
Die "Initiative Singende Krankenhäuser" hat die Bezirksklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin in Lohr als "singendes Krankenhaus" zertifiziert.
Vorsitzende Elke Wünnenberg betonte bei der Zertifikatsübergabe am Mittwoch, Singen sei über alle Krankheits- und Störungsbilder hinweg ein "Gesundheitserreger". Denn durch das Singen werde das soziale Kontaktsystem des Menschen angeregt.
Vor rund vier Jahren wurde das sogenannte heilsame Singen als neues Angebot in der Bezirksklinik etabliert. Im Unterschied zu offenen Singgruppen auf verschiedenen Stationen des Krankenhauses folgt das heilsame Singen anderen Regeln. Die Texte sind in der Regel recht kurz, die Inhalte tröstend, aufbauend, bisweilen auch nachdenklich und meditativ.
Musiktherapeut Andreas Paff hat Musik als Therapie an seiner ersten Stelle als Therapeut in Lüneburg kennengelernt. Er sei damals von einem Rundfunksender gekommen, wo er von "hochprofessionellen Musikern" umgeben gewesen sei. Das habe ihn eingeschüchtert. Doch das Leistungsdenken stehe manchmal im Weg.
Jeder kann singen
Heute wisse er, dass jeder singen könne, wenn er den inneren Zugang gefunden habe. Paff möchte die Information der Patienten über das Angebot verbessern. Dafür gebe es schon Pläne. Sein Ziel sei eine Gruppe mit 20 bis 30 Teilnehmern wie in Werneck.
Zwei Patienten mit Depressionen berichteten, wie ihnen die Musik hilft. Das Singen gebe ihr eine Leichtigkeit, die sie trage, wenn es ihr einmal nicht so gut gehe, erklärte eine Frau. Nach den Worten eines Mannes ist er beim und nach dem Singen gelöst, entspannt und ruhig: "Man fühlt sich einfach gut." Er könne das Singen jedem nur empfehlen.
Singen schaffe einen Ort der Begegnung und Gemeinschaft, eine Art Freundeskreis entstehe, erläuterte Elke Wünnenberg, die Diplompsychologin ist. Singende Menschen seien in eine Gruppe eingebunden, aber auch eigenständig, weil sie selbst etwas gestalten könnten. Warum Musik so hilfreich sei, habe der amerikanische Wissenschaftler Stephen Porges mit seiner "Polyvagal-Theorie" erklärt. Danach stellt die besondere Struktur des Parasympathikus', eines Teils des vegetativen Nervensystems, den Menschen auf Kontakt ein.
Der Mensch fühle sich in Gemeinschaft wohl - anders als viele Tiere, die Flucht- oder Kampfverhalten zeigten. Singen sei sozusagen eine "Hotline" zum vegetativen Nervensystem. Wer sich geborgen und sicher fühle, könne sich austauschen und menschlich weiterkommen.
Das Bezirkskrankenhaus habe bereits eine Reihe von Auszeichnungen erhalten, aber dieses Zertifikat freue ihn besonders, weil es mit Musik zu tun habe, unterstrich Ärztlicher Direktor Dominikus Bönsch. Musik und Psychiatrie hätten miteinander zu tun. Denn Musik werde als etwas besonders Wohltuendes wahrgenommen.
Bereits die Neandertaler hätten intensiv Musik gemacht, so Bönsch. Es gebe die Theorie, dass die Entwicklung der menschlichen Sprache eng mit Musik und Singen verbunden sei. Die Musik versetzt nach Bönschs Worten in die Kindheit zurück und vermittelt positive Emotionen.
Fünfte Klinik in Bayern
"Musik macht gesund", fasste Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel zusammen. Denn sie vereine Körper, Geist und Seele. Laut Dotzel ist die Lohrer Bezirksklinik das fünfte Krankenhaus in Bayern mit dem Zertifikat "singendes Krankenhaus". Es gebe kaum etwas, was die Menschen zufriedener mache als Musik.