Soldaten am Mainufer von Neuendorf? Sprünge von der Eisenbahnbrücke? Für Vorbeifahrende auf der B 26 oder auf dem Radweg oft ein irritierender Anblick. Für die Neuendorfer ist die Gewässerausbildung der Bundeswehr jedoch kein ungewöhnliches Bild mehr. Und dennoch weckt es die Neugier, die Frage nach dem Grund und dem Inhalt dieser soldatischen Handlungen in unmittelbarer Nähe zur Nantenbacher Kurve.
"Die räumliche Nähe zu Hammelburg, der Main und die vorhandene Brücke machen dieses Gebiet optimal für uns". Major Mario, Chef der V. Inspektion des Ausbildungszentrums Infanterie begleitet die Gewässerausbildung, die als Teil des Einzelkämpferlehrgangs zu absolvieren ist.
"Die Bundeswehr ist Gast", sagt der Major trotzdem gilt dieser Standort unterhalb der Ruine Schönrain mit offizieller Anmeldung bei der Kreisverwaltung und Zusicherung, die naturschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten, bereits als fester Bestandteil des Jahresausbildungsplans der Bundeswehr.
Höchstleistung in Extremlage
Doch was bedeutet Einzelkämpferlehrgang? Die Basis bildet das Erbringen körperlicher und mentaler Höchstleistungen in Extremsituationen mit dem Ziel, eine auf sich gestellte Gruppe hinter feindlichen Linien zu führen. Da die Soldaten unter realen Bedingungen trainieren, wissen sie während des vierwöchigen Lehrgangs nicht, welche Aufgaben sie bewältigen müssen.
Zu erwarten sind: lange Marschstrecken, schweres Gepäck, Schlafentzug, massive Stressfaktoren, dazu die ständige (fiktive) Bedrohung eines feindlichen Angriffs – kurzgesagt: das Überleben unter erschwerten Bedingungen. "Der Kern ist das Führen unter Belastung", erklärt der Major, der seit 2016 Ausbilder der Einzelkämpfer ist. "Das Ziel liegt darin, Kampfkraft für den Ernstfall zu entwickeln und autark zu überleben."
Der Einzelkämpferlehrgang der Bundeswehr findet am Ausbildungszentrum Infanterie in Hammelburg jährlich bis zu 20 Mal mit einer maximalen Teilnehmeranzahl von 75 Personen statt. Doch der Eingangstest und die ersten Tage fordern ihren Tribut, den hohen Belastungskriterien sind nicht alle Soldaten gewachsen.
19 Teilnehmer zählte diesmal der Lehrgang am Tag der Gewässerausbildung Ende Februar. Die Offiziere der Kampftruppe müssen unter zeitlichen Vorgaben Stationen bewältigen: der Bau eines Behelfsfloßes, das Übersetzen in einem Zehn-Mann-Schlauchboot, sowie das bekleidete Schwimmen im Fluss mit 40 Kilo schwerem Zeltbahnpaket lauten die Aufgaben vor Ort. Letztendlich bringt der "Mut-Sprung" die künftigen Einzelkämpfer an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Im dunklen Brückenpfeiler erklettern sie die Bahnbrücke der Nantenbacher Kurve, bevor sie 13 Meter herab in den kalten Main springen und zurück zum Ufer schwimmen müssen.
Angst hilft in Gefahr
"Wir müssen eigene Ängste überwinden und es schaffen, im Rahmen dieser Ausbildung unsere Resilienz zu fördern", sagt der Ausbilder und springt als Erster der Gruppe. "Angst ist grundsätzlich etwas Gutes für den Menschen – sie schüttet Adrenalin aus und hilft der Konzentration. Und in Gefahr zu bestehen."
Nach der Gewässerausbildung stehen weitere kraftzehrende Aufgaben bevor. Die Stärkung der psychischen und körperlichen Widerstandsfähigkeit steht dabei immer ganz oben. Krisen meistern, Dauerstress aushalten, dabei auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zurückgreifen fordert Vertrauen in die Kameraden und entwickelt Gemeinschaftssinn. "Es nennt sich zwar Einzelkämpferausbildung – doch das Team, die Kameradschaft spielen dabei eine wichtige Rolle", betont Hauptmann Norman Möller, Presseoffizier der Bundeswehr Hammelburg. Ist der Lehrgang bestanden, erhalten die Einzelkämpfer ein Abzeichen und können als Zugführer im In- und Ausland eingesetzt werden.
Nähere Informationen zur Ausbildung sind am 16. Juli beim "Tag der Schulen" am Standort Hammelburg möglich; Anfragen unter AusbZInfPresse@Bundeswehr.org