
Es waren Bücher, die vor fast 600 Jahren dafür sorgten, dass sich der Kultur- und Wissenstransfer globalisieren konnte: Durch den 1440 erfundenen Buchdruck kamen europäische und arabische Wissenschaftler intensiver in Kontakt. Im IT-Zeitalter nun wird regelmäßig der Tod des Buches vorhergesagt. Doch Bücher sind nach wie vor attraktiv, sagt Sylvia Rosenberger von der Bibliothek in Lohr. So attraktiv sind sie bisweilen, ergänzt die Lohrer Buchhändlerin Marianne Seubert-Emrich, dass man sie kaum bekommt.
Zu den meisten Dingen in unserer komplexen Welt kann man letztlich nur ein laienhaftes Urteil abgeben. Außer, man nimmt sich die Zeit und informiert sich tiefer. Im Internet. Oder in Büchern. Gerade, was aktuelle Themen wie den Ukraine-Krieg anbelangt, sind Sachbücher mit Hintergrundinformationen nach wie vor gefragt, so Sylvia Rosenberger. Am allerbesten allerdings gehen Krimis. Alpenkrimis zum Beispiel sind bei Lohrs Bibliotheksnutzern gerade populär. Oder regionale Krimis wie Günther Huths "Schoppenfetzer". Insgesamt gibt es im Moment 1685 aktive Leser. Als solcher wird gezählt, wer mindestens einmal im Jahr etwas ausleiht.
Besucherzahlen steigen wieder
Es lässt sich natürlich nicht in Abrede stellen, dass das Buch große Konkurrenz vom Internet bekam. Allerdings bleiben Bibliotheken für viele Bürger unverzichtbare Orte. Mehr als 16.780 mal wurde die Lohrer Bücherei 2023 besucht, so Sylvia Rosenberger: "Das waren über 2500 Besuche mehr als 2022." Das ist erfreulich, wobei man insgesamt noch nicht auf Vorkrisenniveau ist. Auch, was die Ausleihe anbelangt. Bis Anfang 2020 wurden jedes Jahr über 100.000 haptische Medien, also Bücher, Zeitschriften oder Spiele, ausgeliehen. 2023 waren es 61.700.
Gleich neben dem Foyer der Lohrer Bibliothek gibt es einen Lesesaal mit dem Charakter einer Cafeteria en miniature. Für einen geringen Preis kann man sich am Automaten Kaffee holen und gemütlich in einer Zeitung schmökern. "Dieses Angebot wird rege genutzt", sagt Sylvia Rosenberger. Aber auch Veranstaltungen sind beliebt. Zum "Welttag des Buches" am 23. April wird die Münchner Jugendbuchautorin Meike Haas nach Lohr kommen und vor Grundschülern aus ihrem neuen Buch lesen. "Hilfe, meine Lehrerin ist ein Gorilla", heißt es. Bis Mai sind außerdem monatliche "Bilderbuchkinos" für Kinder in der Lohrer Bibliothek geplant.
Wartelisten und Vorbestellung
Unterm Strich lässt sich laut Sylvia Rosenberger absolut nicht sagen, dass kein Interesse mehr an Büchern oder Bibliotheken bestünde. Gerade an Bestseller-Krimis sei das Interesse so groß, dass es, erscheint das Buch, sofort mehrere Vorbestellungen und längere Wartelisten gibt. Rita Falks bayerischer Provinzkrimi "Steckerlfisch-Fiasko" zum Beispiel ist, kaum retour, sofort schon wieder ausgeliehen. Das gleiche gilt für "Monster" von Nele Neuhaus. Sylvia Rosenberger selbst liest ebenfalls nach wie vor sehr gerne analoge Bücher: Im Moment eine Biografie über Königin Sylvia sowie den Roman "Die Roseninsel" von Anna Reitner.
Bücherfans finden in Lohr neben der städtischen Bibliothek außerdem die mit dem Qualitätssiegel "Partner der Schulen für Leseförderung 2023/2024" ausgezeichnete Buchhandlung Schöningh. Auch hier kann man sich über mangelndes Interesse an Büchern nicht beklagen. Wie beliebt das analoge Buch nach wie vor ist, zeigt Buchhändlerin Marianne Seubert-Emrich am Beispiel eines Bestsellers aus dem vergangenen Jahr auf: "Ich verspreche dir: Ich werde nicht sterben" von Denise und Hendrik Verst. "Hier war der Hype so groß, dass wir das Buch überhaupt nicht bekommen konnten", sagt sie. So etwas habe es schon lange nicht mehr gegeben.
Dass es Bücher, an denen viele interessiert sind, irgendwann nicht mehr im Laden gibt, weil auch das allerletzte Exemplar weg ist, das wiederum kommt öfter vor. Früher musste man dann ein wenig bis zur Nachproduktion im Verlag warten. "Inzwischen geht das nicht mehr zeitnah", so Marianne Seubert-Emrich. Ist ein Bestseller heute ausverkauft, kann es sein, dass erst wieder im März nachgeliefert wird: "Das liegt an der aktuellen Papierknappheit." Die Nachfrage nach Papier auf dem globalen Markt ist riesig. Vor allem China sorgt für immense Konkurrenz: "Bei Verlagen wird Papier deshalb gerade knapp eingekauft."
Lesetipps sehr geschätzt
Gefrönt wird der Lust an Büchern nicht nur im stillen Kämmerlein. Viele Lohrer lieben es, in die Bibliothek oder in die Buchhandlung zu gehen, hier mal reinzuschauen, dort mal nachzuschlagen, genüsslich zu stöbern. Fast erstaunlich ist für Marianne Seubert-Emrich, wie begehrt die gedruckten Prospekte auf dem Ständer vor ihrer Buchhandlung sind: "Sie werden uns förmlich aus der Hand gerissen."
Menschen mit bibliophiler Ader schätzen die hier veröffentlichten Lesetipps von Buchhändlerinnen und Buchhändlern. Andrea Schwitt-Graf aus Wertheim zum Beispiel empfiehlt im aktuellen Schöningh-Magazin die Geschichte "Mameleben" von Michel Bergmann. Was nun steht obenan auf der Leseliste von Marianne Seubert-Emrich? Aktuell, gibt die Buchhändlerin zu, nichts Bestimmtes. Der Weihnachtsstress ließ ihr zu wenig Zeit, sich mit Lektüre zu befassen.
Erst kurz vor Dreikönig begann sie, die ersten Verlagsprogramme für dieses Frühjahr, die inzwischen eingetrudelt sind, zu sichten. Bisher allerdings fand sie darin nichts, was sie vom Hocker gehauen hätte: "Belletristisch kommt sicherlich einiges Interessante heuer im Frühjahr, doch noch könnte ich von keinem Buch sagen, dass es wahrscheinlich ein Bestseller wird."