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Lohr
Corona auf zwei Stationen im Bezirkskrankenhaus
Das Gelände des Lohrer Bezirkskrankenhauses: Nachdem die Klinik über Monate hinweg keinen Corona-Fall zu verzeichnen hatte, gelangte das Virus jetzt auf zwei Stationen, die als am gefährdetsten galten.
Foto: Archivfoto Johannes Ungemach | Das Gelände des Lohrer Bezirkskrankenhauses: Nachdem die Klinik über Monate hinweg keinen Corona-Fall zu verzeichnen hatte, gelangte das Virus jetzt auf zwei Stationen, die als am gefährdetsten galten.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 11.02.2024 15:17 Uhr

Während in vielen anderen Krankenhäusern und Heimen über das Corona-Virus grassiert, wirkte das Lohrer Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin lange wie eine verschont gebliebene Insel. Abgesehen von drei Corona-Fällen gleich zu Beginn der Pandemie im März, blieb das Virus draußen. Das hat sich geändert. "Jetzt hat es uns tatsächlich auch erwischt", sagt Dominikus Bönsch, der Ärztliche Direktor des BKH.

Er schildert, dass das Virus vor gut 14 Tagen auf zwei Stationen eingeschleppt worden sei: auf der Entlass-Station der Forensik und auf der eigens eingerichteten Aufnahmestation für die Gerontopsychiatrie. Laut Bönsch wurden auf den beiden Stationen 17 Patienten und zehn Mitarbeiter positiv getestet. Mittlerweile habe sich die Lage jedoch deutlich entspannt.

In der Entlass-Station der Forensik seien "alle wieder gesund", so Bönsch. In der Aufnahmestation der Gerontopsychiatrie, in der psychisch kranke ältere Menschen behandelt werden, seien am Montag noch vier Patienten corona-positiv gewesen. Er hoffe, so Bönsch, dass die Station im Laufe der Woche wieder frei von Corona werde.

Drei Patienten in Kreisklinik

Von den drei Patienten und fünf Mitarbeitern, die in der Entlass-Station der Forensik positiv getestet worden seien, habe niemand gesundheitliche Schwierigkeiten gehabt, sagt Bönsch. Bei drei infizierten Patienten der Geronto-Aufnahmestation hingegen habe sich das Krankheitsbild derart entwickelt, dass man sie in das Lohrer Kreiskrankenhaus habe verlegen müssen. Zwei der Patienten seien am Wochenende jedoch wieder in stabilem körperlichen Zustand auf die BKH-Station zurückgekehrt, so Bönsch.

Doppelter Test bei Aufnahme

Die beiden nun betroffenen Stationen seien genau diejenigen gewesen, bei denen man am ehesten mit dem Virus gerechnet habe. In der Entlass-Station der Forensik werden psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter gegen Ende ihrer stationären Behandlung auf die Rückkehr in den Alltag vorbereitet, weswegen sie Arbeitsstellen außerhalb der Klinik und daher vermehrte Kontakte haben, begründet Bönsch.

Die Patienten, die auf die im Haus 18 untergebrachte Aufnahmestation der Gerontopsychiatrie kommen, seien nicht selten in einem geistigen Zustand, der Absprachen zur Einhaltung von Corona-Regeln schwer mache. Zwar würden hier alle Patienten bei der Aufnahme doppelt getestet. Jedoch schlage der Schnelltest meist nur an, wenn bereits deutliche Symptome vorlägen. Und beim PCR-Test liege das Ergebnis erst 24 Stunden später vor, beschreibt Bönsch die Lücke.

Mehrere Monate lang blieb das Lohrer Bezirkskrankenhaus von Corona-Fällen verschont. Doch nun infizierten sich Patienten und Bewohner auf zwei Stationen. Die meisten Corona-Fälle gab es in der in der in Haus 18 (im Bildhintergrund) eingerichteten Aufnahmestation der Gerontopsychiatrie.
Foto: Johannes Ungemach | Mehrere Monate lang blieb das Lohrer Bezirkskrankenhaus von Corona-Fällen verschont. Doch nun infizierten sich Patienten und Bewohner auf zwei Stationen.

Durch diese Lücke müsse das Virus irgendwann unbemerkt in die Station gekommen sein. Dort habe es sich "in Windeseile ausgebreitet", so Bönsch, weswegen nach kurzer Zeit bei 14 und somit fast alle auf der Aufnahmestation untergebrachten Patienten sowie fünf der rund 20 Mitarbeiter das Virus nachgewiesen worden sei.

Die Aufnahmestation für die Gerontopsychiatrie wurde laut Bönsch eingerichtet, um das Virus von den rund 100 Patienten der regulären gerontopsychiatrischen Stationen fernzuhalten. Die auf der Quarantänestation ankommenden, nicht selten körperlich und psychisch kranken älteren Patienten, werden laut Bönsch bei der Aufnahme doppelt und nach vier Tagen erneut getestet. Nur wenn alle Tests negativ seien, verlege man Patienten auf die regulären Stationen. Dass es gelungen sei, das Virus bislang von den dort untergebrachten und zur Hochrisiko-Gruppe zählenden Patienten fernzuhalten, wertet Bönsch als Beleg dafür, dass das Corona-Konzept des BKH funktioniert.

Therapiekonzept umgestellt

Im Rahmen dieses Konzepts habe man auch im übrigen Klinikablauf "keinen Stein auf dem anderen gelassen", schildert Bönsch. Das Therapieangebot sei komplett umorganisiert worden. Therapien gebe es nun fast nur noch auf den Stationen. Die Therapeuten arbeiteten nach Möglichkeit nicht stationenübergreifend. Auch Bereiche wie Gärtnerei, Reittherapie oder die Textil- und die Holzwerkstatt würden "stationenbezogen" und mit verringerter Patientenzahl betrieben. Die Patienten müssten dort FFP2-Masken tragen, so Bönsch.

Insgesamt sei durch die Einschränkungen "die Vielfalt der Therapieangebote verlorengegangen". Im Gegenzug habe man auf den einzelnen Stationen mehr Angebote geschaffen. Keine Option sei es angesichts der psychischen Probleme vieler Patienten gewesen, ein generelles Besuchsverbot zu verhängen, so Bönsch. Stattdessen habe man bei Besuchen Schutzvorkehrungen wie trennende Plexiglas-Scheiben eingeführt.

Bönsch: Wir sind randvoll

Dass die Pandemie Menschen psychisch belastet, spiegelt sich laut Bönsch deutlich im Schweregrad der Krankheitsbilder und in der Patientenzahl wieder. "Wir sind randvoll und haben quasi nur noch schwere Fälle", beschreibt der Ärztliche Direktor eine Situation, die dem Personal alles abverlange. Aufgrund der Vielzahl an Patienten müsse die Klinik bei der Aufnahme priorisieren: "Leichter erkrankte Patienten müssen länger warten." Manchen, den man früher stationär aufgenommen habe, müsse man nun an die Ambulanz oder auf Sprechstunden per Videochat oder Telefon verweisen. In der Tagesklinik betrage die Wartezeit bis zu einem halben Jahr. "Das ist keine Akutversorgung mehr, sondern eine Katastrophe", sagt Bönsch.

An ein schnelles Ende dieser Situation glaubt er nicht. Er geht davon aus, dass Corona "zumindest noch bis Sommer" das Bild prägen wird und fürchtet, "dass das Spuren hinterlassen wird".

Schleppender Impfstart am BKH

Wie vielerorts klemmt es auch am Lohrer Bezirkskrankenhaus bei der Impfung von Patienten und Mitarbeitern am Impfstoff. "Wir haben ein Impf-Konzept und stehen Gewehr bei Fuß, doch der Impfstoff kommt nicht bei", sagt Dominikus Bönsch, der Ärztliche Direktor. Die bislang erhaltenen Impfdosen hätten lediglich ausgereicht, um 60 Bewohner in den Heimen am Sommerberg und acht Mitarbeiter auf der Quarantänestation der Gerontopsychiatrie zu impfen.
Sobald man Impfstoff bekomme, werde man erst die zur Hochrisiko-Gruppe zählenden rund 100 Patienten sowie die ebenfalls rund 100 Mitarbeiter der Geronto-Stationen impfen, so Bönsch. Im nächsten Schritt kämen Risikopatienten auf anderen Stationen dran und möglichst bald auch die Patienten der Forensik, um einen Ausbruch in diesem hochgesicherten Bereich zu vermeiden. Die Impfungen erledige das Hygieneteam des BKH selbst, so Bönsch, unterstützt durch Ärzte und andere Mitarbeiter der Klinik.
Das rund 1000 Mitarbeiter beschäftigende Lohrer Bezirkskrankenhaus zählt im Bereich der Allgemeinpsychiatrie 300 stationäre Betten. Die Forensik umfasst 180 weitere Betten. Hinzu kommt laut Bönsch die Tagesklinik mit 27 Plätzen. Insgesamt behandelt das BKH nach eigenen Angaben pro Jahr rund 14 000 Patienten stationär, teilstationär und ambulant. Zum BKH gehören neben den Lohrer Einrichtungen auch Institutsambulanzen in Aschaffenburg, Miltenberg und Alzenau sowie das Sozialzentrum Rosensee in Aschaffenburg und das Zentrum für Seelische Gesundheit in Würzburg.
Quelle: joun
 
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