
„Oh Du stille Zeit. Kamst eh wir's gedacht. Über den Spessart weit. Gute Nacht“. Mit diesem Totenlied verabschiedeten sich am Samstag, 30. September, rund 70 Bürger, Ärzte, Mitarbeiter und Patienten bei einer symbolischen Beerdigung mit Trauerfeier vom Karlstadter Krankenhaus. Es wurde Tags zuvor als Folge der neuen Krankenhausstruktur im Landkreis geschlossen. Was blieb waren Wut, Einträge im Kondolenzbuch, „Trostpflaster und Erinnerungstabletten“.
Sargträger ganz in Schwarz
„Ruhe in Frieden“ beziehungsweise Rest in Peace stand auf dem Sarg, den Anästhesist Peter Lübke, Kreisrat Gerhard Kraft (Grüne), OP-Pfleger Bernhard Haaf und der ehemalige Wirt Dieter Maier vom Eingang des 1904 gebauten ehemaligem Destriktkrankenhauses rund 50 Meter weit über die Straße zum großen Parkplatz trugen. Er war mit Kerzen und Blumen angemessen geschmückt, unterbrochen von Schildern wie „Hier wurden sie geholfen“ oder „ich trauere um unser Krankenhaus, der vorzeitig einen gewaltsamen Tod sterben musste.“
Am Donnerstag zuvor um 14 Uhr war das Karlstadter Krankenhaus offiziell bei der Rettungsleitstelle als mögliche Anlaufstation abgemeldet worden. Bis Freitag 18 Uhr sollte es laut Klinkreferent Gregor Bett „unter „Volllast fahren“, allerdings planmäßig mit nur noch einem Patienten statt 13 wie zu Wochenbeginn.
Während der Beerdigung wurden „Organe“ entnommen, wie das aus dem Fenster schauende Personal bewies. Material wie Verbrauchsmaterial, Nachttische, aber auch Ultraschallgerät und Defibrillator werden in Lohr und Marktheidenfeld verwendet, Krankenbetten nur wenn sie gut erhalten sind und vom gleichen Fabrikat sind wie jene in Lohr. Der Rest soll in den sozialen Bereich gehen, eventuell auch über den Rotaryclub nach Afrika.
Hinter dem Sarg gingen vorwiegend ältere Menschen, teils in schwarzer Trauerkleidung. Werner Hofmann hatte sogar langstielige rote Rosen dabei. Unter den Trauernden war auch Werner Weigel, Kinderarzt im Ruhestand. Er untersuchte in den über 30 Jahren, in denen die Entbindungsstation bestand, über 10 000 Neugeborene, die in Karlstadt zur Welt kamen.
Trauerrede von Rudi Gosdschan
Als der Sarg neben einem eilig eingerichteten Notlazarett mit zwei Liegen und einer Infusion aufgebahrt war, hob Rudi Gosdschan von der Bürgerinitiative zur Trauerrede an. Er sprach davon, dass ein Krankenhaus über 100 Jahre alt werden kann. Doch in Karlstadt gingen die Uhren leider anders. Das Krankenhaus habe durch den Landrat und den Kreistag der plötzliche Krankenhaustod getroffen. Ein tragischer Tod der alle Bürger tief getroffen habe, und der mit etwas guten Willen und mehr Kompetenz zu vermeiden gewesen wäre.
Die Bürgerinitiative Krankenhaus Karlstadt habe einen engagierten Kampf um das Haus geführt. Denn es hätte durchaus Chancen gehabt, weiter mit Leben erfüllt zu werden – bei etwas guten Willen von allen.
Davon zeugten, so Gosdschan, zigtausende Patienten in Jahrzehnten denen über Jahrzehnte geholfen wurde – bei bester medizinischer Behandlung und hervorragender Pflege. Die Gesundheit von Menschen zu erhalten koste zwar viel Geld, doch hätten die Bürger diese Geld vorher auch erarbeitet und dem Staat zur Verfügung gestellt in der Erwartung, dass er da ist wenn sie ihn brauchen. „Nicht irgendwo, sondern vor Ort hier in Karlstadt.“
Vergeblicher Kampf um den Erhalt
Lang sei der Kampf der Initiative Seit an Seit mit den Ärzten und engagierten Personal gewesen. Doch letztlich habe gegen das Versagen des Managements, das jahrelang keine konstruktiven Lösungen habe annehmen können, und sein Vorhaben vom Krankenhausende kein Kraut und keine Medizin geholfen. Dabei hätten gewählte Politiker, dem Wohl der Bevölkerung verpflichtet, auch noch geholfen.
In die Trauer und immer noch die Wut des zugrunde gerichteten Hauses schloss Rudi Gosdschan auch seine „Totengräber mit ein“: Den „lieben“ Karlstadter Bürgermeister Paul Kruck (der besser nie auf schnelle Hilfe vor Ort angewiesen sein solle), den „lieben“ Landrat Thomas Schiebel (der alle politischen Fäden falsch verknüpft und immer nur nach Lohr geschielt habe) und den „bezahlten Totengräbereferenten“ Gregor Bett (der böswillig nur das Grab geschaufelt habe statt eine Lösung im Sinne der Bürger anzustreben).
Einträge ins Kondolenzbuch
Ohnmächtig und voller Trauer nehme man nun Abschied von Krankenhaus Karlstadt: „Du musstest viel zu früh gehen, aber wir sind froh und dankbar, dich so lange bei uns gehabt zu haben. In großer Dankbarkeit verneigen wir uns vor alle dem, was in diesem Haus vom gesamten Personal geleistet wurde.“
Nach der Ansprache konnte sich jeder in ausliegendes Kondolenzbuch eintragen. Einträge wie „ich war immer zufrieden“ oder „hier fühlte ich mich bei der Geburt meiner Kinder gut betreut“ zeugen von Verbundenheit mit dem Haus. Andere stehen für Wehmut etwa „vielen Dank für die schönen gemeinsamen Jahre, was bleibt ist die Erinnerung“.
Erinnerungstabletten „Vergißmeinnicht“
Auch pure Wut kam vor, etwa „Die Exzellenz kann mir gestohlen bleiben“ oder „In wutentbrannter Trauer.“ Auch Landrat und Bürgermeister wurden persönlich erwähnt. Das Kondolenzbuch wird die Bürgerinitiative dem Landkreis übergeben.
Gegen das Vergessen lagen zwar keine Sterbebildchen aus, aber dafür Trostpflaster und Erinnerungstabletten „Vergißmeinnicht“. Diese Pillen sollten bis zur Kommunalwahl täglich genommen werden, „damit Ihr Kreuz 2020 richtig sitzt“ und zu deren Risiken und Nebenwirkungen „Ihr Landrat oder Klinikreferent“ gefragt werden könnten.