Am Tag der Deutschen Einheit ist im Freetown Marktheidenfeld reichlich Betrieb. Die Spielautomaten sind bereits am Vormittag besetzt. Während die Gäste hier ihr Glück versuchen, verlassen sich andere Menschen im hinteren Billardbereich vorwiegend auf ihr Können. Das erste Billardturnier in Marktheidenfeld hat begonnen und wird viele Stunden später mit einem spektakulären Überraschungserfolg enden.
Es herrscht eine andächtige Ruhe, als um 10 Uhr die 30 Teilnehmer in das Turnier starten. Schnell wird klar, dass sich an die fünf Billardtische im Freetown keine Anfänger verirrt haben. Zahlreiche Größen aus der Billardszene geben sich die Ehre. Unter anderem der U23-Vizeeuropameister Johannes Schmitt, der Deutsche Vizemeister mit der Mannschaft Thore Sönksen und der Zweitligaspieler Danilo Radunovic sind an den Tischen zugange.
Teilnehmer ist jedoch auch der Veranstalter selbst. Eigentlich sei das nicht geplant gewesen, durch die krankheitsbedingte Absage am Vorabend habe er spontan jedoch keine andere Lösung gesehen, sagt der Organisator Christoph Wisiol aus Marktheidenfeld. Seit 15 Jahren spiele er Billard, durch das Turnier möchte er dem Sport etwas zurückgeben.
Marktheidenfeld ist Ausrichtungsort der German Tour
Das Turnier ist Teil der German Tour, die 2014 gegründet wurde und genießt daher eine gewisse Reichweite. Die Tour stellt eine gemeinschaftliche Initiative der deutschen Billardlandschaft dar. Im vergangenen Jahr beteiligten sich rund 850 Turniere mit insgesamt 5000 Sportlern aus mehr als 30 Nationen an dieser Turnierserie.
In fünf Gruppen treten in Marktheidenfeld jeweils sechs Spieler gegeneinander an. Gespielt wird 9-Ball, eine klassische Form des Poolbillards. Neben einem Spielball sind neun nummerierte Bälle nötig. Mit dem Spielball muss die Kugel mit der niedrigsten Nummer angespielt werden. Gewonnen hat derjenige, der zuerst den Ball mit der höchsten Nummer, der neun, gelocht hat. In der Gruppenphase in Marktheidenfeld muss ein Spieler vier dieser Runden gewinnen, um letztendlich das Spiel gegen seinen Kontrahenten gewinnen zu können.
Reich wird man nicht als Billardspieler
Zwischen den Spielen eines Teilnehmers können schon mal zwei Stunden vergehen. Das sei völlig normal. Wenn man sich für ein solches Turniere anmelde, müsse man Geduld mitbringen, sagt Wisiol.
Zeit genug, um sich untereinander auszutauschen. Der 21-jährige Johannes Schmitt kommt aus Sommerkahl bei Aschaffenburg und ist U23-Vizeeuropameister im Acht-Ball, einer weiteren Form des Poolbillards. Mittlerweile spielt er in der zweiten Mannschaft des BSV Dachau in der 2. Bundesliga. Sehr entspannt wirkt er, als er im Biergarten des Freetowns zwischen den Partien aus seinem Leben erzählt. Zur Zeit müsse er viel arbeiten, da bleibe nicht mehr so viel Zeit, Turniere zu spielen. "Reich werde ich als Billardspieler nicht, dennoch sind die Gewinne natürlich ein schönes Taschengeld", sagt Schmitt.
Als Profispieler sähe er sich in der Zukunft nicht. Der Druck sei ihm seiner aktuellen Vorstellung nach zu hoch. Der Spaß stehe im Vordergrund und den habe er auch nach mittlerweile elf Jahren im Billardsport. Auch hier. "Ein super Turnier", lobt er die Veranstaltung. Dennoch möchte er sich weiter verbessern. Sein nächstes Ziel ist die Qualifikation zu den Deutschen Meisterschaften im Herrenbereich. Zudem möchte er für die erste Mannschaft in Dachau spielen. Dort gehe es auch richtig hoch her, sogar einen eigenen Fanclub haben sie dort. Die "Pooligans" sorgen bei den Spielen für Stimmung. "Der Lärm muss einem auf dem Niveau dann egal sein", sagt der 21-Jährige.
In der Gruppenphase läuft es gut, nach leichten Anfangsschwierigkeiten kann der jüngste Teilnehmer seine Gruppe als Erster abschließen. Sönksen, Radunovic und auch der Organisator Wisiol folgen ihm in die KO-Phase. Es ist bereits 20 Uhr. "Jetzt geht’s erst richtig los", sagt Wisiol nach über zehn Stunden Turnier.
Verpflegung und Spendenaktion in den Spielpausen
Der Organisator lobt das Freetown für den guten Service und die hervorragende Verpflegung der Teilnehmer. Zudem sei die Kommunikation mit der Verantwortlichen Ilona Gerbe in den Wochen vor dem Event sehr gut gewesen. "Das Freetown als Austragungsort hat sich absolut bewährt", zeigt sich Wisiol zufrieden.
Zur Unterhaltung können die Teilnehmer und Gäste am Snookertisch in der Spielhalle nebenan an einer Spendenaktion teilnehmen. Für zwei Euro kann man sich daran versuchen, die höchste Punktzahl in einer Serie zu lochen. Dem Gewinner winken hierbei 50 Euro, Insgesamt kommt am Ende des Tages eine Spendensumme von 305 Euro zusammen. Die Summe kommt der Ehefrau eines kürzlich verstorbenen Billardspielers zu Gute, der trotz seines Handicaps mit verkürzten Armen jahrelang erfolgreich Billard spielte und in der Szene sehr geschätzt wurde.
Favorit und Außenseiter duellieren sich im Finale
Am Abend füllt sich das Freetown. Immer mehr Menschen kommen zum Essen oder wollen Fußball schauen. Das Geschehen im Billardbereich geht an vielen vorbei. Hier warten jedoch spannende KO-Duelle, die gegen 1 Uhr ein Finale hervorbringen. Veranstalter Christoph Wisiol steht überraschend im Finale und hier dem Vizeeuropameister Johannes Schmitt gegenüber. Schmitt wirkt müde, macht einige Fehler und verliert am Ende doch deutlich mit 5:2 gegen Christoph Wisiol. Sichtlich überrascht, aber zufrieden zeigt sich Wisiol, als um halb zwei in der Nacht die letzte Kugel zu seinen Gunsten in der Tasche verschwindet. Die Siegersumme von 400 Euro geht an ihn, wovon er einen Teil der Spendenaktion zur Verfügung stellt. Auf Schmitt warten 200 Euro, während der Drittplatzierte noch 100 Euro kassiert. Im Spiel um Platz drei konnte sich Sönksen gegen Radunovic durchsetzen.
"Ich bin natürlich sehr zufrieden, das ist etwas ganz Besonderes für mich", sagt der Turniersieger und strahlt. Noch nie habe er ein offizielles Turnier gewinnen können, erzählt er weiter. Ausgerecht sein Turnier, für das er nur spontan selbst aktiv teilnahm, gewinnt er nun. "Es wird eine Wiederholung geben, es war ein voller Erfolgt", fasst Wisiol die Veranstaltung nach 16 Stunden zusammen.