Beton, Stahl, Glas – die Art und Weise, in der die Bosch Rexroth AG derzeit in ihrem Stammwerk am Rande der Lohrer Altstadt einen großen Büroneubau hochziehen lässt, ist klassisch. Alles andere als klassisch sollen die Büroarbeitsplätze werden, die das Unternehmen auf den vier Stockwerken unterbringen will. Der auf 20 Millionen Euro veranschlagte Bau ist für Rexroth Pilotprojekt für eine neue Arbeitsorganisation. Wenn die Veränderungen im Büroalltag funktionieren, soll das Modell Zug um Zug in andere Lohrer Büros des Unternehmens ausgerollt werden.
Die Schlagworte lauten: Desksharing, Smart Work und mobiles Arbeiten. Allesamt stehen sie für einen Umbruch in der Büro-Arbeitswelt. Dieser Wandel trägt einerseits jüngsten Zwängen wie der Corona-Pandemie und dem daraus folgenden Trend zur Arbeit im Homeoffice Rechnung. Andererseits geht es auch darum, Arbeit flexibler und effizienter zu gestalten.
Nicht mehr häuslich einrichten
Deswegen, so erklärt Thomas König, werden die Zeiten, in denen sich Mitarbeiter an ihrem Schreibtisch mit Pflanzen, Bildern und sonstigen Utensilien fast schon häuslich einrichten, früher oder später der Vergangenheit angehören. König ist Standortsprecher und kaufmännischer Leiter für Rexroth in Lohr. Er und Frank Theil, Fertigungsleiter für den Bereich der Industriehydraulik und verantwortlicher Leiter für den gesamten Rexroth-Standort, schilderten im Gespräch mit der Redaktion, wie das neue Bürogebäude bei Rexroth auch neue Arbeitsgewohnheiten mit sich bringen wird.
Veranschaulichen lässt sich der Abschied von alten Gepflogenheiten mit zwei Zahlen: Der im Werk I an der Haaggasse entstehende Bürobau soll ab Mitte kommenden Jahres Arbeitsplatz für 350 Büromitarbeiter werden. Schreibtische wird es dort jedoch nur rund 240 geben. Und an den wenigsten wird immer der gleiche Mitarbeiter oder die gleiche Mitarbeiterin sitzen.
Flexible Nutzung der Plätze
Stattdessen sei die flexible Nutzung der Arbeitsplätze das Modell der Zukunft, so Theil. Die Schreibtische werden dafür lediglich mit Bildschirmen ausgestattet. An sie kann sich ein Mitarbeiter mit seinem Laptop anschließen. Wer wo sitzt, werde am Morgen "nicht per Zufallsgenerator entschieden", erklärt Theil. Stattdessen würden sich "die Mitarbeiter ihren Schreibtisch danach aussuchen, mit wem sie an diesem Tag zusammenarbeiten". Natürlich werde es in den Großraumbüros gewisse "Inseln" geben, beispielsweise für eine bestimmte Marketingabteilung. Innerhalb dieser Insel könne sich jeder Mitarbeiter seinen Schreibtisch frei wählen.
Freiheit der Selbstorganisation
Theil spricht von der "Freiheit, die Zusammenarbeit selbst zu organisieren". Details dazu würden in den nächsten Wochen und Monaten ausgearbeitet. Sobald der Neubau bezogen ist, werde man am Objekt lernen und Erfahrungen sammeln. "Wenn es funktioniert, werden wir es auf andere Büros ausdehnen", so Theil.
"Es wird Tradition auf etwas Neues stoßen", so Managerkollege König. Für Rexroth in Lohr sei diese Form der Arbeitsorganisation Neuland. An anderen Standorten habe das Unternehmen jedoch bereits Erfahrung damit gesammelt, beispielsweise im 2021 eröffneten neuen Kunden- und Innovationszentrum in Ulm. Auch der Bosch-Konzern habe das Verfahren andernorts schon ausprobiert, so König. Zum Teil gebe es dort in den Abteilungen für jeden Mitarbeiter nur noch einen Spind. Mit dem darin deponierten oder von Zuhause mitgebrachten Laptop mache sich der Mitarbeiter Tag für Tag auf den Weg zu einem anderen Schreibtisch.
Daran, dass die flexiblere Organisation von Arbeitsabläufen und Zusammenarbeit das Modell der Zukunft ist, hat König keinen Zweifel: "Es ist heute einfach nicht mehr so, dass der Chef am Morgen reinkommt und erst mal durchzählt, ob alle da sind." Durch die neue Organisation werde nicht weniger effizient gearbeitet, sondern einfach nur anders. König sieht in dem Wandel auch eine Entwicklung hin zu modernem Arbeiten. Er hofft, dass sich Mitarbeiter dadurch am Arbeitsplatz wohler fühlen, schließlich müsse man als Unternehmen attraktiv für die Mitarbeiter sein und bleiben.