"Erstaunlich viele Leute da, obwohl die Zeit doch so ungünstig ist", lästerte Gerhard Michel. Die Bemerkung konnte sich der Gefahrgutbeauftragte bei Kirsch & Sohn in Gemünden nicht verkneifen, hatte er sich doch viel Kritik anhören müssen, Verärgerung über die neuen Annahmezeiten für Problemmüll in Lohr: an jedem dritten Dienstag im Monat von 12 bis 14 Uhr.
Bis Ende des vorigen Jahres nahm der städtische Bauhof an jedem Samstagvormittag Problemmüll entgegen. Das ist nicht mehr möglich, weil nach Angaben des Landratsamtes die Lagerung des Mülls im Bauhof nicht mehr den rechtlichen und sicherheitstechnischen Vorgaben entspricht.
Statt dessen steht an jedem dritten Dienstagmittag ein mobiles Sammelfahrzeug auf dem Kirsch-Gelände an der Bürgermeister-Nebel-Straße gleich neben den großen Schütthalden des MS-Umweltservices. Das Fahrzeug ist nagelneu, verfügt über einen Anhänger mit Container darauf und heißt neudeutsch "Safety-Truck. Das Remondis-Schadstoffmobil". Remondis hat Kirsch & Sohn gekauft.
Nach aktuellen Regeln gebaut
Was hat der Safety-Truck, das der städtische Bauhof nicht mehr hat? "Das Fahrzeug ist nach der aktuell gültigen TRGS gebaut", erläuterte Michel. Dabei handelt es sich um die "Technischen Regeln für Gefahrstoffe". Ferner sei mehr Platz, der Einwurf in die verschiedenen Sammelbehälter bequemer und die Behälter seien zahlreicher, ergänzte Kirsch-Mitarbeiter Paul Mees.
Beim ersten Einsatz in Lohr am 22. Januar hat er rund 15 bis 20 Ablieferer gezählt, an diesem Dienstag waren es in der ersten halben Stunde schon mehr als zehn. Es ging Schlag auf Schlag, zeitweise bildete sich eine kleine Autoschlange. Mees ist sich sicher: "Wenn sich das erst einmal durch Mundpropaganda herumgesprochen hat, werden es noch mehr." Die Termine im Abfallkalender des Kreises liest schließlich nicht jeder.
Abgegeben werden laut Mees viele Farbreste, eingetrocknete Lacke, Leuchtstoffröhren. Das Mobil nimmt auch spezielle Batterien (1,5 Volt) und Akkus entgegen. Zahlreich sind auch die abgegebenen Spraydosen. Daneben kommt eine bunte Palette an Müll zusammen, der in der normalen Abfallentsorgung nichts verloren hat: Quecksilber, Spritzmittel, abgelaufene Feuerlöscher.
"Man muss sich freinehmen"
Der Andrang kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stimmung der Anlieferer mies ist. Keiner will seinen Namen in der Zeitung lesen, die meisten sind der Redaktion namentlich bekannt. Die neue Annahmezeit sei ungünstig, sie habe vier Wochen lang darauf gewartet, sagte eine Frau. Dass sie den Problemmüll nicht mehr im Bauhof abgeben darf, "kann ich nicht ganz nachvollziehen". "Heutzutage muss man froh sein, wenn man's überhaupt entsorgt bekommt", meinte ein Mann. Er befürchtet, dass viele ihren Problemmüll jetzt in den Wald werfen.
Klartext spricht ein Lohrer in Handwerkerkluft: "Das ist ganz große Sch... Mit dem städtischen Bauhof jeden Samstag war's top. Der Müll landet doch jetzt in der Gegend oder in der schwarzen Tonne. Das kommt wie ein Bumerang zurück." Er ist aus Neugier zum ersten Mal da, "ob ich wieder komme, weiß ich nicht".
"Samstags im Bauhof besser"
"Das ist ein Witz, man muss sich im Job freinehmen, um den Müll abzugeben", beschwerte sich eine Lohrerin, die in der Innenstadt arbeitet. Die Entsorgungsmöglichkeit jeden Samstag im Bauhof sei besser gewesen. "Das ist nicht bürgerfreundlich."
Der eingesammelte Problemmüll wird in Gemünden auf dem Firmengelände getrennt nach Fraktionen aufbewahrt, bis sich der Weitertransport lohnt. Ein Teil landet beim Verwerter, ein anderer Teil wird bei GSB in Aschaffenburg oder Bad Ebenhausen, einer Firma für die Entsorgung von Sonderabfall, bei höheren Temperaturen als in der normalen Müllverbrennung verbrannt.
Nach einer halben Stunde ebbte der Ansturm aufs Sammelfahrzeug ab. Paul Mees glaubte nicht, dass das schon alles war: "Neulich in Marktheidenfeld kam kurz vor Schluss noch mal ein ganzer Schwung von sechs oder sieben Leuten."