
Als Kind hat er im Auftrag seines Vaters Wahlwerbung für die CSU ausgetragen. Demnächst kann Clemens Kracht seine eigenen Wahlflyer verteilen: Der 54-jährige ehemalige Kommandant der Lohrer Feuerwehr will bei der Bürgermeisterwahl 2026 den Chefsessel im Lohrer Rathaus erobern – allerdings nicht für die CSU, sondern für die Grünen. Das hat sich schon länger abgezeichnet, seit Montagabend ist es offiziell. Bei der Bekanntgabe der Kandidatur spielte neben Motivation und Plänen Krachts noch ein anderer Aspekt eine Rolle: Die Frage, weswegen die Grünen 2026 nicht erneut mit dem amtierenden Bürgermeister Mario Paul ins Rennen gehen. Die Aussagen dazu waren deutlich.
Dass man eine Kandidatur am Küchentisch bekanntgeben kann, hat Robert Habeck jüngst mit seiner Ankündigung vorgemacht, Bundeskanzler werden zu wollen. Clemens Kracht und seine Mitstreiter betonten am Montagabend, dass sie für den Pressetermin am Küchentisch im Hause Kracht keine Anleihe bei Habeck genommen hätten. Vielmehr sei Krachts Zuhause in Wombach schon seit längerer Zeit Schaltzentrale und Gesprächsort für grüne Stadtpolitik. Spätestens seit zwei Jahren. So lange ist Kracht Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat.
Allerdings ist es kein Naturgesetz, dass Fraktionsvorsitzende Bürgermeisterkandidat werden. Das gilt umso mehr, wo doch 2020 der amtierende Bürgermeister Mario Paul (49) der Kandidat der Grünen war, wenn auch als Parteiloser. Ob Paul 2026 wieder antritt, hat er noch nicht verraten. Ganz sicher wird er jedoch nicht mehr für die Grünen antreten. "Wir haben uns sehr entfremdet", erklärt die Grünen-Ortsvorsitzende Bärbel Imhof den Wechsel von Paul zu Kracht.
Sodann bricht sich die Enttäuschung der Grünen Bahn: "Mario Paul war nie ein Grüner und wollte auch nie einer werden", sagt Imhof. Bei Themen wie der Energiewende, der Mobilität oder der Gefahrenabwehr habe man sich deutlich mehr Impulse vom Bürgermeister erwartet.
Der Bruch kam mit der B26n
Eigentlich sei schon kurz nach der Wahl 2020 klar gewesen, dass das mit Paul und den Grünen nichts mehr werde, so Imhof. Bis dahin habe man gehofft, dass sich Paul nach dem Wegfall des Drucks der Wiederwahl den für die Grünen besonders wichtigen Themen intensiver zuwende. "Doch das Gegenteil ist passiert", sagt Imhof.
Als finalen Moment nennt sie die 2021 geführte Stadtratsdebatte um den Bau der B 26n, bei der sich Paul nicht klar genug gegen das Straßenbauprojekt positioniert habe. Mittlerweile gebe es keine Verbindung mehr zwischen den Grünen und Paul, so Imhof. Sie sagt: "Wir glauben, dass es Clemens besser könnte."
Kommandantenrolle prägt
Dass Kracht selbst das auch so sieht, begründete er nicht zuletzt mit den Erfahrungen und Qualifikationen aus seiner Zeit als Kommandant der Lohrer Feuerwehr. In schwierigen Situationen den Überblick zu behalten, Entscheidungen zu treffen, ein Team zu führen, Vertrauen zu schaffen und zu geben, sich zu vernetzen, Wertschätzung zu praktizieren, vorausschauend zu planen – all das gehöre zum Kommandantenamt, so Kracht. Auch Kommunikation. Gute Kommunikation und Transparenz seien Voraussetzung dafür, dass Menschen Entscheidungen nachvollziehen könnten, so Kracht.
Sein Ziel sei, dass politische Entscheidungen in Lohr "mit größtmöglicher öffentlicher Beteiligung" abliefen. "Die Menschen wollen mitgenommen werden. Eigentlich müsste der Stadtrat auf dem Marktplatz tagen", so Kracht. Ihm komme das Bemühen um Transparenz und Öffentlichkeit oft zu kurz.
Schwerpunktthemen
Außer zu seiner Vorstellung von gutem politischen Stil äußerte sich Kracht auch zu den in seinen Augen besonders dringenden Sachthemen. Ganz Feuerwehrmann nannte er an erster Stelle, dass Lohr vor Gefahren wie Hochwasser oder Unwettern konsequent geschützt werden müsse. Dazu müsse man den städtischen Gefahrenabwehrplan fertigstellen und umsetzen. So etwas wie das Unglück im Ahrtal "darf sich nicht wiederholen", sagte Kracht.
Die kommunale Wärmeplanung und den Aufbau eines Wärmenetzes für die Altstadt hob er ebenso hervor wie die Gründung einer Stadtbaugesellschaft zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Auch müsse man in Lohr die Verkehrswende "endlich mal gestalten". Dazu sprach sich Kracht für die Reaktivierung der Bahnstrecke zum ehemaligen Stadtbahnhof aus.
Um Lohr auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten, müsse man das bereits erstellte Klimaanpassungskonzept konsequenter umsetzen, lautete eine weitere Forderung. Dazu sei die städtische Umweltstelle personell zu stärken. Tatsächlich, so Kracht, sei sie zuletzt jedoch geschwächt worden.
Und schließlich erklärte Kracht, dass er als Bürgermeister die Jugendarbeit forcieren und den städtischen Jugendbeirat wiederbeleben wolle. Es gehe jedoch weniger um starre Strukturen, sondern um ein unterschwelliges Angebot. Nur mit einem solchen könne man die Jugendlichen erreichen, die derzeit noch nicht erreicht würden. Da es der Stadt allein offenbar nicht gelinge, die ausgeschriebene halbe Stelle eines Streetworkers zu besetzen, solle man eine interkommunale Lösung suchen, so Krachts Idee.
Es gehe darum, so schließlich Imhof, dass ein Bürgermeister "entscheidet und umsetzt, statt immer nur zu reden". Kracht habe als Kommandant gezeigt, dass er ein "Macher" sei. Es gebe in Lohr einen "gefährlichen Investitionsstau" und im Rathaus eine "Verwaltung ohne Führung und Orientierung". Um dies zu ändern, "schicken wir unseren besten Mann", so Imhof über Kracht.
Für den Grünen-Kreisverband betonte Tim Weidner die Bedeutung Lohrs für ganz Main-Spessart. Kracht habe als Feuerwehrkommandant jenen Einsatzgeist vorgelebt, den es brauche, um die Stadt voranzubringen.
Offizielle Nominierung im Mai
Stadträtin Lena Werner erklärte, dass Kracht im Gremium anerkannt sei und die Abläufe im Rathaus kenne. "Er hat alle Voraussetzungen", zeigte sich Werner vom Kandidaten überzeugt.
Kracht wurde laut Imhof bereits dem Vorstand des Ortsvereins der Grünen als Bürgermeisterkandidat vorgestellt. Offiziell nominiert werden soll er im Mai 2025. Spätestens dann werde auch der Wahlkampf beginnen.