Der stadtgeschichtliche Teil des Gemündener Huttenschlosses ist seit dem vergangenen Wochenende um zwei besonders gestaltete Zimmer bereichert.
Beim Gemündungsfest übergaben Bürgermeister Jürgen Lippert, die Vorsitzende des Historischen Vereins Gemünden und Umgebung, Lotte Bayer, und der Obermeister der Fischerzunft Gemünden, Thomas Hartmann, das „Bürgerzimmer“ und das „Zimmer der Fischerzunft“ der Öffentlichkeit.
Das neu gestaltete „Bürgerzimmer“ – das frühere Trauzimmer der Stadt – ist vorwiegend im Biedermeier-Stil gestaltet und besonders vier „großen Söhnen“ der Stadt Gemünden aus dem 19. und 20. Jahrhundert gewidmet. Bayer stellte bei der Eröffnung die Vita der Personen vor.
Apotheker und Bürgermeister
Da ist zum Beispiel der 1847 geboren und 1913 verstorbene Apotheker Otto Christin, der bis 1912 ein Vierteljahrhundert lang als Bürgermeister in der Stadt wirkte. Ihm verdankt Gemünden viele Neuerungen wie gepflasterte Straßen und den Ausbau der Gehwege vor allem in der Bahnhofstraße, die wie eine Allee angelegt war und als Prachtstraße galt.
Unter Otto Christins Ägide entstanden 1908 die zentrale Wasserversorgung und die elektrische Beleuchtung der Straßen, das öffentliche Schlachthaus und die erste Kinderbewahranstalt. Auch gründete der Apotheker Christin einen Krankenpflegeverein und eine ambulante Krankenstation. 1912, ein Jahr vor seinem Tod, verlieh ihm seine Heimatstadt die Ehrenbürgerwürde.
Großartiger Pädagoge
Lotte Bayer bezeichnete Johann Michael Herberich (1854 bis 1930) als einen guten Menschen und großartigen Pädagogen. Er sollte im Auftrag der Regierung von Unterfranken eine „Kretinanstalt“ für die Verwahrung geistig behinderter Kinder in der alten Glashütte gründen. Doch Herberich lag am Herzen, dass jedes Kind individuell, entsprechend seiner Fähigkeiten gefördert werde. Dazu gehörte für ihn Schulunterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion, Sprachunterricht, Gesang, Turnen und Handarbeit. Das Ziel war, die Kinder so weit zu bringen, dass sie einmal die Anstalt verlassen und sich draußen in der Gesellschaft behaupten können. „Er war ein Pionier und seiner Zeit und seiner Denkweise weit voraus“, sagte Bayer.
Wiederaufbau der Stadt
Auch Dr. Joseph Büchner (1910 bis 1994) prägte das Gesicht Gemündens. Der Lehrer wurde mit 41 Jahren erstmals zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt. Nach einer Wiederwahl musste er 1960 sein Amt niederlegen, weil er zum Ministerialbeauftragten für das Schulwesen in Würzburg ernannt wurde. Büchner lag vor allem der Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Stadt am Herzen. Er habe Gemünden zu Rang und Ansehen verholfen, hieß es in der Laudatio zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde.
Wohltäter der Stadt
Der Vierte im Bunde der besonderen Persönlichkeiten ist Dr. Heinrich Leonard Ronkarz (1782 bis 1852). Den Arzt und königlichen Physikus bezeichnete Bayer als Wohltäter der Stadt. Davon kündet nicht nur die besonders gestaltete Gartenanlage, von der heute noch das „Ronkarzgärtchen“ zeugt und für die Stadt als Alleinstellungsmerkmal gelten darf. Ronkarz unterstützte auch eine Umfassungsmauer mit prachtvollem Eingangsportal für den Friedhof in Kleingemünden und trat aktiv für den Erhalt des Klosters ein. Das Kloster Schönau bezeichnete ihn als einen Freund des Hauses.
Für die Gestaltung des „Bürgerzimmers“ haben sich die Mitglieder des Museumsbeirats eingesetzt. Von den vier vorgestellten Persönlichkeiten sind nicht nur große Bilder zu sehen, sondern es können auch ihre jeweiligen Lebensläufe in Form einer Zeitung an der Wand nachgelesen werden. Die Einrichtung des Zimmers wird von einem Biedermeier-Sofa, passenden Stühlen und einem Tisch aus Wurzelholz ergänzt.
Der Sprecher des Beirats, Hubert Schuster, hob die sehr gute Zusammenarbeit der Vereine und der Stadt hervor. Besonders dankte er den Firmen und Sponsoren, die die Ausstattung zur Verfügung stellten. Bürgermeister Lippert würdigte das besondere Engagement und freute sich, dass nun die Stadtgeschichte in weiteren Aspekten repräsentiert werde.