
Einer kämpft als "Grüner Anarchist" gegen die Übermacht der Bierkonzerne, eine andere kocht Marmelade ein, weil sie kein Obst wegwerfen kann: Gewohnt vielfältig war die vierte Auflage der Gesprächsrunde "Bio – fair – regional" am Donnerstag in der Alten Turnhalle in Lohr, in der sich acht regionale Lebensmittelanbieter und Direktvermarkter dem Publikum präsentierten.
Die Gemeinschaftsveranstaltung der Ortsgruppe Lohr/Lohrtal im Bund Naturschutz (BN) und der Volkshochschule Lohr-Gemünden war trotz der Konkurrenzveranstaltung in der Stadthalle zu einem möglichen Biosphärenreservat Spessart gut besucht. Sie funktionierte nach dem Speed-Dating-Prinzip: An jedem Tisch saß ein Direktvermarkter, nach einer Viertelstunde wechselten seine Gesprächspartner.
So konnten die Besucherinnen und Besucher in einer Stunde mit vier Anbietern sprechen. Organisator und Moderator Dietrich Lauter vom BN riet Paaren, sich zu trennen: Dann könnten sie alle acht Direktvermarkter abklappern.
Was ein einzelner Mensch erreichen kann
In seinen einleitenden Worten widmete sich Lauter der Frage, was es bringt, wenn sich ein einzelner Mensch engagiert. Diese Frage werde häufig gestellt, aber selten ehrlich beantwortet, meinte er. Die meisten Menschen nähmen sich ausgesprochen ernst und kreisten um das, was sie hätten und was sie wollten.
Wenn es dagegen um Engagement und verantwortungsbewusstes Handeln gehe, wechsle die Perspektive plötzlich. Viele meinten dann, sie als einzelne seien ja nicht so wichtig und könnten nichts tun. Lauter erinnerte daran, dass viele Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte von Minderheiten angestoßen wurden.
"Grüner Anarchist" nennt Michael Schneider aus Heßdorf sein Bier, das er seit 2020 in einer Mini-Anlage zu Hause und als Mieter in einer größeren Brauerei herstellt. Politisch will er den Markennamen nicht verstehen. Ihm gehe es um andere Biere als die Einheitsbiere für jedermann der Braukonzerne, die nichts aussagten, erläuterte er.
Seine Biere aus Rohstoffen in Bioqualität seien unfiltriert, nicht pasteurisiert und naturtrüb. Bei ihm dürfe ein Pils noch knackig herb sein und ein Dunkles einen Röstmalzcharakter haben. Zu bekommen ist der "Grüne Anarchist" im Direktvertrieb über Hofverkauf und Internet sowie in einigen Dorfläden.
"Häusemer Hoflädle" im leerstehenden Schweinestall
Vor eineinhalb Jahren haben Martin und Bettina Stamm ihr "Häusemer Hoflädle" in Steinfeld-Hausen eröffnet. Die Idee sei entstanden, als sie darüber nachgedacht hätten, wie der leerstehende alte Schweinestall genutzt werden könnte, erzählte Martin Stamm. Mittlerweile haben sie neben eigenen Produkten die von rund 30 Lieferanten aus der Region im Sortiment.
Den Hofladen betreibt das Paar neben dem landwirtschaftlichen Betrieb. Er sei schon ein "Zeitfresser, das habe ich ehrlich gesagt unterschätzt", räumte Bettina Stamm ein. Vor allem die Vor- und Nachbereitungen kosteten viel Zeit. Das treffe auch auf den Auftritt im Internet wie etwa bei Instagram zu.
"Ich kann kein Obst wegschmeißen", war nach eigenen Worten der Antrieb von Heidrun Wacker aus Wombach für "Drunis Früchtchen". Unter dieser Marke vertreibt sie rund 100 verschiedene Fruchtaufstriche je nach Saison. Kundenfavorit ist die Erdbeere, "da kommst du mit dem Kochen nicht nach". Mittlerweile sind auch süßsauer eingelegtes Gemüse und Holunder- und Lavendelsirup hinzugekommen.
"Drunis Früchtchen": Bekanntschaft mit der deutschen Bürokratie
Was auf dem Etikett draufstehe, sei im Glas drin – "und nichts anderes", betonte sie. Bei der Etikettierung musste sie schon Bekanntschaft mit der deutschen Bürokratie machen. "Gelierzucker" als Angabe reicht nicht, es müssen auch die Bestandteile des Gelierzuckers angegeben werden. Wacker verkauft zu Hause und auf Märkten, wie etwa dem Lohrer Bauernmarkt.
Eine symbolische Entschleunigung hat Dirk Glaser aus Habichsthal hinter sich. Aus dem Motorradsport kommend, gründete er vor gut 20 Jahren "Maître-mobil – Kochen im Grünen". Seit zehn Jahren ist er bei der Slow-Food-Bewegung. Glaser baut bei Open Airs, Festen, Märkten und Hochzeiten seine mobile Küche vor Ort nach den Kundenwünschen auf.
50 hungrige Esser sollten es schon sein, "bei weniger werden die Kosten zu hoch". Nach oben ist viel Luft. Mit seinen Leuten hat er schon einmal für 4000 Menschen gekocht. Seine Spezialität ist der "Spessartflatscher" nach Döner-Art mit gebackenem Presssack. Glaser ist Autodidakt und durch seine Mutter zum Kochen gekommen: "Ich bin beim Kochen immer neben ihr gesessen." Sorgen machen ihm die Standgebühren bei Märkten, die enorm teuer geworden seien.
Die Veranstaltung "Bio – fair – regional" in Lohr sei "wieder ein kleines Lebensmittelstudium" gewesen, meinte BN-Ortsvorsitzender Torsten Ruf abschließend.