
Lachen schallt aus dem Waldgebiet „Alter Acker“ oberhalb von Wiesthal. Hackgeräusche, das Schnarren von Sägen und das Knipsen von Drahtscheren machen schnell klar, dass hier auch gearbeitet wird – trotzdem ist die Stimmung gut. Oder gerade deswegen?
Auf etwa einem halben Hektar Spessartwald bei Wiesthal sind seit Anfang November rund 50 freiwillige Helfer des Bergwaldprojekts im Einsatz. An diesem Vormittag sind 13 Ehrenamtliche damit beschäftigt, die Fläche mit einem Metallzaun zu umgeben. Unterstützt werden die Bergwaldhelfer von etwa ebensovielen Schülern des Friedrich-List-Gymnasiums in Gemünden. Auch Revierleiter Stefan Feller ist an diesem Morgen am Alten Acker. Nicht zur Kontrolle. „Das läuft schon alles ordentlich“, sagt Feller.

Tannen pflanzen und Zäune spannen
Die Aufgaben für das Bergwaldprojekt im Wiesthaler Gemeindewald sind klar: Kleine Weißtannen-Wildlinge in das von Fichten umgebene und unter anderem durch Borkenkäfer und Schneebruch geschädigte Gebiet pflanzen und die Fläche mit einem Zaun vor Verbiss durch Wildtiere schützen. Feller weiß die Arbeiten in „seinem“ Forstrevier in guten Händen bei Bergwald-Projektleiter Henning Rothe, der in seinem Hauptberuf ebenfalls Revierleiter ist – allerdings in Niederbayern.
Hier in Wiesthal organisiert Rothe die Arbeit und leitet die ehrenamtlichen Helfer an.
Seit zehn Jahren ist der Verein in verschiedenen Gemeindewäldern im Spessart in Zusammenarbeit mit dem Amt für Landwirtschaft und Forsten in Karlstadt tätig. Nach zwei Wochen Arbeit im Wiesthaler Wald ziehen die ehrenamtlichen Waldarbeiter in der vorletzten Novemberwoche weiter nach Rothenfels und Hafenlohr. Stefan Feller hat selbst auch im Studium Ende der 80er-Jahre beim Bergwaldprojekt in der Schweiz als Freiwilliger mitgearbeitet.
Eine bunte Schar an Helfern
Die kleine Schar der freiwilligen Helfer im Wiesthaler Wald könnte bunter kaum sein. Von Anfang Zwanzig bis weit ins Rentenalter, Studenten, Beamte, pensionierte Lehrer, ehemalige Busfahrer oder Doktoren der medizinischen Grundlagenforschung aus Hamburg, Oberbayern, München, Aachen und der Schweiz. Viele Freiwillige sind Leute, die sonst den ganzen Tag Büroarbeit machen, sagt Rothe. Für die sie es eine Abwechslung, „am Ende des Tages mal zu sehen, was man geschafft hat“. Die Teilnehmer bestätigen das. „Ich sitze sonst nur am Schreibtisch, mache keinen Sport, bewege mich aber gern. Da ist das hier ideal“, sagt einer. „Man lernt interessante und sehr unterschiedliche Menschen kennen“, sagt ein anderer Helfer.
Ist das Bergwaldprojekt also eine Art Wellness-Urlaub für Schreibtischtäter? Für manche schon, sagt Henning Rothe. „Handwerker sind die wenigsten der freiwilligen Helfer“, lacht der Projektleiter. Aber nicht nur der körperliche Ausgleich lässt Menschen ihren Urlaub und ihre Freizeit opfern – manche sogar mehrere Wochen im Jahr. „Viele interessiert auch einfach das Thema Wald, Natur und Nachhaltigkeit“, erklärt Rothe.
Die „Küche der Liebe“ ist wichtig

Geld bekommen die Helfer keines für ihren Einsatz, müssen aber außer der Anfahrt nichts zahlen. Kost und Logis ist frei. „Es geht das Gerücht um, dass einige Teilnehmer nur wegen des guten Essens kommen“, lacht Rothe. Aber die „Kitchen of Love“, die „Küche der Liebe“, wie das Kochteam auf der Internetseite Bergwaldprojekts genannt wird, ist Rothe wichtig. „Die Leute arbeiten hart, ohne Geld dafür zu bekommen“, sagt der Projektleiter, „da muss wenigstens das Essen schmecken.“
Meist übernachtet die Bergwaldgruppe in der Nähe des Einsatzortes. Diesmal hat das aber nicht funktioniert, die 13 Helfer und die Verantwortlichen wohnen in Seifriedsburg bei Gemünden, was täglich etwa eine dreiviertel Stunde Fahrt nach Wiesthal und zurück bedeutet. „Es ist gar nicht so einfach, eine günstige Unterkunft für so viele Leute hier im Spessart zu bekommen“, sagt der Projektleiter.
Schüler packen mit an
Im Grunde nicht freiwillig, aber trotzdem mit Eifer dabei sind die Zwölftklässler aus Gemünden. Zu dem einen Tag Arbeitseinsatz für das Bergwaldprojekt in Wiesthal sind sie über das P-Seminar „Umweltethik“ gekommen, das Lehrer Andreas Raps am Friedrich-List-Gymnasium anbietet. In dem Seminar geht es um Themen wie Recycling oder Nachhaltigkeit. Die Schüler hatten schon den Förster in Gemünden oder das Forstamt in Karlstadt besucht, und nun arbeiten sie einen Tag beim Bergwaldprojekt mit.
Es gibt viele Projekte des Bergwaldprojekts mit Schulen zusammen, sagt Martin Ladach. Der Pädagoge ist Ansprechpartner für die Schulprojekte. Das Bergwaldprojekt bietet Waldschulwochen an, aber auch die Mitarbeit an einem Tag, wie in diesem Fall. „Da kommen immer Anfragen, das Bergwaldprojekt zu besuche“, erzählt Ladach. Drei Wochen arbeiten die freiwilligen Helfer in jedem Jahr im Spessart, die Schulen würde das mittlerweile wissen und das schon einplanen.
Nachhaltigkeit ohne Dank

Ein zwanzig Zentimeter tiefes Loch hacken, das kleine Bäumchen reinsetzen und fest mit Erde andrücken, und ein paar Meter entfernt beginnt das Spiel von vorne. Die angehenden Abiturienten aus Gemünden arbeiten sich bis zum Nachmittag durch das Gebiet im Wiesthaler Wald. Nicht jeder der Schüler hat schon mal eine Hacke in der Hand gehabt, aber nach kurzer Zeit klappt es bei allen. Projektleiter Rothe ist zur Mittagszeit zufrieden mit der Arbeit der Schüler. „Das haben sie gut gemacht, ich musste kaum einen Baum monieren.“ Auch die Schüler scheinen Spaß an der Arbeit zu haben, spornen sich gegenseitig an und ein gewisser Stolz auf die Anpflanzung ist ihnen anzumerken.

Die Schüler würden hier lernen, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, sagt Roth. „So jung die Schüler auch sind, sie werden kaum erleben, was aus dieser Anpflanzung mal werden wird und bedanken wird sich darum auch niemand bei ihnen.“ Die forstwirtschaftliche Arbeit, die durch das Bergwaldprojekt geleistet wird, sei sinnvoll und gut, erklärt Rothe, „aber damit retten wir nicht die Welt.“ Wichtiger sei es, ein Bewusstsein zu schaffen für Natur, Umweltschutz und Ökologie, auch für deren Bedeutung für die nachfolgenden Generationen. Damit könne man eher die Welt retten.
Das Bergwaldprojekt
Das Bergwaldprojekt wurde 1987 in der Schweiz ins Leben gerufen. 1991 fand der erste Arbeitseinsatz in Deutschland statt, 1993 wurde der deutsche Verein „Bergwaldprojekt e.V.“ gegründet. Sitz des Vereins ist in Würzburg.
Ziel des Vereins ist der Schutz, der Erhalt und die Pflege des Waldes, aber auch die Förderung des Verständnisses für Zusammenhänge in der Natur und die Abhängigkeit des Menschen von diesen Lebensgrundlagen.
Nach Angaben des Vereins fanden im Jahr 2017 insgesamt 100 Projektwochen an 51 Standorten in ganz Deutschland statt, über 2000 Freiwillige nahmen daran teil.
Mehr Informationen zum Bergwaldprojekt unter www.bergwaldprojekt.de