Was kann man als Abiturientin des Gemündener Friedrich-List-Gymnasiums in einer Seminararbeit zum Thema „Vorwärts mit Dampf“ schreiben? Wenn man wie Nina Körner aus Wernfeld ist, der Uropa Besen gebunden und Körbe geflochten hat, liegt das auf der Hand: Man schreibt über Besenbinder.
Zugegeben, die Handwerker brauchten zur Fertigung ihrer Produkte aus Birkenreisig keine Dampfmaschinen, aber die Eisenbahn brachte für die Besenbinder eine große Erleichterung. Sie konnten ihre Bündel weiter transportieren, als das noch mit dem Fuhrwerk oder dem Karren der Fall war und bessere Preise erzielen. Nina Körner hat auf über einem Dutzend Seiten zusammengetragen, was den praktisch ausgestorbenen Berufsstand auszeichnete.
Keine Aufzeichnungen
Sie war erstaunt, dass es über die Besenbinder, die mit dem Reisigbesen neben dem Krug der Töpfer sogar das Wernfelder Wappen zieren, keinerlei Aufzeichnungen gibt. Das sei umso verwunderlicher, weil früher in jedem zweiten Haus Besen gebunden wurden. Die Besenbinder waren nicht in Zünften organisiert und hatten keinen guten Ruf, schreibt Körner. Für die Ausübung ihres Handwerks benötigten sie keine Ausbildung. Es reichte Geschick, dazu das Beil und ein scharfes Messer.
Ihre gesellschaftliche Einordnung war deshalb nicht einfach, weil sie sich oft außerhalb menschlicher Siedlungen aufhielten, um Material für ihre Besen zu finden. Grundsätzlich hatte jeder Besenbinder seinen Bezirk, den er mit Waren versorgte. Wenn Konkurrenten auftauchten, kam es manchmal zu Schlägereien. Daher stamme das Sprichwort: „Die schlagen sich wie die Besenbinder“, berichtet Körner weiter.
20 Pfennig für einen Besen
Bei einem Preis von 20 oder 30 Pfennig pro Stück konnte man nicht reich werden. Das passende Sprichwort dazu hieß: „Besenbinder leben vom lieben Gott und den guten Menschen“, erfuhr die Schülerin und auch, dass deshalb viele die Landwirtschaft und andere Tätigkeiten ausüben mussten, um den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern. Mit dem 1955 geborenen Reinhold Müller und dem 69-jährigen Gustav Müller interviewte Körner die beiden letzten noch verbliebenen Wernfelder Besenbinder.
Aus Überlieferungen seiner Vorfahren weiß Gustav Müller, dass die Märkte in Aschaffenburg, Schweinfurt oder Würzburg bedient wurden. Er selbst habe in Nürnberg Besen verkauft und konnte es gar nicht glauben, dass sie zu guten Preisen so schnell weg waren. Sonst war es oftmals nicht einfach, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Da spielten ein paar Pfennige eine Rolle: „Man musste um die Kunden kämpfen.“ Auch das Beschaffen des Werkstoffs war wegen des Konkurrenzdrucks nicht einfach.
So sei es immer wieder zu Reibereien um das Reisig oder die Weiden gekommen. „Jeder hatte da so seine Stellen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass sich einmal einer an meinem Reisig zu schaffen machte. Dem hab ich's gegeben, der hat sich nicht mehr getraut in die Nähe meines Reviers zu kommen“, erzählte Gustav Müller.
Es sei schlimm zu sehen, wie ein Handwerk ausstirbt, das über Jahrhunderte das Dorf geprägt habe. Ihm falle es wegen seines nachlassenden Augenlichts zunehmend schwer, Besen zu binden. Noch vor ein paar Jahren habe er ein paar Besen und Körbe für einen Herbstmarkt gemacht und sich die Frage gefallen lassen müssen, was man denn mit so einem „Stängel“ anfangen könne. „Das stimmt mich traurig, vielleicht weiß schon 20 Jahren keiner mehr, was Besenbinden bedeutet.“
Auf die Unterstützung durch Nina Körner können die Wernfelder zum Erhalt der Tradition nicht hoffen. Auf die Frage, ob sie jetzt auch Besen machen könne, kam die entschlossene Antwort: „Nee, auf gar keinen Fall. Da muss man genau wissen, wie man schneidet und alles in Form bringt. So ein Ding von mir würde glatt auseinanderfallen.“