Im Mai 2016 hatten sie mit ihrem erstmaligen Auftritt in Lohr den Saal des Alten Rathauses erobert und ihn gleichzeitig als Kulturstätte verabschiedet, am Freitag kamen sie mit „Jazz & Latin Night“ zurück in die Alte Turnhalle: Claudia Carbo, gefeierte Jazz-Sängerin, und Jazz-Gitarren-Virtuose Felix Heydemann aus Köln.
Seit elf Jahren treten sie gemeinsam auf. Unüberhörbar geht das bravourös zusammen, musikalisch wie menschlich. Allüren sucht man bei beiden Künstlern vergeblich. Claudia Carbo ist Deutsch-Peruanerin, aufgewachsen in Lima. Seit 1984 lebt sie in Deutschland.
Die ehemalige Journalistin und PR-Beraterin startete ihre Musikkarriere nach klassischer Gesangsausbildung erst 1997. Mit ihren Phrasierungen, Arrangements und sprühendem Temperament erobert sie bis heute die Bühnen und Sinne ihrer Zuhörer. Carbo bewegt sich souverän in rhythmischen Latin Moves, dem swinging Jazz, Samba, Bossa Nova, in Boleros aus Kuba, Mexiko, argentinischen Tangos und Original Jazztiteln der 1940er aus dem American Song Book – auf Spanisch, Portugiesisch, Englisch.
Vorbild ist Ella Fitzgerald
Bei keinem der schnellen Wechsel verliert ihr Gesang an Intensität oder Leidenschaft. So gab sie am Freitag den mexikanischen Bolero „Historia de un Ama“ (eine Geschichte um Liebe und Einsamkeit; Komponist Carlos Eleta Almarán), dann ihr Lieblingslied „Can Anyone Explain“. Ihr musikalisches Vorbild sei Ella Fitzgerald (1917 - 1996), sagt sie. Zu deren 101. Geburtstag haben Carbo und Heydemann eine „Temponummer“ auf ihre erste gemeinsame Platte gebrannt.
„It Don't Mean a Thing“ komponierte Duke Ellington 1931; Fitzgerald, die „First Lady of Song“, verlieh dem Stück eine unverwechselbare Stimme. In „Noche de Ronda“ (1932; Mexiko) gleitet Carbos Stimme in die Tiefe, um dann temperamentvoll in den Chorus überzugehen. Perlen wie der Tango „Volver“ von „Tango-König“ Carlos Gardel aus Toulouse oder das schmissige englische „Spain“ von Chick Corea folgten.
Was das Duo nach der Pause präsentierte, ließ den Atem anhalten: der Bossa Nova „A Felicidad“ - das Glück. Und dann Heydemanns gefühlt zehn Minuten dauerndes und mit Finessen gespicktes Solo „Mediterranean Sundance“. Das Stück beginnt im 4/4 Takt in e-Moll und vollendet sich zur komplexen Mischung aus Jazz mit Flamenco-Einflüssen. Heydemanns Spiel packt. Der Jazz-Dozent brilliert, treibt die Saiten an, um sie im nächsten Moment zu streicheln. Er lässt Linien strömen und differenziert voller Ästhetik. Im offenen Spiel brandet der Applaus für einen Gitarristen, dessen Griffe zur Kunst in höchster Reinform gedeihen. Immer wieder tritt Carbo zur Seite, um ihrem Duettpartner Raum und Applaus zu überlassen.
Geprägt von namhaften Gitarristen
Der 41-jährige diplomierte Jazz-Gitarrist studierte am „Conservatorium van Amsterdam“ und der Hochschule für Musik in Köln. Sein Spiel geprägt haben namhafte Jazz-Gitarristen: Pat Martino, Randy Johnston und allen voran „Gitarren-Papst“ John Abercrombie, der zu den bedeutendsten US-Jazzern seit den 1970er Jahren zählt.
Er unterrichtete den jungen Kölner 2003 am „Purchase College, State University of New York“ und wurde zu dessen musikalischem Vorbild. Heydemann tritt als Solist auf, doch überwiegend bringt er mit dem Kölner Jazz Lounge Trio „Feliz“ und seiner Band „Felix Heydemann Groove Connections“ zeitgenössischen Jazz auf die Bühne. Nach zwei Stunden Konzert in der Turnhalle ging es mit dem Rhythm & Blues Standart rasant auf die „Route 66“ oder mit „Get The Kick“ auf mehr als 2000 Meilen von Chicago nach Los Angeles.
Die Zugabe kam mit dem Bolero „Dos Gardenias“ aus Kuba vom Buena Vista Social Club und setzte unter nicht enden wollendem Applaus den Schlusspunkt hinter eine große Jazz & Latin Night.