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Hafenlohr
Busunternehmen gründet eigene Fahrschule, um künftige Busfahrer auszubilden
Auch die Busunternehmen sind vom Fachkräftemangel betroffen. Das Omnibusunternehmen Grasmann in Hafenlohr hat deshalb eine eigene Fahrschule gegründet.
Fahrlehrer Peter Jung (links) erklärt im Fahrschulbus alles Nötige.
Foto: Steffen Schreck | Fahrlehrer Peter Jung (links) erklärt im Fahrschulbus alles Nötige.
Steffen Schreck
 |  aktualisiert: 07.05.2023 02:28 Uhr

Busunternehmen auch im Landkreis Main-Spessart suchen händeringend nach Fahrern – auch für den Linienverkehr. Das Stammpersonal ist oft überaltert, Nachwuchs ist schwer zu bekommen. Kreativität ist gefragt: Beim Omnibusunternehmen Grasmann in Hafenlohr gibt es seit Anfang des Jahres eine eigene Fahrschule.

Fahrlehrer Peter Jung, der selbst Busfahrer ist, unterrichtet dort aktuell einen Kurs mit fünf Teilnehmenden. Vier Männer und eine Frau drücken die Schulbank. Sie lernen in Theorie und Praxis den Umgang mit den bis zu 13 Meter langen Fahrzeugen im Linien- und Reiseverkehr.

Und es ist gar nicht so einfach, was an Wissen für die Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer vermittelt werden muss: Wenn ein Fahrzeug eine Nutzlast von 5,4 Tonnen hat und 50 Fahrgäste mitfahren, dann darf jeder Fahrgast 40 Kilo Gepäck mitnehmen. Warum? Weil laut einer Tabelle jeder Fahrgast im Schnitt 68 Kilo wiegt. Dann bleiben von den 5,4 Tonnen Nutzlast noch zwei Tonnen für Gepäck übrig. Mit einem Schmunzeln zeigt Jung dann aber eine Tabelle, nach der Fahrgäste ab 45 Jahren etwa 79 Kilogramm wiegen: "Es macht also einen Unterschied, ob ich mit Schulkindern fahre oder mit Erwachsenen in den Skiurlaub." Vieles sei Theorie, Zeit zum Rechnen oder Wiegen gebe es in der Praxis eher nicht.

Gelernter Konditor hat umgeschult

Jung selbst hat Konditor gelernt, musste sich aber aus gesundheitlichen Gründen umorientieren. "Ich habe mit 21 zum Fahrlehrer umgeschult", erzählt der 37-Jährige. Eine Zeit war er selbstständig, bis er die Lizenz für Bus und Lastwagen dazu erwerben wollte. "Und wenn ich es ausbilden will, muss ich es auch fahren können", erklärt Jung.

Für seinen Kurs hat er nur Lob übrig: "Die haben alle voll Bock." Wer mit einer entsprechenden Vorbildung kommt, kann mit 35 Theoriestunden zur Prüfung antreten. Dazu gehören Inhaber des alten Führerscheins Klasse 3 oder C1. Alle anderen Neu- und Quereinsteiger mit jüngeren Fahrerlaubnissen brauchen 140 Theoriestunden. "Aber alles sehr praxisnah", wie Jung beteuert.

Wichtig ist der theoretische Unterricht mit bis zu 135 Stunden.
Foto: Steffen Schreck | Wichtig ist der theoretische Unterricht mit bis zu 135 Stunden.

Ob ein Kandidat geeignet ist, stelle man im Bus schon nach kurzer Zeit fest. Er sagt, dass dann 70 Fahrstunden etwa die Regel sind. Eigens dafür angeschafft hat die Firma Grasmann einen Fahrschulbus. Im Prinzip ein normaler Linienbus, der mit wenigen Handgriffen umgebaut wird. Das bedeutet: ein zusätzlicher Sitz auf der rechten Seite und Pedale für den Fahrlehrer.

Hier sitzt Jung, während auf dem Fahrersitz sein Schüler Sinan Ülger Platz nimmt. Der 35-Jährige kommt aus der Industrie und spricht auch von gesundheitlichen Gründen für die Neuorientierung. Er ist seit Mitte März dabei und es macht ihm Spaß. Er spricht von "großem Respekt" mit dem er den Fahrzeugen begegnet sei: "Ich bin noch nie so etwas Großes gefahren." Er habe sich zu Beginn fast nicht auf die Straße getraut, wollte lieber im Hof üben. In der Fahrschule werden zum Teil die späteren Linien abgefahren. Jede Einheit dauert viermal 45 Minuten, also drei Stunden. So ist es möglich, Linien nach Lohr oder Würzburg kennenzulernen.

Fahrschulgründung ein Wagnis

Kathrin Grasmann, die Geschäftsführerin, ist froh über ihren ungewöhnlichen Schritt. Es sei auch ein Wagnis, denn ihr Unternehmen gehe mit bis zu 10.000 Euro je Fahrschüler in Vorleistung. So viel kostet der Busführerschein inzwischen. Derzeit arbeite man an einer Zertifizierung, damit Förderungen vom Job-Center möglich werden. Die Ausbildung in Vollzeit über rund drei Monate ergebe Sinn: So könnten die neuen Mitarbeiter direkt eingearbeitet werden.

Sinan Ülger (35) macht die Ausbildung bei Grasmann.
Foto: Steffen Schreck | Sinan Ülger (35) macht die Ausbildung bei Grasmann.

Mit Personal aus dem Ausland sei es schwierig: Führerscheine aus der Türkei oder der Ukraine werden laut Grasmann nicht anerkannt.

In ihrem Unternehmen seien einige Fahrer 20 oder 30 Jahre dabei. "Die gehen Richtung Rente. Da ist es Zeit, für Nachfolger zu sorgen", sagt Grasmann. Viele Rentner fahren laut ihr gerne nebenbei. Sie müssten nur Gesundheitscheck und Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) bestehen, um ihren Führerschein zu verlängern. Man sei so flexibel, dass man die meisten Wünsche der 50 Mitarbeiter abbilden könne: "Auch Hausfrauen und Mütter können das, Teilzeit, vieles ist möglich."

Hintergrund: Das sagen andere Chefs zum Fahrermangel

Karlheinz Sommer vom gleichnamigen Unternehmen in Roden-Ansbach bestätigt den Fahrermangel. Es fehlen laut ihm junge Leute, die früher ihren Führerschein bei der Bundeswehr gemacht hatten. Vor allem gute Leute seien schwer zu bekommen. Neben dem Stammpersonal fahren Aushilfen. Das ermöglicht, Linienfahrern am Wochenende frei zu geben: "Ich habe hier Aushilfen, die fahren am Samstag die Linien." Auch bei ihm ist der Anteil an älteren Busfahrern hoch. Die Löhne sind laut Sommer zu niedrig.
Hier müsse die gesamte Branche gegensteuern. Ein einzelnes Unternehmen könne nicht die Löhne erhöhen. "Normal muss ein Fahrer auch ohne Überstunden von seinem Lohn leben können", wünscht sich Sommer. Seinen Nachwuchs schickt er in eine Fahrschule nach Kelheim. Dort dauert der Kurs sechs Wochen. Auch Sommer hat inzwischen einen eigenen Fahrschulbus: Für normale Fahrschulen lohne sich die Anschaffung kaum.
Franz Hock von Main-Spessart-Reisen in Steinfeld hat in drei Firmen 90 Mitarbeiter, davon 60 Fahrer. "Wir suchen immer ein oder zwei gute Fahrer", sagt er. Da es eine natürliche Fluktuation gebe, müsse man immer ein oder zwei Fahrer mehr vorhalten. Das Thema Überalterung könne man bei ihm auch sehen. Das Mindestalter von 24 Jahren sorge dafür, dass niemand gleich nach der Schule eine Ausbildung machen kann: "Nach der Wende war das mal bei 18 Jahren, später bei 21 und jetzt bei 24." Auch er übernimmt einen Teil der Kosten für die Führerscheine und hat einen Fahrschulbus.
(sts)
 
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  • steffen.cyran@freenet.de
    "...Kathrin Grasmann, die Geschäftsführerin, ist froh über ihren ungewöhnlichen Schritt. Es sei auch ein Wagnis..."

    Nichts ungewöhnlich. Kein Wagnis. Schlecht recherchierter Artikel.

    Die Fa. Grasmann hatte jahre- (wenn nicht jahrzehnte-)lang eine Fahrschule für Busfahrer, bis der Fahrlehrer Herr Schludt vor einigen Jahren in Ruhestand gegangen ist.
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