Können "Alltäglichkeiten" so interessant sein, dass man damit eine Ausstellung bestücken kann? Dass das geht und dass man im Alltäglichen das Besondere entdecken kann, zeigt die Künstlergruppe Kontraste mit Brigitte Heck (Gemünden), Kerstin Römhild, Annette Madré (beide Lohr), Thomas Ottenweller (Hammelburg) und Uli Gubik (Rieneck) mit ihrer jüngsten Ausstellung in der Alten Turnhalle. Am Samstag war Vernissage.
Die Ausstellungseröffnung war im Rahmen der Corona-Einschränkungen gut besucht. "Es tut einfach nur gut, etwas Schönes zu sehen, nach gefühlten Ewigkeiten dürfen wir wieder", sagte Dritte Bürgermeisterin Ruth Steger. Den Ausstellungstitel "Alltäglichkeiten" könnte man als nichts Außergewöhnliches deuten.
"Schön, dass Sie wieder da sind", sagte Annette Madré im Namen der Künstlergruppe, die mit ihrer jährlichen Ausstellung 2020 wegen der Pandemie pausieren musste. Auch Madré hatte der Virus erwischt, sodass sie nicht zum Malen kam. Die Lohrerin zeigt deshalb nur einige ältere Werke. Dazu gehören "Marie Pierrette Bonnet I und II", Öl auf Holz und Glas. Den Namen der (oder des?) Verstorbenen aus dem 19. Jahrhundert hat sie auf einem Grabstein entdeckt, wo sie oder er als "Femboy" (weiblicher Junge) bezeichnet wird. Diese Bezeichnung hat nach Madrés Worten durch die Gender-Diskussion an Aktualität gewonnen.
"Müll der Moderne"
Thomas Ottenweller zeigt drei Acrylgemälde unter dem Thema Hände und Füße und das Triptychon "Der Müll der Moderne". Auf den Gemälden sind Hände und Füße zu sehen, die täglichen Belastungen ausgesetzt sind. Auf dem dritten mit dem Titel "Relax" gönnt sich eine Frau die Erholung von der alltäglichen Belastung. Beim Triptychon sind die beiden Seitenteile mit Acryl auf Leinwand gemalt, der Mittelteil besteht aus einer Materialcollage aus Abfällen.
Betonbrocken aus alter Brücke
Mit der Serie "Damen" ist Kerstin Römhild vertreten. Damit will sie alltägliche Befindlichkeiten der modernen Welt zeigen wie etwa den Menschen 4.0, der ohne Handy und Tablet nicht mehr aus dem Haus geht. Weiteres Thema ist die Hausfrau, die laut Römhild in Zeiten des Lockdowns noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen hat. Ferner greift sie Umweltthemen auf.
"Archen" ist eine der Serien, die Brigitte Heck ausstellt. Dabei handelt es sich nach ihren Worten um "sichere Orte, die uns in die Lage versetzen, unsere Gedanken zu ordnen und Pläne zu schmieden". Diese Orte seien wichtig für das tägliche Leben. Daneben sind die Serie "Schwarz und mysteriös" und die Figurengruppe "Nibelungen" aus Betonbrocken zu sehen, die beim Abriss der alten Gemündener Mainbrücke anfielen.
Mit dem "alltäglichen Müll unserer Printmedien" beschäftigt sich Uli Gubik, mit der Flut an Prospekten, die tagtäglich den Briefkasten verstopfen. Ganz bewusst hat sie deshalb ihre Kunstdrucke auf eine Maximalauflage von vier begrenzt. Sie unterscheiden sich zudem noch durch Veränderungen der Druckplatte, um die Einzigartigkeit jedes Drucks begreifbar zu machen. Zudem zeigt Gubik eine Serie, zu der sie durch Abfälle von Steinpilzen inspiriert wurde, mit denen sie im Herbst 2019 überschwemmt wurde.
14-Jähriger am Klavier
Für einen sehr ansprechenden musikalischen Rahmen der Vernissage sorgte der 14 Jahre alte Nachwuchskünstler Jörg Bieberstein mit drei Stücken am Klavier von Modest Mussorgski (aus "Bilder einer Ausstellung"), Frédéric Chopin ("Regentropfen-Prélude") und Sergei Rachmaninov (Prélude cis-moll op. 3,2).
Die Ausstellung ist noch bis zum 8. August täglich von 14 bis 18 Uhr zu sehen.