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MARKTHEIDENFELD
Couchsurfing ist ein Geben und Nehmen
Couchsurfer bieten anderen einen Schlafplatz auf ihrem Sofa an: Unser Beispielbild zeigt die beiden Studentinnen und Couchsurferinnen Maren Goll und Alexandra Voivozeanu (links) in Frankfurt (Oder) mitten auf einer Straße auf einer Couch. Die verrückte Gemeinschaft ist inzwischen weltweit vertreten.
Foto: Robert Schlesinger/DPA | Couchsurfer bieten anderen einen Schlafplatz auf ihrem Sofa an: Unser Beispielbild zeigt die beiden Studentinnen und Couchsurferinnen Maren Goll und Alexandra Voivozeanu (links) in Frankfurt (Oder) mitten auf einer ...
dfi
 |  aktualisiert: 27.03.2014 15:51 Uhr

Es ist ein Tag Anfang Februar, die Temperaturen klettern nur auf knapp über null Grad. Zum Glück regnet es nicht. Eine 19-Jährige aus Nürnberg wandert mit Rucksack bepackt alleine quer durch den Spessart in Richtung Marktheidenfeld. Bei Schollbrunn gibt sie erschöpft auf – sie hat die Tagesetappe überschätzt. Vom Handy aus ruft sie die gleichaltrige Deborah Brod aus Lengfurt an. Obwohl sich die beiden jungen Frauen noch nie gesehen haben, nimmt Brod die Studentin für eine Nacht auf.

Mit Hilfe des Internetportals „Couchsurfing.de“ hat die junge Frau ihre Wanderroute von Frankfurt in die Heimat geplant und ist auf Brod gestoßen. Diese bietet dort ihr Gästebett für Reisende an. Weltweit gibt es Menschen, die unbekannte Gäste beherbergen – das ist wesentlich günstiger und persönlicher als im Hotel. Das Couchsurfing-Prinzip beruht auf dem gegenseitigen Geben und Nehmen: Wer selbst bei Fremden übernachtet, sollte seine Couch auch anderen zur Verfügung stellen.

Weiches Bett statt harter Couch

„Ich habe mich wahnsinnig über diese erste Couchanfrage gefreut“, sagt Brod. Ihre neue Bekannte hatte mit Tagesetappen von ungefähr 40 Kilometern gerechnet. „Das ist zu viel für jemanden, der nicht ständig trainiert“, so Brod. „Ich wäre auch noch viel weiter gefahren um sie abzuholen“. Sie nahm sich viel Zeit für ihren Besuch. Die jungen Frauen waren gemeinsam Essen und Bummeln in Marktheidenfeld; der Gast durfte in Brods gemütlichem Bett schlafen anstatt auf der harten Couch und am nächsten Tag fuhr sie sie sogar nach Würzburg. „Wir hatten Glück und haben uns gleich auf Anhieb verstanden“, freut sich Brod über ihren ersten positiven Host-Erfahrungen.

Zusammen mit ihrer Tante, die in einem Ashram in Indien lebt, war sie vor etwa vier Jahren selbst auch schon Couchsurfer. Nach einem Besuch bei ihrer Tante musste sie vor ihrem Rückflug noch eine Nacht in Bombay bleiben. „Für eine weiße Frau, die alleine unterwegs ist, kann es dort sehr gefährlich werden.“

Das Prinzip ist denkbar einfach: Wer die Austauschplattform nutzen möchte registriert sich auf der Internetseite und erstellt ein persönliches Profil. In diesem gibt man Wohnort, Sprachkenntnisse oder die maximale Anzahl und das Geschlecht der Gäste an. Plant man selbst eine Reise, kontaktiert man andere Nutzer im Zielgebiet und erfragt, ob zur gewünschten Zeit deren Couch frei ist.

Wenn Deborah Brod im Sommer 2014 ihre Ausbildung zur Ergotherapeutin beendet hat, will sie auf Reisen gehen, anfangs vor allem in Deutschland und in Nordeuropa. Neben Schweden oder Irland steht aber zum Beispiel auch ein Besuch bei Freunden im Libanon auf der Liste.

Doch das Couchsurfing ist für die 19-Jährige nicht die bevorzugte Reiseart – darauf wird sie nur gelegentlich zurückgreifen. „Ich bin am liebsten mit dem Rucksack, meinem Zelt und zu Fuß unterwegs,“ sagt die Auszubildende. Immer mit dabei ist ihre Mischlingshündin Cara. Mit ihr fühlt sie sich sicher.

Mit dem Reisefieber infiziert

Bereits im Alter von sieben Jahren wanderte sie mit ihrem Papa am Main entlang von Würzburg nach Lengfurt; Gepäck, Schlafsäcke und Zelt waren im Bollerwagen gut verstaut. „Das war für mich wie ein Abenteuerurlaub – schließlich ist es verboten, in freier Natur zu zelten.“ Und damals infizierte sie sich am Reisefieber. Immer wieder zieht es sie zu Fuß und trampend hinaus in die Welt um sie zu erkunden.

Jonas Langer aus Zimmern hat schon mehrmals Durchreisende bei sich übernachten lassen. „Meine Gäste bleiben meist nur eine Nacht“, so der 32-jährige. Sie sind mit dem Fahrrad am Main entlang unterwegs oder legen einen Zwischenstopp mit Übernachtung während ihrer Autobahnfahrt ein. Rames Santy aus der Schweiz hat 2010 mit zwei Freunden bei Langer im ehemaligen Gasthaus „Löwensteiner Hof“ übernachtet. Auf Couchsurfing.org können andere „Surfer“ in einer Bewertung nachlesen, dass es ihnen gefallen hat.

Die Französin Camilla Briffa schätzte ihren zweitägigen Aufenthalt in Zimmern und wird den „süßen Geruch von Öl und Holz nicht vergessen“. Denn Langer fertigt „praktische Holzkunst“, nämlich natürlich anmutende Gebrauchsgegenstände. Diese verkauft er auf Kunsthandwerksmärkten. Hierzu tourt er vor allem in der Vorweihnachtszeit durch ganz Deutschland. Um Geld zu sparen sucht er sich günstige Schlafgelegenheiten bei Privatpersonen. Für einen längeren Urlaubsaufenthalt hat er Couchsurfing noch nicht genutzt. „Im Urlaub will ich mich entspannen. Beim Couchsurfing ist doch immer das Risiko vorhanden, dass man sich nicht mag“, so Langer.

Couchsurfing.org

Die Non-Profit-Organisation Couchsurfing.org gibt es seit 1999. Der Amerikaner Casey Fenton reiste nach Island. Weil er jedoch nicht in einem Hotel übernachten wollte, schrieb er eine E-Mail an die Studenten der Universität Reykjavik und fragte, ob er auf deren Couch schlafen könne. Mehr als 50 der Angeschriebenen hätten ihn aufgenommen. Für Fenton war die Idee geboren, eine Börse für Gleichgesinnte zu betreiben. Sie lebt vom gegenseitigen Geben und Nehmen, vom Gastgeber, der zu einem anderen Zeitpunkt weltweit auch Gast sein kann. Damit der Aufenthalt sowohl für den „Surfer“ als auch für den Gastgeber angenehm verläuft, gibt es Regeln. Auch wenn Übernachtung und Frühstück eigentlich kostenlos sind, sollte der Gast doch ein kleines Mitbringsel überreichen und im Haushalt helfen. Auch geht es beim Couchsurfing lediglich um eine Schlafgelegenheit. Ein Sightseeing-Programm ist nur ein Bonus, darf aber nicht zwingend erwartet werden. Text: DFI

Deborah Brod aus Lengfurt geht nicht ohne ihre Mischlingshündin Cara auf Reisen.
Foto: Privat | Deborah Brod aus Lengfurt geht nicht ohne ihre Mischlingshündin Cara auf Reisen.
 
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