Jahrzehntelang haben es Lohrer getrunken: Grundwasser aus Lohrs wohl tiefsten Brunnen, zum Brauen von Bier verwendet. Jetzt, da die Brauerei Stumpf nicht mehr existiert, könnte es bald anderen Zwecken dienen: Dem Kühlen des multifunktionalen Gebäudes, das auf dem ehemaligen Brauereigelände entsteht.
Anfang Dezember sei die Entscheidung gefallen, erklärte Projektleiter Matthias-Marcus Wanner von der Krakat Real Estate (KRE) Group auf Anfrage der Redaktion. Der entsprechende Nutzungsantrag sei inzwischen im Landratsamt eingegangen, bestätigte dessen Pressestelle.
Laut Landratsamt, so Wanner, hatte die Brauerei Stumpf ein unbefristetes Altrecht, aus dem Tiefenbrunnen der Brauerei bis zu 44 800 Kubikmeter Grundwasser zu fördern. Ab 1968 sei es vermischt worden mit dem Wasser der Fuchsenquelle am Fuße des Valentinusbergs, ergänzte der langjährige Braumeister Hermann Distler, inzwischen seit 20 Jahren in Rente, auf Anfrage der Redaktion. Das Nutzungsrecht für den Brunnen galt laut Wanner ausschließlich für den 2011 eingestellten Brauereibetrieb.
Zunächst nur 54 Meter tief
Nun kam die KRE Group auf die Idee, den Brunnen thermisch zu nutzen und beauftragte einen öffentlich bestellten Gutachter mit einer Untersuchung. Demnach stammt die erste Aufzeichnung zu dem Brunnen aus dem Jahre 1929. Aus diesem Jahr sei eine Tiefe von 54 Metern dokumentiert, zitiert Wanner aus dem Gutachten.
Der Brunnen liegt mitten auf dem Brauereigelände. In einem Plan vermerkt worden sei seine Lage aber erst im Jahre 1969, führt der promovierte Ingenieur aus. Der Schacht sei durch ein Mauerwerk aus Ziegeln geschützt worden. Dessen Rest wurde nun bei den Abbrucharbeiten bis knapp über das Bodenniveau des zweiten Kellergeschosses abgetragen.
„Von diesem Schacht aus wurde ein Bohrbrunnen angelegt, der mit verzinkten Rohren und einem Durchmesser von 40 Zentimetern und einer Tiefe von 63 Metern ausgebaut wurde“, erklärte Wanner. Der neueste Ausbauplan aus dem Jahre 1989 zeige die Ausstattung mit V4A-Edelstahlrohrenund dem Durchmesser von 30 Zentimetern. Der Brunnen sei in einem guten Zustand, habe der Gutachter festgestellt.
Machbarkeitsstudie: Es lohnt sich
Daraufhin gab der Bauträger eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, inwieweit man den Brunnen in Verbindung mit einer Wärmepumpe zu Heiz- und Kühlzwecken nutzen könne. „Da dies eine überaus nachhaltige Nutzungsform ist, in welcher das Grundwasser abgepumpt, die Kälte entzogen und das Grundwasser wieder unberührt in den Boden zurückgeführt wird, haben wir uns entschieden, diesen Weg planerisch weiter zu verfolgen und einen Antrag auf diese Form der Nutzung beim Wasserwirtschaftsamt zu stellen“, fasste Wanner das Ergebnis zusammen. Der entsprechende Antrag wurde noch im Dezember 2018 eingereicht.
Um die Temperatur des Grundwassers zu nutzen – gemessen werden hier rund zwölf Grad Celsius –, brauche es allerdings einen zweiten Brunnen: Das Grundwasser, das im Saugbrunnen nach oben gepumpt wird, soll ja sofort wieder in einem Schluckbrunnen zurückgeführt werden. Dieser wird laut Wanner derzeit geplant.
Deutlich unter Main-Niveau
Bemerkenswert ist: Schon 1929 reichte die Brunnensohle bis 34 Meter unter das Niveau des Mains. Sehr wahrscheinlich ist der Brunnen zu diesem Zeitpunkt jedoch schon mehrere Jahrzehnte alt gewesen. Denn nach Auskunft von Holger Steiger, dem Pressesprecher des Landratsamts, ist er bereits in einem Vermessungsblatt aus dem Jahr 1874 eingezeichnet.
Interessant auch: Obwohl der Brunnen so tief in den Sandstein hinein gebohrt wurde, reichte die Saugpumpe nur etwa 16 bis 18 Meter hinunter, erinnert sich der langjährige Braumeister Hermann Distler, der inzwischen schon seit 20 Jahren in Rente ist. Alle zwei, drei Jahre sei sie herausgeholt und gereinigt worden. In trockenen Sommern übrigens, so hat er bemerkt, sei der Wasserpegel niedriger gewesen.
Um fünf Grad aufwärmen ist zulässig
Gerade in heißen Sommern soll das Grundwasser künftig für angenehmes Raumklima sorgen. Um fünf Grad erwärmt dürfe man das zwölf Grad kalte Grundwasser wieder in den Kreislauf zurückführen, führt Wanner aus. Damit werde man bei zwei Gebäudeteilen an 190 Tagen bis zu 30 000 Kilowattstunden konventioneller Kälteleistung einsparen. Die Betriebskosten liegen geschätzt unter 1200 Euro, überschlägt der Ingenieur. Gegenüber einer herkömmlichen Klimaanlage spare man dadurch 9000 bis 11 000 Euro.