Mit dem Klischee, dass Chorgesang nur etwas für alternde Sangesbrüder und -schwestern sei, räumte der Kreisjugendchor Main-Spessart unter Leitung von Michael Albert am Sonntagabend in der Alten Turnhalle gründlich auf. Die Zeitreise der 21 jungen Damen und Herren quer durch die Chormusikgeschichte war so abwechslungsreich und begeisternd, dass die 150 Mitreisenden zum Schluss stehend applaudierten.
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass mit dem jungen Ensemble, das zum MGV Liederkranz Langenprozelten gehört, ein kulturelles Aushängeschild für den Landkreis und ein Werbeträger für den Chorgesang herangewachsen ist. Der Kulturpreis des Landkreises vor drei Jahren, die gefeierten Auftritte in der Region und die erfolgreiche Konzertreise nach Finnland im vergangenen Jahr sind die dazu passenden Ausrufezeichen.
Klassisch und modern
Während im ersten Teil des Konzerts Werke von der Renaissance bis zur Romantik erklangen, war der zweite Teil moderneren Stilrichtungen gewidmet. Dabei kam auch der einfühlsam begleitende Pianist Robert Werner öfter zum Einsatz. Angenehm für die Zuhörer, dass jeweils ein Chormitglied Hintergrundwissen vermittelte und gegebenenfalls Texte übersetzte.
Mit dem im 15. Jahrhundert komponierten Kyrie von Johann Ockeghem, wie viele der geistigen Lieder a capella gesungen, und dem aus der gleichen Epoche stammenden vierstimmigen Abschieds- und Trauerlied „Innsbruck, ich muss dich lassen“ von Heinrich Isaac eröffneten die Sänger das Konzert. Werke von Orlando de Lasso, Daniel Friederici und Heinrich Schütz, denen oft Texte aus Psalmen zugrunde lagen, folgten im Programm.
Mit dem bekannten „Nun ruhen alle Wälder“ markierten die Sänger vor der Pause einen der Höhepunkte des Abends. Mächtig, mit großer Klangfülle und beeindruckender Sicherheit auch bei den hohen Sopranstimmen, interpretierten sie das Kirchenlied nach dem gleichnamigen Choral von Johann Sebastian Bach. Heimat, Natur und Wald waren vor allem in der Romantik wiederkehrende Themen, wie bei Mendelssohn-Bartholdys „Abschied vom Walde“ oder „In stiller Nacht“ von Johannes Brahms.
Mit den unvergessenen, Anfang der 1930er Jahre international bekannten Comedian Harmonists, startete die Reise bei „Wochenend' und Sonnenschein“ in den zweiten Teil. Anschließend spannte der Chor den Bogen von dem durch die Nazidiktatur wegen ihrer drei „nichtarischen“ Mitgliedern aufgelösten sechsköpfigen Berliner Vokalensemble hin zum mit Klarinetten begleiteten jiddischen Friedenslied „Schpilsche mir a Lidele“.
Nach den Volksweisen „Kein schöner Land“ und „Die Gedanken sind frei“ gab es auch experimentelle Klänge zu hören, wie der scheinbar ungeordnet im Stakkato angelegte Sprechgesang von John Cage im Titel „Story“ oder in „Solfeggio“, einer durch das Aneinanderreihen von Vokalen entstehenden minimalistischen Musik des zeitgenössischen Komponisten Arvo Pärt aus Estland.
Abba und Spirituelles
Es folgten Ohrwürmer aus der Rock- und Popwelt, zu denen „Only you“ von den Flying Pickets zählt, „Money Money“ von Abba und das mit origineller Choreografie vorgetragene „The Lion sleeps tonight“, bekannt aus dem Musical „König der Löwen“.
Das spirituell anmutende und zum Nachdenken über den Weg zu einem glücklichen Leben anregende „The Rhythm of Life“ und ein Abendlied als Zugabe bildeten den Schlusspunkt eines Chorkonzerts der Extraklasse.