Eine "fordernde und harte Ausbildung." So beschreibt Leutnant Charlene Becker die achtwöchige Ausbildung zum "United Nations Military Observer" – einem Militärbeobachter im Dienste der Vereinten Nationen. Becker gehört zum etwa 100-köpfigen Stab der Ausbilder, Betreuer und Statisten für die 21 Absolventen aus der Hammelburger Bundeswehr- Ausbildungsstätte, die in diesen Tagen einen praktischen Teil am Ende des Lehrgangs auf dem Main im Landkreis Main-Spessart absolvieren.
Am Gemündener Schutzhafen starten an diesem Morgen sechs Anwärter zu einer fingierten Bootspatrouille. Was dort passiert, was sie genau erwartet, das wissen sie nicht – so, wie es eben auch im Ernstfall sein könnte. Sie müssen auf jedes Szenario vorbereitet sein. Neben den Übungseinheiten im Hubschrauber und an Land zählt auch das Training auf dem Gewässer zur praktischen Ausbildung dazu.
Nach der Ausbildung geht es in Kriegsgebiete
Der Leiter des Ausbildungszentrums Hammelburg für die Blauhelmsoldaten heißt Oberst Werner Klaffus. Seit 1982 ist er Soldat und hat viel Erfahrung bei Auslandseinsätzen gesammelt. Dieses Wissen gibt er jetzt an seine Lehrgangsteilnehmer weiter. Mindestens ein halbes Jahr werden die ausgebildeten Beobachter nach Abruf in Kriegsgebiete ihren Dienst verrichten, manche von ihnen sind bis zu zwei Jahren vor Ort.
Oberst Klaffus ist ein hochgewachsener Mann mit freundlicher Stimme. Dennoch ist ihm anzumerken, dass er das Befehlen gewohnt ist. Es gibt für ihn und seine weiteren Ausbilder klare Merkmale, auf die sie während der Ausbildung der UN- Anwärter achten. "Vor allem kommt es darauf an, dass unsere Soldaten mental in der Lage sind, Krisensituationen friedlich und effizient zu lösen."
Während der Hauptteil der Übungseinheiten auf dem Hammelburger Bundeswehrgelände stattfindet, muss auch die Realität simuliert werden. "Normalerweise beziehen die Lehrgangsteilnehmer zivile Lager in der Umgebung und müssen jederzeit mit kritischen Situationen rechnen", so Klaffus. Coronabedingt komme es jetzt aber nur tageweise zu Übungen außerhalb der Kaserne. Auch die Internationalität entfalle wegen der Pandemie; dieses Jahr dürfen nur deutsche Soldaten die Ausbildung in Hammelburg durchlaufen.
Hohes Niveau bei der Ausbildung von Militärbeobachtern
Jedes Jahr bildet dort die Bundeswehr 75 Militärbeobachter aus ganz Deutschland aus. Oberst Klaffus verweist auf ein sehr hohes Niveau. "Wir wollen gestandene Soldaten für diese Einsätze, die Erfahrung und Respekt mit sich bringen." In den Kriegsgebieten sind die Blauhelm- Soldaten ohne Waffen unterwegs.
Das Drehbuch der Szenarien denkt sich Hauptmann Krämer, der ebenfalls Ausbilder ist, aus. Am Ende der vorgesehenen Aufklärungsfahrt, so verrät er dem Reporter, wird es zu einem simulierten Notfall kommen, erklärt er: Eine Person muss aus dem Main geborgen werden.
Wie bei einem realen Einsatz gestaltet sich die Ankunft der Lehrgangsteilnehmer der "Blue Banner II"- Übung. In kurzen Fragen wird die Situation und die Aufgabenstellung geklärt. Die künftigen UN-Soldaten müssen eine zuvor gekennzeichnete Waffenstillstandslinie mit Pufferzone kontrollieren. Die Bundespolizei simuliert vor Ort die in Krisengebieten anwesende UN-Polizei.
Krämer betont die Wichtigkeit der Militärbeobachter, die jeden Abend einen Lagebericht versenden, der im UNO- Hauptquartier in New York über das weitere Vorgehen entscheiden wird.
Zwei Überraschungen: Motorausfall und Person im Fluss
Die Blauhelme haben mittlerweile ihre Leitfragen vor Ort geklärt und ein Schlauchboot bestiegen. Aufmerksam beobachten die Soldaten – darunter auch eine Frau – das Ufer. In einem weiteren Begleitboot sitzt Oberst Klaffus und beobachtet wiederum seine Lehrgangsteilnehmer. Plötzlich fällt der Motor aus, endet die flotte Fahrt. Nun müssen die Soldaten selber zurück zum Stützpunkt paddeln.
Hier erwartet sie auch die vorbereitete Szenerie: Eine Person ist in den Fluss gestürzt, muss gerettet werden. Das geschieht mit Überblick und souverän. Der Gerettete wird versorgt.
Oberst Klaffus ist zufrieden mit seinen zukünftigen Blauhelm- Berichterstattern und freut sich auf das abschließende Bankett in zwei Wochen, wenn alle Teilnehmer erfolgreich ihre Ausbildung beendet haben. "Danach sieht es bisher auch aus", sagt der Ausbildungsleiter zuversichtlich.