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Main-Spessart
Chipkrise in Main-Spessart: Mit welchen Problemen die Autohäuser kämpfen
Weil Chips und Halbleiter fehlen, produzieren BWM, Audi, Mercedes und VW ihre Neuwagen auf Halde. Welche Auswirkungen das auf den Autohandel im Landkreis hat. 
Auch Geschäftsführer Florian Reuter vom BMW-Servicehaus Reuter in Erlenbach spürt die Chipkrise in der Automobilindustrie und deren Auswirkungen auf den Autohandel.
Foto: Maria Lisa Schiavone | Auch Geschäftsführer Florian Reuter vom BMW-Servicehaus Reuter in Erlenbach spürt die Chipkrise in der Automobilindustrie und deren Auswirkungen auf den Autohandel.
Maria Lisa Schiavone
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:55 Uhr

Wer jetzt ein Auto kauft, muss bis zu einem dreiviertel Jahr auf seinen Neuwagen warten, statt den üblichen drei bis vier Monaten, sagt Jörg Simon, Vertriebsleiter im Autohaus Grampp mit den Marken VW, Mercedes und Audi in Lohr. Schuld daran ist die Chipkrise in der Automobilindustrie. Während die Automobilhersteller die Produktion drosseln und Kurzarbeit beantragen, warten die Autohäuser im Landkreis Main-Spessart auf die Auslieferung der Neuwägen. Wie lange das noch so gehen wird, weiß niemand genau.

Autohaus Grampp in Lohr: Hersteller vertrösten nur

Im Autohaus Grampp in Lohr stauen sich bereits die Bestellungen: "Wir gehen davon aus, dass die Autos, die im November kommen sollten, erst Ende Januar kommen", sagt Vertriebsleiter Jörg Simon. Wegen der Chipkrise kann das Autohaus derzeit nur die Hälfte aller Neuwagen ausliefern, die bei ihnen gekauft werden. "Wir haben über 700 Fahrzeuge im Auftragsbestand, die wir bestellt, aber noch nicht ausgeliefert haben", so Simon. 

Autos, die sofort lieferbar sind, gebe es im Moment kein einziges und von den Herstellern werde man  nur vertröstet: "Alle Hersteller kommunizieren sehr unverbindlich. Das ist schon befremdlich, wie die agieren. Es gibt auch keinen Plan B", so Jörg Simon.

"Alle Hersteller kommunizieren sehr unverbindlich. Das ist schon befremdlich, wie die agieren."
Jörg Simon, Vertriebsleiter im Autohaus Grampp 

Bei BMW Ausstattung vom Modell abhängig

Das BMW-Servicehaus Günter Reuter in Erlenbach bekommt noch Neufahrzeuge aus München geliefert, "aber unter Restriktionen", sagt Geschäftsführer Florian Reuter. Das heißt, bestimmte Assistenzsysteme, in denen Chips oder Halbleiter verbaut werden, fehlen in den neuen Autos die vom Band kommen. Dazu zählen zum Beispiel Sensorik- und kamerabasierte Ausstattungen, wie Spurassistenz oder Abstandstempomat, erklärt Reuter. Welche Features fehlen, ist aber "vom Modell abhängig" und ziehe sich durch alle BMW-Modelle.

Die Elektronikteile sind zwar knapp, doch die Produktionsbänder in München laufen weiter: "BWM achtet darauf, dass die Produktion weitergeht, aber eben nicht im vollem Umfang ", sagt Reuter.

So verbaue BMW die noch verfügbaren Chips und Halbleiter vor allem in die Ausstattungssysteme, die von der Kundschaft besonders oft nachgefragt werden, so Reuter, "zum Beispiel in Navigationssysteme, die werden uneingeschränkt geliefert."

MH-Autohaus: Suzuki und Mitsubishi auf Lager

Probleme bei der Auslieferung von VW und Audi hat auch das MH-Autohaus in Karlstadt, so Inhaber Josef Möhler. Doch das gilt nicht für alle Automarken: "Wir gleichen den Engpass mit den japanischen Autos aus, da haben wir noch Ware", sagt Möhler. In der Lohrer Filiale verkauft das Autohaus Fahrzeuge der japanischen Marken Mitsubishi und Suzuki. 

Anders als bei den deutschen Herstellern müssen die Autos aus Asien lange im Voraus bestellt werden, ehe sie im Autohaus verkauft werden: "Wenn wir aus Übersee ordern, müssen wir ein halbes Jahr früher bestellen, um für das nächste halbe Jahr Autos zu haben", erklärt Möhler. "Wenn ich im Jahr 200 000 Autos verkaufen will, muss ich auch so viele im Voraus aus Japan bestellen." 

Trotz Corona-Krise und Lockdowns hat das MH-Autohaus Anfang des Jahres nicht weniger Fahrzeuge bestellt. Dieser Mut zahlt sich nun aus: "Wir haben gut vorgesorgt und sind noch gut bestückt bis Ende des Jahres, wohl wissend was kommen könnte."

Ob auch die japanischen Hersteller bereits auf Halde produzieren, das weiß auch Josef Möhler nicht: "Was wir vor einem halben Jahr bestellt haben, das kommt noch. Aber was darüber hinaus passiert, wissen wir nicht."

Autohändler haben Umsatzeinbußen 

Während in der Corona-Pandemie die Autohäuser im Lockdown geschlossen hatten und keine Autos verkaufen konnten, stehen sie nun vor der gegenteiligen Situation: Die Autohäuser sind geöffnet, die Kundschaft will kaufen, aber die Autos fehlen. "Es geht nicht mehr darum, Fahrzeuge zu verkaufen, sondern zu liefern", sagt Jörg Simon vom Autohaus Grampp. 

Für die Händler bedeutet das: Umsatzeinbußen. Denn viele Kundinnen und Kunden stornieren oder verschieben ihren Kauf auf später. Und auch diejenigen, die derzeit auf ihren Neuwagen warten, zahlen erst bei Auslieferung.

Das BWM-Servicehaus in Erlenbach kann zusätzlich noch auf seine Serviceleistungen, wie Reparaturen und den Verkauf von Ersatzteile bauen: "Wir haben eine gute Auslastung durch unsere Werkstatt." Engpässe gebe es noch keine, so Reuter: "Bei den Ersatzteilen sind alle Teile noch verfügbar" und nach über eineinhalb Jahren Corona-Krise steigt auch die Zahl der Wartungen wieder an.

Lange Wartezeiten bei VW, Audi, BMW und Co.

Und die Kunden? Die müssen sich auf lange Wartezeiten gefasst machen. Im BMW-Servicehaus sind mehrere Monate "gang und gäbe". Im Autohaus Grampp muss man mit einem dreiviertel Jahr Wartezeit rechnen. Die Händler können ihre Kundschaft nur vertrösten: "Wir haben auch keine andere Möglichkeit als zu warten", sagt Florian Reuter vom BWM-Service.

Ein Ende der Chipkrise ist in diesem Jahr noch nicht in Sicht, so die einstimmige Einschätzung der lokalen Autohändler. Florian Reuter geht davon aus, dass die Lage bei BMW bis April 2022 so bleibt: "Wir wissen, dass noch bis zum zweiten Quartal mit Restriktionen gerechnet werden muss." 

Jörg Simon glaubt, dass das kommende Jahr eine noch "viel größere Herausforderung" sein wird als 2021: "Die Autos kommen nicht und das wird nicht besser". Dass sich die Lieferschwierigkeiten bis ins nächste Jahr ziehen, befürchtet auch Josef Möhler vom MH-Autohaus: "Das bereitet einem schon Kummer und Sorgen. Aber es ist ein Auf und Ab in der Automobilbranche."

Was ist die sogenannte "Chipkrise"?

Weil Chips und Halbleiter fehlen, können die Neuwägen nicht an den Handel ausgeliefert werden. Stattdessen stehen die Modelle unfertig auf den Werkshöfen und werden nachgerüstet, sobald die fehlenden Teile kommen. Die Autohersteller produzieren "auf Halde". Ohne die Chips geht es nicht, denn in modernen Autos steckt überall Elektronik. Ohne Chips und Halbleiter kein Bordrechner oder Sensor.
Quelle: mls/dpa
 
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Kommentare
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  • matthiasr
    Der Ausstieg aus dem Autofetisch gelingt also schneller als gedacht...

    Gibt es eigentlich auch Lieferengpässe bei Lastenfahrrädern?
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  • Einwohner
    Kommt auf die Ausstattung an. Sollte da ein Elektromotor verbaut sein, dann sicherlich auch.
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