesenfeld/Rohrbach. Freundschaftlich war der Künstler in Wiesenfeld aufgenommen, und die Besucher geizten nicht mit Applaus.