Neben Markenkleidung ist das Handy mittlerweile das vielleicht wichtigste Statussymbol Jugendlicher. Früher wurde über den Festnetzanschluss der Eltern telefoniert - mit allen Auseinandersetzungen, die das mit sich brachte. Heute ist fast jeder Heranwachsende mobil erreichbar.
Als Gebrauchsgegenstand und Imageartikel ist das Handy fast selbstverständlich geworden. So normal, dass sich viele die Kosten für lange Gespräche, SMS, Klingeltöne oder Logos nicht bewusst machen. Solange sie noch nicht volljährig sind, müssen in letzter Instanz die Eltern die offenen Rechnungen begleichen.
Schuldenspirale beginnt
Wer 18 Jahre alt ist, kann vielleicht immer noch auf den Zuschuss großzügiger Verwandter hoffen, ist aber selbst voll geschäftsfähig. Bei manchen beginnt schon jetzt die Schuldenspirale: andere anpumpen, Girokonto überziehen, Kredit aufnehmen.
"Das Handy ist ein stark zunehmender Verschuldungsfaktor junger Menschen", bestätigt Christian Maltry. Der Schuldner- und Insolvenzberater am Landratsamt Karlstadt beobachtet nicht nur, dass sich viele gar nicht bewusst machen, dass eine SMS auch was kostet. Nachdem der Handy-Markt inzwischen gesättigt ist, treiben viele Netzbetreiber die Ausstände weniger nachsichtig ein als in der Boomphase, sagt Maltry. Außerdem werden SMS zum Beispiel oft erst nach einem längeren Zeitraum abgerechnet, so dass plötzlich eine geballte Geldforderung auftaucht.
Christian Maltry und ein weiterer Berater in der Schuldner- und Insolvenzberatung am Landratsamt haben im vergangenen Jahr 294 geldklamme Landkreisbürger beraten. Gut sieben Prozent der Klienten in Maltrys Datenbank sind zwischen 18 und 24 Jahre alt.
Alarmierender Anstieg
In allen Altersgruppen ist die Zahl der Beratungsfälle binnen drei Jahren um ein Viertel nach oben gegangen. Der Anstieg bei den jungen Erwachsenen ist insofern alarmierend, da sie noch nicht lange geschäftsfähig sind und schon Schuldenberge angehäuft haben.
Indes sind die Kosten für das Handy nicht die einzigen Fallen, die Junge stolpern lassen in einer Phase, da sie - wenn sie überhaupt einen Job haben - noch vergleichsweise wenig verdienen und einen eigenen Haushalt gründen. In den vergangenen zehn Jahren sei das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, gewachsen, führt Maltry an. Ein Ingenieur bekommt immer Arbeit, habe man früher zum Beispiel gesagt. Heute treffe Arbeitslosigkeit auch die breite Mittelschicht und Hochqualifizierte.
Zudem sei das Realeinkommen gesunken. Manche Lebenshaltungskosten haben sich unverhältnismäßig verteuert: Gestiegene Kfz-Kosten zum Beispiel strapazieren in Main-Spessart, einem Landkreis der weiten Wege, das Budget besonders.
Unerfahrene straucheln
Wer wagt, gewinnt oft keinesfalls, wenn es um Geldanlagen geht: Aktienkurse stürzten ins Bodenlose, dubiose Steuerspar-Anlagen in den neuen Bundesländern oder fast schon sittenwidrige Gewinnspiele bringen den in Geldgeschäften Unerfahrenen ins Straucheln. Dem nicht genug: Auf junge Erwachsene lauern auch Schuldenfallen, die es zu allen Zeiten gegeben hat: Nach der Geburt eines Kindes verdient nur noch einer der Partner; die Einrichtung für die erste Wohnung kommt teuer zu stehen.
Maltry scheut sich, einen Wertewandel in der Gesellschaft mitverantwortlich zu machen für die Finanznöte vieler Junger. Viel Geld ausgeben, wenig zurücklegen, Altes wegwerfen und Neues kaufen - die Ex-und-hopp-Methoden habe ihre Anhänger in allen Altersgruppen.
Sinnlichkeitsproblem
Freilich treffe es schon zu, dass nicht alle im Elternhaus einen vernünftigen Umgang mit Geld gelernt haben: "Manche können nicht wirtschaften", beobachtet der Diplom-Sozialpädagoge. Modernes Plastikgeld bringe ein Sinnlichkeitsproblem mit sich: "Die EC-Karte fühlt sich immer gleich an, während der Geldbeutel dünner wird, wenn das Geld ausgegeben ist."
Wer macht junge Leute auf die Verpflichtungen aufmerksam, die ein Girokonto oder Kredite mit sich bringen? "Ich habe während meiner eigenen Schulzeit zum Beispiel nicht gehört, dass eine Bürgschaft gefährlich ist", erinnert sich Maltry, der seit 15 Jahren in der Schuldnerberatung arbeitet. Laut Lehrplan sollen Inhalte aus dem Wirtschaftsleben behandelt werden. Was der einzelne Lehrer daraus mache, sei schwer zu verallgemeinern.
Zwiespältige Rolle der Banken
Die Rolle der Banken sieht der Experte als zwiespältig: Einerseits versuchten Banken mit teilweise aggressivem Marketing, junge Kunden zu ködern, und werfen mit Krediten um sich. Wenn die Jungen dann in der Klemme stecken und Hilfe brauchen, stehen die Türen längst nicht mehr offen. Dann beginne oft ein Teufelskreis: Das Konto wird überzogen, um Kredite zu tilgen; ein neuer Kredit wird aufgenommen, um das Konto auszugleichen.
Christian Maltry kann Eltern nur empfehlen, mit den Sprösslingen über ihre Einstellung zu Soll und Haben nicht erst zu diskutieren, wenn sie 15 oder 16 Jahre alt sind und die Kaufwünsche immer größer werden. Anzuraten ist, was so einfach und plausibel in der Theorie klingt, wie es eine Mammutleistung in der Praxis ist: "Die Kinder möglichst zu kritischen, selbst denkenden Menschen erziehen."